Entwicklung eines innovativen Therapeutikums auf Basis von lebenden Mikroorganismen zur lokalen Anwendung bei Infektionen der bovinen Milchdrüse

Hochschule Hannover, Fakultät II, Abteilung Bioverfahrenstechnik, Hannover - Fördersumme DBU: 280.395 Euro

2017 wurden in Deutschland nach Angaben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit 733 Tonnen Antibiotika an Tierärzte abgegeben. In Milchviehherden kommen Antibiotika oft zur Behandlung von Entzündungen der Milchdrüse (Mastitiden) zum Einsatz. Mastitiden zählen zu den bedeutendsten Erkrankungen in Milchviehherden und werden durch krankheitserregende Mikroorganismen hervorgerufen, die von außen durch den Zitzenkanal in das Euter eindringen. Bestehende Infektionen der Milchdrüse werden meist antibiotisch behandelt. Separate Zahlen für den Antibiotika-Einsatz in der Milcherzeugung liegen nicht vor. Nach einer Schweizer Studie aus 2003/2004 wurden in der Milchproduktion durchschnittlich 83 Antibiotikabehandlungen pro 100 Tiere und Jahr durchgeführt. 25 % aller Kühe wurden pro Jahr aufgrund einer Mastitis mit Antibiotika behandelt. Aufgrund von Eutergesundheitsstörungen und deren Therapie (z. B. Antibiotikarückstände) dürfen etwa 10 % der erzeugten Milchmenge nicht in die Lebensmittelkette gelangen. Ein erheblicher Teil der eingesetzten Antibiotika gelangt schließlich über Gülle und Mist in die Umwelt, belastet Böden und Gewässer und fördert die Verbreitung resistenter Bakterienstämme.

Ziel:

Ziel des Projektes war es, ein mikrobiologisches Therapeutikum auf Basis von Milchsäurebakterien zu entwickeln, das alternativ zu Antibiotika zur Therapie von Infektionen der Milchdrüse verwendet werden kann. Milchsäurebakterien, die die Krankheitserreger hemmen und verdrängen, wurden im Projekt identifiziert, charakterisiert und in eine geeignete Matrix eingebunden. Die Verträglichkeit und der Behandlungserfolg wurden in einer Feldstudie erfolgreich getestet. Mit einer solchen innovativen Therapie könnte auf einen Teil der erheblichen, in der Milcherzeugung eingesetzten Antibiotikamengen verzichtet werden. Damit würde nicht nur der Eintrag von Antibiotika in die Umwelt vermindert, sondern auch die Menge der Milch, die aufgrund einer antibiotischen Therapie nicht für die Lebensmittelherstellung verwendet werden darf, reduziert.

Die umweltrelevanten Ziele des Projekts waren:

  1. Reduzierung des Eintrags von Antibiotika aus der Milcherzeugung in die Umwelt,
  2. Vermeidung des Auftretens von Antibiotika-Rückständen im Lebensmittel Milch.

Arbeitsschritte und angewandte Methoden:

Das Projekt bestand aus zwei Phasen. In der ersten Projektphase wurden zunächst über bereits isolierte und geprüfte Milchsäurebakterien hinaus weitere Stämme dieser Mikroorganismen aus dem Umfeld der Milcherzeugung isoliert, die in vitro hemmend auf euterpathogene Mikroorganismen wirken. Daran anschließend wurden geeignete Isolate in verschiedene Matrices eingebunden, die eine Anwendung bei laktierenden Milchrindern zur Therapie bestehender Infektionen der Milchdrüse erlauben. In der zweiten Projektphase fanden Erkenntnisse aus der ersten Projektphase in in vivo Versuchen Umsetzung. Im ersten Teil dieser Projektphase wurde eine Verträglichkeits- und Etablierungsstudie durchgeführt, in der neben der Verträglichkeit der entwickelten Prototypen die Etablierung der ausgewählten, sich als geeignet erwiesenen Stämme auf den Zitzen- und Euterepithelien untersucht wurden. Abschließend wurde eine kontrollierte randomisierte klinische Feldstudie mit einem Milchsäurebakterien-Stamm durchgeführt, der die Ermittlung der Effekte der Applikation des neu entwickelten Präparates im Vergleich zu einer evidenzbasierten Mastitistherapie erlaubte.

Ergebnis:

In der ersten Projektphase wurden dazu insgesamt 416 Milchsäurebakterien-Stämme aus 1.532 Proben (Viertelgemelksproben, Tankmilch, Gras, Gülle, Einstreumaterial) isoliert. 367 Isolate, zwei Referenzstämme und sechs Kombinationen wurden in vitro  auf ihre Hemmwirkung gegenüber den euterpathogenen Mikroorganismen Staphyloccocus aureus, S. epidermidis, S. xylosus, Streptococcus uberis, Sc. agalactiae und Escherichia coli gescreent. Eine Hemmung von Sc. uberis konnte durch 175 Stämme bzw. deren Kombinationen erzielt werden. Einzig die Kombination aus den beiden Isolaten 78/37 und 118/37 und den beiden Referenzstämmen Lactococcus lactis subsp. lactis ATCC 11545 und Lactobacillus rhamnosus ATCC 7469 hemmte alle Testmikroorganismen. Die erzielten Ergebnisse der Untersuchungen der Wachstumsaktivitäten in Milch weisen darüber hinaus darauf hin, dass diese Isolate an Milch als Substrat angepasst sind. Aufgrund des Fehlens von Resistenzgenen wurde anschließend mit dem Isolat 118/37 weiterverfahren. Um die Milchsäurebakterien vor der Applikation lagern zu können, wurden diese in einer Laktose-haltigen Lösung gefriergetrocknet. Für die Applikation wurden die Bakterien dann in wässriger Lösung resuspendiert.

In der zweiten Projektphase wurde eine Verträglichkeits- und Etablierungsstudie durchgeführt, in der die Verträglichkeit der entwickelten Prototypen und die Etablierung der ausgewählten Stämme auf den Zitzen- und Euterepithelien untersucht wurden. Unverträglichkeiten konnten keine festgestellt werden. Abschließend wurde eine kontrollierte randomisierte klinische Feldstudie mit einem Stamm durchgeführt. Die Gruppe der mit Milchsäurebakterien behandelten Mastitisfälle unterschied sich nicht signifikant hinsichtlich Heilung und Neuinfektionen von der Gruppe der evidenzbasiert (antibiotisch) behandelten Fälle, so dass eine derartige Therapie ein neues innovatives und nachhaltiges Instrument zur Behandlung von Mastitiden darstellen kann.

 

Ansprechpartner zum Projekt

Projektpartner:

Hochschule Hannover, Fakultät II, Abteilung Bioverfahrenstechnik

Name:

Prof. Dr. med. vet. habil. Volker Krömker

Adresse:

Heisterbergallee 12, 30453 Hannover

Tel.:

0511/9296-2205

Internet:

https://www.hs-hannover.de

AZ:

31833/01

Fördersumme DBU:

280.395 Euro

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