GieĂen/Hannover/LĂŒneburg. In Deutschland wurden 2012 rund 1.600 Tonnen Antibiotika in der Tierhaltung eingesetzt. 60 bis 80 Prozent der antibakteriellen Wirkstoffe scheiden die Tiere in unverĂ€nderter Form wieder aus. Sie gelangen mit GĂŒlle und GĂ€rsubstraten in den Boden, ins OberflĂ€chen- und Grundwasser. Nur schwer abbaubar können sie dort ihre â nun ungewollte â Wirkung auf den Stoffwechsel von Lebewesen entfalten. Ebenso problematisch fĂŒr Mensch und Tier: Krankheitserreger und Bakterien werden zunehmend widerstandsfĂ€hig gegen Antibiotika, die Medikamente wirkungslos. Laut Umweltbundesamt muss man an den Ursachen des Problems ansetzen, beim Entwickeln der Medikamente und ihrem Einsatz. In einem mit rund 420.000 Euro von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Forschungsprojekt wurde gezeigt, dass durch Pellet- statt PulverfĂŒtterung und besser abbaubare Substanzen weniger Tierarzneimittel in die Umwelt gelangen.
Verhalten und GefÀhrlichkeit von TierarzneimitteleintrÀgen in die Umwelt untersucht
âDie Wirkstoffgruppe der Sulfonamide, die wir untersucht haben, sind antibakteriell wirkende Substanzen, die als Breitbandantibiotika gegen eine Vielzahl verschiedener Bakterien in der Human- und Tiermedizin eingesetzt werdenâ, erlĂ€utert Projektleiter Prof. Dr. Gerd Hamscher vom Institut fĂŒr Lebensmittelchemie und Lebensmittelbiotechnologie der Justus-Liebig-UniversitĂ€t GieĂen. Um den Tierarzneimitteleintrag in die Umwelt zu verringern, seien die Substanzen gezielt an Schweinen und in Laborversuchen getestet worden. âWir haben erstmalig den Einfluss des Verabreichens von Arzneimitteln an Schweinen auf das RĂŒckstandsverhalten gezielt untersucht, ihr Verhalten in der Umwelt, ihre GefĂ€hrlichkeit fĂŒr das Grundwasser sowie ihre Abbaubarkeit unter Sonnenlicht und unter Bedingungen, die in Biogasanlagen herrschenâ, so Hamscher.
Vielfalt der Wirkstoffe: Keine Patentlösung fĂŒr einen einzigen "Ăko-Wirkstoff"
Mit den Tests seien Eigenschaften der fĂŒr die Tiermedizin besonders wichtigen Sulfonamide identifiziert worden, die beim Herstellen neuer, umweltfreundlicher Wirkstoffe helfen können. âWir haben sehr viel ĂŒber ihr Verhalten in der Umwelt herausgefunden und dabei groĂe Unterschiede festgestellt, obwohl es sich um eine Wirkstoffgruppe handeltâ, betont der Projektpartner Prof. Dr. Manfred Kietzmann vom Institut fĂŒr Pharmakologie, Toxikologie und Pharmazie der Stiftung TierĂ€rztliche Hochschule Hannover. âDeshalb gibt es auch nicht nur einen einzigen âĂko-Wirkstoffâ als âPatentlösungâ, sondern verschiedene Substanzen, die je nach Umgebung â unter ultraviolettem Licht oder in der Fermentation â unterschiedlich schnell abgebaut werden könnenâ. Gleichwohl seien die Ergebnisse eine gute Grundlage fĂŒr das Herstellen umweltfreundlicherer Antibiotika, sagt Prof. Dr. Klaus KĂŒmmerer vom Institut fĂŒr Nachhaltige Chemie und Umweltchemie an der Leuphana UniversitĂ€t LĂŒneburg.
Bessere FĂŒtter-Methoden: Pellets verhindern Ausbreiten der Antibiotika durch Staubentwicklung
Eine weitere wichtige Erkenntnis gewannen die Forscher ĂŒber das Verabreichen der Arzneimittel. Bisher bekĂ€men Schweine die Arzneimittel oft ĂŒber das Futter in Pulverform. Kietzmann: âIn den StĂ€llen gibt es aber eine hohe Staubentwicklung. Ăber die Luft und LĂŒftungsanlagen verteilen sich die Wirkstoffe im gesamten Stall, so dass auch die nicht behandelten Schweine sowie Landwirte und TierĂ€rzte Antibiotika aufnehmen und die Wirkstoffe nach drauĂen in die Stallumgebung gelangen. Die Lösung fĂŒr dieses Problem sei beispielsweise die FĂŒtterung von Pellets oder Granulat. âAllerdings ist diese Form der FĂŒtterung auch teurerâ, bemerkt Kietzmann.
Bottermann: Wichtige Etappen fĂŒr weniger Arzneimittel in der Tierhaltung erreicht
DBU-GeneralsekretĂ€r Dr. Heinrich Bottermann betonte bei der ErgebnisprĂ€sentation in der DBU-GeschĂ€ftsstelle die wegweisende Bedeutung der Resultate: âEs konnten zwei wichtige Etappen auf dem Weg zum EindĂ€mmen der Umweltbelastung durch Arzneimittel in der Tierhaltung erreicht werden: sowohl qualitativ durch eine gezielte Auswahl schneller abbaubarer Substanzen als auch quantitativ durch eine verbesserte Verabreichungsform.â Gleichwohl mĂŒsse ein verantwortungsvoller und sparsamer Umgang insbesondere mit Antibiotika, die oft in groĂen Mengen verabreicht wĂŒrden, oberste PrioritĂ€t haben. âWir benötigen praxistaugliche AnsĂ€tze, um die Anwendung von Antibiotika und ihren Eintrag in die Umwelt zu minimierenâ, so Bottermann. An dem Projekt waren auĂerdem die Wirtschaftsgenossenschaft deutscher TierĂ€rzte (Garbsen) und Dr. Heinrich Höper vom Landesamt fĂŒr Bergbau, Energie und Geologie in Hannover beteiligt.
Ansprechpartner fĂŒr Nachfragen zum Projekt (AZ 26852): Prof. Dr. Gerd Hamscher, Institut fĂŒr Lebensmittelchemie und Lebensmittelbiotechnologie, Justus-Liebig-UniversitĂ€t GieĂen, Telefon: 0641/9934950