Ertüchtigung von vorhandenen dezentralen Regenwasserbehandlungssystemen am Beispiel des Nassschlammfangs „Modell Hannover“ unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses von Organik – MoHaOrg (abgeschlossenes Projekt)

Wissenschaftliche Projektleitung und -koordination: Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik (ISAH) der Leibniz Universität Hannover - Fördersummme DBU: 119.865 Euro

Erhöhte Anforderungen an die Gewässerqualität, die sich unter anderem aus der Wasserrahmenrichtlinie (Europäische Union, 22. Dezember 2000) ergeben, rücken die Behandlung von Niederschlagswasser in den Fokus von wissenschaftlichen Studien und Forschungsprojekten. Im urbanen Raum ist der Platz für zentrale Niederschlagswasserbehandlungsanlagen begrenzt, weshalb ein aktueller Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkt auf der Untersuchung von dezentralen Anlagen liegt.

Ziel:

Das praxisorientierte Vorhaben MoHaOrg sollte einen Beitrag leisten, Schadstoffeinleitungen in die Gewässer über den Regenwasserabfluss zu reduzieren und Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) umzusetzen. Mit dem primären Ziel des verbesserten Feststoffrückhalts wurden in Deutschland zahlreiche Straßenabläufe mit Nassschlammfang ausgeführt, Informationen zu ihrer konkreten Rückhalteleistung im Betrieb lagen bisher jedoch nicht vor. Für den in Hannover über 52.000 Mal verbauten Straßenablauf mit Nassschlammfang „Modell Hannover“ ergaben erste sondierende Untersuchungen eine deutlich höhere Reinigungsleistung als von der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall festgelegt [Durchgangswert von 0,8 für die Flächenbelastung (Verhältnis von undurchlässiger Gesamtfläche zur Versicherungsfläche), DWA, 2007]. Diese Werte zu bestätigen, die Reinigungsleistung im Bestand weiter zu optimieren und die Einsatzmöglichkeiten des "Modells Hannover" im Hinblick auf ein Gesamtentwässerungskonzept zu bewerten, war Ziel des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projektes, das gemeinsam von der Firma MeierGuss (technische Entwicklung), den wissenschaftlichen Partnern Leibniz Universität Hannover, Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik (Systembewertung und Einfluss Organik) sowie der Technischen Universität Berlin, Fachgebiet Siedlungswasserwirtschaft (Durchführung Teststandversuche) und der Stadtentwässerung Hannover (praktische Erprobung) durchgeführt wurde.

Ergebnis:

Die Reinigungsleistung des Nassschlammfangs „Modell Hannover“ wurde mit Hilfe von Teststandversuchen unter verschiedenen Betriebs- und Systembedingungen bzgl. des Rückhalts von abfiltrierbaren Stoffen ermittelt und durch technische Weiterentwicklung bzw. die Identifikation optimaler Betriebsbedingungen (z.B. Einfluss der Vorfüllung des Schlammraums) leistungsfähiger gemacht. Auf Basis von in situ Untersuchungen und ergänzenden Laborversuchen wurde dabei der Einfluss des Einzugsgebietes auf die Belastung des abfließenden Niederschlagwassers analysiert und mit dem Ziel der verbesserten Abtrennleistung des Nassschlammfangs „Modell Hannover“ ein Betriebskonzept erarbeitet.

Als zentraler Austragsmechanismus für AFSfein wurde die Ausbildung einer Wirbelströmung im Straßenablauf identifiziert. Durch die Modifikation des Tauchbogens wurde die Wirbelbildung deutlich reduziert. Für den Nassschlammfang „Modell Hannover“ wurde entsprechend der aktuell bestehenden Testverfahren ein Rückhalt von 62,6 % bzw. 63 % für den durch reduzierte Turbulenz und unterbrochene Wirbelbildung verbesserten Einlauf/Ablaufbereich ermittelt. Der Einsatz eines Filters oder Siebs erwies sich im ersten Ansatz als betrieblich nicht geeignet. Die über ein halbes Jahr in situ erfolgte Erprobung der verbesserten Variante zeigte hydraulisch kaum Unterschiede, wobei im Untersuchungsjahr nur sehr wenig Niederschlag gefallen ist. Hier finden aktuell ergänzend weitere Untersuchungen statt.

Bezüglich der Bewertung der Vegetation als Einflussfaktor auf die Niederschlagswässer konnte durch in situ Untersuchungen und Probenahmen über den Zeitraum von einem Jahr das Verständnis für Akkumulationsprozesse von Substrat im Nassschlammfang erheblich verbessert werden. Darauf aufbauende Laborversuche zu Zersetzungs- und Leachingprozessen von Vegetationsbestandteilen in wässriger Lösung zeigen, dass sich während der Standzeiten im Schlammraum von Nassschlammfängen organische Substrate wie beispielsweise Laub und Pollen unterschiedlich schnell zersetzen und zum Teil zu einer erhöhten Zehrungsbelastung (deutlicher Konzentrationsanstieg an CSB-gelöst) führten. Aus der Kombination dieser beiden Untersuchungen konnten gemeinsam mit der Stadtentwässerung Hannover Konzepte für angepasste Reinigungs- und Wartungsintervalle ermittelt werden. Eine Einbindung von Bestandsanlagen in das Niederschlagswasser-Management ist auch für andere Städte zu empfehlen.

Fazit:

Bei der Ertüchtigung von Nassschlammfängen ist insbesondere eine Reduzierung der Turbulenzen im Schacht mit einer Wasserentnahme im Zentrumspunkt zielführend. Die in den Versuchen ermittelte Reinigungsleistung des „Modell Hannover“ ist ausreichend für Flächenkategorie II nach DWA-A 102 (2016, Entwurf). In Hannover könnten damit 90 % der Straßenabläufe bestehen bleiben. Eine Ertüchtigung für Flächenkategorie III ist voraussichtlich nur mit weiteren ergänzenden Einbauten oder durch den Einsatz neuer Systeme mit Filter möglich. Die langfristige Nutzung von Bestandssystemen durch angepassten Einsatz und Optimierung sollte im Hinblick auf die Interessen der Bürger (Gebührenaufwand) weiter unterstützt werden. Als grundsätzliches Problem für die Anerkennung von Bestandsanlagen wird gesehen, dass der aktuell im Entwurf des DWA-A 102 beschriebene Weg eine Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) voraussetzt, die für ein bestehendes System (bislang) nicht zu erzielen ist.

Die Versuche zum Einfluss der Organik zeigen, dass die Vegetation in der Umgebung eine wichtige bislang nicht ausreichend betrachtete Einflussgröße ist. Dabei können Zersetzungsprozesse von Vegetationsbestandteilen zu der Belastung des in Straßenabläufen mit Nassschlammfang eingestauten Wassers beitragen, grobe Vegetationsbestandteile zu einem vermehrten Feinstoffrückhalt führen. Daher sind optimierte Betriebsstrategien zum Beispiel in Form von zeitlich fokussierten Reinigungsphasen für Straßenabläufe sinnvoll und durch angepasste Betriebsroutinen umsetzbar. Diese Erkenntnisse zum Betrieb werden in aktuellen Forschungsprojekten des ISAH weiterentwickelt.

Weiteres Vorgehen der Stadtentwässerung Hannover:

Mit der Einordnung der Reinigungsleistung des „Modells Hannover“ ist ein wichtiger Baustein für die weitere Entwicklung von Regenwassermanagementplänen in Hannover fertiggestellt worden. Aufgrund des flächenhaften Einbaus des Straßenablaufs „Modell Hannover“ ist die Kenntnis über die Reinigungsleistung für die Ermittlung des Emissionspotentials des Einzugsgebiets ausschlaggebend. Sie bildet die Grundlage für ein, aus Sicht des Abwassergebührenzahlers, wirtschaftliches und nachhaltiges Regenwassermanagement. In weiteren Schritten werden Emissionspotentialkarten für die ca. 400 Einleitungspunkte in die Fließgewässer erarbeitet und mit der immissionsorientierten Bewertung der Fließgewässer überlagert. Somit können die Emissions-Hotspots ermittelt werden, die zuerst behoben werden müssen. Zur Bewertung der Fließgewässer ist ein Messprogramm mit teilweise stationär installierten Messsonden im Gewässer und Kanalnetz für die nächsten Jahre anvisiert. Zusammen mit der zukünftig vorgesehenen Entlastungssteuerung des Mischwasserkanalnetzes (die von der Gewässerqualität, Schmutzfracht und Klärwerksbelastung abhängig ist) und angepassten Regenwasserkanal- und Straßenablaufreinigungsroutinen können die Fließgewässer erheblich entlastet werden – insbesondere auch im Hinblick auf Klimawandelaspekte.


Ansprechpartner zum Projekt

Projektpartner:

Wissenschaftliche Projektleitung und -koordination:

Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik (ISAH)
der Leibniz Universität Hannover

Name:

Dr.-Ing. Maike Beier

Adresse:

Welfengarten 1, 30167 Hannover

Tel.:

0511 762 2898

AZ:

33308

Internetadresse:

www.isah.uni-hannover.de

Technische Weiterentwicklung:

MeierGuss Limburg GmbH, Projektleiter: R. Sonnenberg

Kooperationspartner:

Durchführung Versuche am Teststand:

FG Siedlungswasserwirtschaft der Technischen Universität Berlin,
www.siwawi.tu-berlin.de

Assoziierte Partner

Stadtentwässerung Hannover (SEH)

Fördersumme DBU:

119.865 Euro

Medien & Infos