Solarthermie und Wärmepumpe in einem Rittergut aus dem 17. Jahrhundert

DBU: Klima- und Denkmalschutz passen zusammen
Gartenstadt Margarethenhöhe in Essen: In Dachsteinen integrierte Photovoltaik-Module sorgen für die Gewinnung von Sonnenenergie, ohne sich optisch von den anderen Dachflächen der Gebäude zu unterscheiden.
© Harald Garrecht
Speicherstadt Hamburg: Dachintegrierte Systeme in Form von Kupfer- und Schiefernachbildungen gewährleisten eine denkmalgerechte elektrische und thermische Energiegewinnung.
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Osnabrück/Gröningen. Klima- und Denkmalschutz passen zusammen. Darauf weist die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit Blick auf den bevorstehenden Tag des offenen Denkmals am 14. September hin. Beispiele dafür sind laut DBU die Margarethenhöhe in Essen und die Speicherstadt in Hamburg. Und aktuell ein neues Vorhaben mit DBU-Förderung in Höhe von 300.000 Euro: Am Rittergut Edelhof in Gröningen (Sachsen-Anhalt) aus dem 17. Jahrhundert soll gezeigt werden, wie Photovoltaik, Solarthermie, Hochleistungsdämmputz, Wärmetauscher, Wärmepumpe und Speicher denkmalgerecht verbaut werden können. Zusätzlicher Vorteil: Mehr Wohnraum auf neuem klimatechnischen Stand.

DBU-gefördertes Projekt soll auf andere Denkmäler übertragbare innovative Technologien testen

Rund ein Drittel der Baudenkmäler in Deutschland sind laut Umweltbundesamt in der Erhaltung gefährdet oder dringend sanierungsbedürftig. „Wir müssen mit dem Mythos aufräumen, dass Denkmal- und Klimaschutz sich konterkarieren“, sagt DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. „Beides kann mit innovativen Methoden zusammengebracht werden und profitiert sogar voneinander.“ Eine Weiternutzung von Denkmälern vermeidet nach seinen Worten Emissionen klimaschädlicher Treibhausgase (THG), die nach Nutzungsende durch Neubauprojekte entstehen würden. Bonde: „Für den gesamten Gebäudebereich gilt: Die Umstellung auf erneuerbare Energien wie Photovoltaik, eine innovative Dämmung und Wärmepumpen ist wegen der zu erwartenden Kostensteigerung fossiler Energieträger auch im Sinne einer sozialverträglichen Wohnungsvermietung.“ Damit ein durch historische Gebäude geprägtes Stadtbild erhalten bleibe, seien architektonisch und gestalterisch anspruchsvolle Konzepte gefragt. DBU-Fachreferentin Constanze Fuhrmann: „Das im Oktober startende Projekt am Rittergut Edelhof in Gröningen soll auf andere Denkmäler übertragbare innovative Technologien entwickeln und testen.“ Das Deutsche Fachwerkzentrum Quedlinburg führt die ressourcenschonende Restaurierung in Seminaren durch und plant im Forschungsteam die Umsetzung im Denkmalbau; mehrere kleine und mittlere Unternehmen beteiligen sich an Entwicklung, Anpassung und Erprobung der Innovationen. Das Rittergut ist seit den 1990er-Jahren nicht mehr bewohnt.

Rittergut Edelhof aus dem 17. Jahrhundert: PV-Module sollen in historische Tondachziegel mit tütenförmiger Auswölbung integriert werden. Seit dem 11. Jahrhundert wurden diese sogenannten Linkskremper auf Kirchendächern in Sachsen-Anhalt und Hessen eingedeckt.
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Auf neuem klimatechnischen Stand: Die Technikzentrale in der „Forschungswerkstatt Speicherblock H“ im Unesco-Welterbe Speicherstadt Hamburg ist Prototyp für den Umbau eines energieeffizienten Quartiers.
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Dachintegrierte Photovoltaik-Module und Wärmetauscher

In das Vorhaben fließen Erfahrungen aus zwei bereits umgesetzten denkmalgerecht-energetischen Sanierungen ein: Gartenstadt Margarethenhöhe in Essen, ein Denkmal von europäischem Rang, und Speicherstadt Hamburg, Unesco-Weltkulturerbe – jeweils gefördert vom früheren Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Maßgeblich an Konzeption und Planung beteiligt ist Prof. Dr. Harald Garrecht von der Universität Stuttgart: „In allen drei Projekten wollen wir eine ganzheitliche Wärmeversorgung mit erneuerbaren Energien lokal am Gebäude umsetzen.“ Eine Schlüsselkomponente ist nach seinen Worten die Dachfläche, über die mehr Energie für die Wärmeversorgung gewonnen werden kann als üblich. Aus Denkmalschutzgründen sind laut Garrecht „für die elektrische und thermische Energiegewinnung dachintegrierte Systeme entwickelt worden, die sich optisch nicht von den anderen Dachflächen der Gebäude unterscheiden“. Bei den Wohngebäuden der Margarethenhöhe kamen in die Dachsteine integrierte Photovoltaik-Module zum Einsatz, bei der Speicherstadt der Einbau in Kupfer- und Schiefernachbildungen. „Um auch beim Rittergut Edelhof in Gröningen die baukulturellen Besonderheiten zu bewahren, werden PV-Module Teile der historischen Linkskremper“, erläutert der Experte. Das sind Tondachziegel mit tütenförmiger Auswölbung auf der linken Seite, die ab dem 11. Jahrhundert auf Kirchendächern in Sachsen-Anhalt und Hessen eingedeckt wurden. Zudem werden laut Garrecht die Dachflächen mit Wärmetauschern für die Gewinnung der Umweltwärme ausgestattet – wie bei der Speicherstadt.

Hochleistungsdämmputz aus Lehm mit Naturfasern

Eine zweite Schlüsselkomponente beim Rittergut ist Garrecht zufolge die Dämmung durch einen neuen Aerogel-Lehmputz mit Naturfasern. „Dieser Hochleistungsdämmschutz reduziert den Wärmeverlust um etwa die Hälfte bei einer Dicke von nur drei bis vier Zentimetern“, sagt der Experte. Die oft schon kleinen Innenräume würden nicht zu viel Volumen verlieren. Garrecht fügt hinzu: „Eine im Lehmputz eingebaute Wandheizung verbessert aufgrund ihrer großen Fläche die Energieeffizienz – eine Ergänzung im Vergleich zur Margarethenhöhe und zur Speicherstadt.“ Zusammen mit innovativen Wasser-Eis- und Betonspeichern sowie Wärmepumpen, die bei einer maximalen Vorlauftemperatur von 35 Grad Celsius laufen, erreicht das System in Hamburg etwa eine Jahresarbeitszahl (JAZ) von 5,5 bis 6 – ab einer JAZ von 3,5 aufwärts gilt eine Wärmepumpe als ausreichend effizient. Garrecht: „Beim Rittergut Edelhof wollen wir das technisch mögliche Maximum erzielen.“ Zudem sei dieses Projekt ein Signal für Bauleute: „Was beim Denkmal gelingt, kann auch beim Neubau funktionieren, noch dazu in einem finanzierbaren Maß“, so Garrecht.

Mit innovativen Wasser-Eis- und Betonspeichern im Block H der Speicherstadt Hamburg wird die auf dem Dach erzeugte Energie gespeichert – Teil eines ganzheitlichen Nachhaltigkeitskonzepts.
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Kaffee, Tee und Kakao wurden in der Speicherstadt Hamburg früher gelagert. Jetzt geht es um das Erzeugen und Speichern von Energie: Das Unesco-Welterbe soll bis 2040 zum energieeffizienten Quartier umgebaut werden.
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Tag des offenen Denkmals: Rund 2.000 Städte und Gemeinden nehmen teil

Die 3.474 Einwohner zählende Stadt Gröningen in Sachsen-Anhalt möchte sich als Vorzeigestandort für energetische Altbauquartiere etablieren. Sie weist eine mehr als 1.000-jährige Geschichte auf und ist reich an denkmalgeschützten Gebäuden. Allein vier davon – Alter Schlauchturm, Altes Pfarrhaus, Deutsches Haus sowie ein Fachwerkhaus – lassen sich zum Tag des offenen Denkmals am 14. September besichtigen. Insgesamt verzeichnet die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) jedes Jahr zwischen 5.000 und 7.000 Denkmale in rund 2.000 Städten und Gemeinden zu dieser größten Kulturveranstaltung Deutschlands, die zugleich der deutsche Beitrag zu den European Heritage Days ist.

Bei fachlichen Fragen (AZ 39450/01): Prof. Dr.-Ing. Harald Garrecht, Tel.: +49 170 203 8459

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