Osnabrück. Die Unterems ist eine wichtige Wasserstraße in Deutschland. Doch besonders der Flussabschnitt ab Papenburg bis in die Nordsee hat durch Begradigungen und Ausbaggerungen in den vergangenen Jahrzehnten mit vielen ökologischen Problemen zu kämpfen. Der einstige Artenreichtum des Flusses ist Geschichte. Daher hat die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) zusammen mit der Umweltorganisation World Wide Fund for Nature Deutschland (WWF) und anderen Umweltverbänden das Projekt „Perspektive Lebendige Unterems“ gefördert. Das entwickelte Renaturierungskonzept lieferte Vorschläge zur Verbesserung der ökologischen Situation an der Unterems, wie den Bau von Tidepoldern als zentrale Maßnahme. Innerhalb des vom Land Niedersachsen finanzierten „Masterplan Ems 2050“ entstand jetzt der erste Tidepolder in Coldemüntje.
„Im Sommer sind Teile der Unterems durch die hohen Schwebstoffanteile biologisch quasi tot“
Auf und an der Ems konkurrieren verschiedene Interessen miteinander – von Wirtschaft über Schifffahrt und Landwirtschaft bis hin zu den Anliegen von Anwohnenden und Umweltschutz. DBU-Generalsekretär Alexander Bonde: „Für einen langfristigen Gewässer- und Naturschutz müssen alle Beteiligten an Bord geholt werden.“ Die Renaturierungsmaßnahmen an der Unterems seien dafür ein gutes Beispiel. Sie basieren auf mehreren seit 2010 von der DBU geförderten WWF-Projekten in Kooperation mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und dem Naturschutzbund Deutschland (NABU). Warum dies nötig war, erklärt DBU-Referent Dr. Volker Wachendörfer: „Die Unterems wurde immer mehr ausgebaut und vertieft – insbesondere, weil große Kreuzfahrtschiffe den Fluss zur Nordsee passieren.“ Die Folgen: Gerade im Sommer verschlicken die Unterems und ihre Nebenflüsse zusehends, der Salzgehalt steigt deutlich. Wachendörfer weiter: „Vor einigen Jahrzehnten zählte der Mündungsbereich der Unterems noch zu den deutschen Flussbiotopen mit der höchsten Biodiversität. Heute sind Teile der Wasserstraße durch die hohen Schwebstoffanteile besonders im Sommer biologisch quasi tot.“
Tidepolder in Coldemüntje: 35 Hektar großer Lebensraum für Pflanzen und Tiere
Um diesen rapiden Schwund der Artenvielfalt aufzuhalten und umzukehren, hat die DBU gemeinsam mit dem WWF mehrere Forschungsprojekte gefördert. Dort entwickelte Renaturierungsmaßnahmen fanden zum Teil Eingang in den Masterplan Ems 2050. Ein wichtiges Beispiel, so der DBU-Experte: Der Tidepolder in Coldemüntje. Dabei handelt es sich Wachendörfer zufolge um einen rund 35 Hektar großen Lebensraum, der wieder an Ebbe und Flut angeschlossen wurde und in dem sich heute die stark gefährdeten, standorttypischen Lebensräume wie Süß- und Brackwasserwatt in Verbindung mit Tideröhrichten und wasserführenden Prielen entwickeln können. Hinter dem Emsdeich und in einer im 20. Jahrhundert zugeschütteten Schleife des Flusses gelegen, sei das Areal während der DBU-Förderung konzipiert und kürzlich fertiggestellt worden. Die naturschutzfachliche und wasserbauliche Planung des Polders sowie der Bau oblagen dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) und wurden im Rahmen des Masterplans Ems 2050 vom Land Niedersachsen finanziert. Wachendörfer: „Es handelt sich hierbei um eine erste wichtige Maßnahme, um der Unterems wieder mehr Raum für den Schutz und die Entwicklung seltener Lebensräume sowie Pflanzen- und Tierarten zu geben“.
DBU-Projekt gibt Anstoß für große Renaturierungspläne
Der Tidepolder Coldemüntje ist Teil eines größeren Projekts zur Renaturierung – dem Masterplan Ems 2050, dessen zehnjähriges Bestehen vor Kurzem gefeiert wurde. Beatrice Claus, Leiterin Ästuarschutz beim WWF: „Durch das DBU-Projekt und in der Folge unter anderem den Tidepolder Coldemüntje konnten die Umweltverbände naturschutzfachlich fundierte Renaturierungsmaßnahmen in der Region vorschlagen.“ Damit die Artenvielfalt an der Ems nicht weiter schwindet, soll der Masterplan Ems bis 2050 auf 500 Hektar Biotope wie in Coldemüntje schaffen und gleichzeitig die ökonomische Infrastruktur des Ems-Raums sichern. Unterzeichnet haben den Masterplan Ems 2050 neben WWF unter anderem die niedersächsische Landesregierung, die Bundeswasserstraßenverwaltung, die Meyer Werft, die Landkreise Leer und Emsland, die Stadt Emden, der BUND und der NABU – ein „Beispiel für die Zusammenarbeit vieler unterschiedlicher Interessensgruppen“, so Bonde.
Neues DBU-Förderthema für den Schutz der Meere
Dem Schutz von Lebensräumen und Artenvielfalt soll künftig auch der DBU-Meeresnaturschutzfonds als neuer Förderbereich dienen. Unterstützt werden in Zukunft Vorhaben zum Erhalt von Biodiversität in Nord- und Ostsee, aber auch zum Beispiel in Flussregionen. Förderfähig sind zudem innovative und naturverträgliche Entwicklungen der Offshore-Windenergie.
Bei fachlichen Fragen (AZ 28289/01, AZ 33307/01): Beatrice Claus, Tel.: +49 40 530200 319