„Kommunen müssen klimaresilienter werden“

DBU: Gefahren für die Gesundheit – Extremwetterkongress

Osnabrück/Hamburg. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) ruft zu mehr Unterstützung für Städte und Gemeinden auf, damit diese sich besser an die Folgen des fortschreitenden Klimawandels anpassen können. „Kommunen müssen klimaresilienter werden – für Umwelt- und Natur-, aber auch für den Gesundheitsschutz“, so DBU-Generalsekretär Alexander Bonde mit Blick auf den heute (Mittwoch) in Hamburg startenden mehrtägigen Extremwetterkongress. Neben der DBU mit Workshop und Messestand nehmen unter anderen Klimaforscher und Ozeanograph Prof. Dr. Mojib Latif, Diplom-Meteorologe und Buchautor Sven Plöger sowie Tobias Fuchs vom Vorstand Klima und Umwelt des Deutschen Wetterdienstes (DWD) teil.

Autos fahren nach Starkregen durch überflutete Straßen
Überschwemmungen infolge von Starkregen zählen neben Hitzetagen zu den zunehmenden Extremwetterereignissen. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fördert Projekte wie etwa das Schwammstadt-Konzept für intelligente Wasserwiederverwendung und Regenwasserspeicherung.
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Klimaschutz und Klimaanpassung die Währungen der Zukunft für ein lebenswertes Umfeld

Laut Bonde stehen die durch den Klimawandel ausgelösten vermehrt auftretenden Extremwetterereignisse wie Hitze, Trockenperioden und Überschwemmungen in Deutschland sowie europa- und weltweit nicht allein im Zeichen der Klimakrise. „Sie bedeuten besonders für verletzliche Gruppen der Gesellschaft wie kranke und alte Menschen zudem eine wachsende Gefahr für die Gesundheit“, sagte der DBU-Generalsekretär. „Klimaschutz und Klimaanpassung sind die Währungen der Zukunft für ein lebenswertes Umfeld“, so Bonde.

Quartiersentwicklung mit Weitblick: DBU-gefördertes Projekt „ReSource Mannheim“ in Aubuckel

Das DBU-Förderthema „Nachhaltige Quartiersentwicklung“ will genau dies erreichen – mit blau-grüner Infrastruktur, also einer wasser- und vegetationsbasierten Neugestaltung, ebenso wie durch Maßnahmen zur Hitzevorsorge sowie durch innovative Wassernutzung. Als „beeindruckendes Beispiel“ nannte Bonde das DBU-geförderte Projekt „ReSource Mannheim“ im Wohnquartier Aubuckel in Mannheim-Feudenheim. Die Devise dort: mehr Brauchwasser- statt Frischwassernutzung durch intelligente Wasserwiederverwendung und Regenwasserspeicherung sowie eine Planung, die Stadt und Menschen für Extremwetter wie Hitze, Starkregen und Überschwemmungen wappnet. Bonde: „Der Frischwasserbedarf im Quartier Aubuckel kann um 40 Prozent gesenkt werden. Solche Projekte brauchen wir bundesweit.“

Lösungen für den Einklang von Natur und Fortschritt

Als ein wirkungsvolles Instrument gegen Erderwärmung durch zu hohen Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase (THG) etwa wegen Nutzung fossiler Energie gilt Windenergie auf See. Offshore-Windenergie gewinnt deshalb nicht nur mit Blick auf die Energiewende, sondern auch in den Strategien gegen Extremwetter an Bedeutung. Die Krux: Der Bau der Anlagen belastet die Meere, neben sonstigen Risiken wie Schiffsverkehr, Überfischung und Verschmutzung. Bonde: „Das neue DBU-Förderthema Meeresnaturschutz setzt genau hier an. Mittels des DBU-Meeresnaturschutzfonds investieren wir in nachhaltige Lösungen für den Einklang von Natur und Fortschritt.“

Fassadenbegrünung mit Bäumen und Pflanzen an einem Hochhaus in Mailand.
Fassadenbegrünung wie hier an einem Hochhaus in Mailand mit Bäumen, Büschen und Sträuchern gehört zu den effizienten Methoden von Klimaschutz und -anpassung in Städten. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fördert entsprechende Vorhaben.
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Klimaforscher Mojib Latif: Hitze und Starkregenereignisse hängen zusammen

Welch wichtige Rolle die Meere im Zusammenhang mit Extremwetter spielen, macht Klimaforscher Mojib Latif deutlich. „Hitze und Starkregenereignisse hängen zusammen“, so Latif. „Die Meere erwärmen sich zunehmend, was zu mehr Verdunstung führt, und die wärmere Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen – die Folge ist mehr Starkregen. Jüngste Vorkommnisse in Texas, Spanien oder in Nordrhein-Westfalen sind darauf zurückzuführen.“ Laut Latif wird das Ziel der Pariser Weltklimakonferenz von 2015 verfehlt, nämlich die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter (1850 bis 1900) auf deutlich unter zwei Grad Celsius, idealerweise auf 1,5 Grad Celsius, zu begrenzen. Schon jetzt seien es etwa 1,5 Grad Celsius. Für das Jahr 2100 gehe der überwiegende Teil der Forschung ohne ambitionierten Klimaschutz von einer Erderwärmung um rund drei Grad Celsius aus. Latif: „Leider spielt derzeit Klimaschutz in der Politik eine untergeordnete Rolle.“ Es fehle an Geradlinigkeit. „Da wird zu viel gewackelt, egal ob bei Wärmepumpen oder E-Mobilität.“ Alarmismus hält Latif dennoch für verfehlt. Er sei überzeugt, „dass sich Unternehmen die wirtschaftliche Zukunft auf Grundlage von erneuerbaren Energien nicht nehmen lassen – auch nicht in den USA.“ Angesichts globaler Krisen und Kriege gebe es keine Wahl: „Nur durch den Umbau des Energiesystems reduzieren wir Abhängigkeiten von Staaten und fossiler Energie. Das ist die Zukunft. Wer da nicht dabei ist, wird das Nachsehen haben.“

Tobias Fuchs vom Deutschen Wetterdienst: Größte Hypothek ist der beschleunigte Anstieg des Meeresspiegels

Panorama Frankfurt a.M. von oben an einem heißen Sommertag, inklusive großem Thermometer
Extremwetter: Deutschland ist laut Deutschem Wetterdienst (DWD) zunehmend von Hitzetagen betroffen (im Bild Frankfurt a.M.). Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) ruft zu mehr Unterstützung von Kommunen auf, um sie gegen Klimawandelfolgen zu wappnen und die Gesundheit von Menschen zu schützen.
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Nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes ist Deutschland von Extremwetter besonders betroffen, vor allem Hitze. DWD-Experte Tobias Fuchs: „Deutschland hat sich seit frühindustrieller Zeit Ende des 19. Jahrhunderts mit einem Temperaturanstieg von rund 2,5 Grad Celsius schneller erwärmt als Europa und das Mittel aller Kontinente – und etwa doppelt so schnell wie der gesamte Planet mit Land- und Ozeanflächen zusammen, wo wir bei Anwendung desselben Trendverfahrens auf 1,25 Grad Celsius Temperaturanstieg kommen.“ Mit Verweis auf das DWD-Extremwetterpapier, dessen jüngste Ergebnisse beim Hamburger Kongress vorgestellt werden, mahnt Fuchs zu präventiven Maßnahmen, etwa durch Siedlungsentwässerung, Schwammstadt-Konzepte und Hitzeaktionspläne. „Extremwetter kann jeden treffen. Wir müssen uns vorbereiten – aber das kostet Zeit und Geld, was oft unterschätzt wird“, so Fuchs. Für ihn die „größte Hypothek“: der beschleunigte Anstieg des Meeresspiegels. Laut DWD-Extremwetterpapier 2024 traten seit 1881 neun der zehn wärmsten Jahre ab 2000 auf. In Deutschland ist die Zunahme von Hitzetagen mit mindestens 30 Grad Celsius markant. Seit den 1950er-Jahren mit etwa drei Hitzetagen jährlich sei dieser Wert nun bundesweit auf rund elf Tage pro Jahr gestiegen, fast eine Vervierfachung. Und: Vom Juli 2023 bis Juni 2024 handelte es sich laut DWD um die niederschlagreichste Zwölf-Monatsepisode in Deutschland seit Auswertungsbeginn 1881. Das hat Folgen für die Gesundheit. Nach aktuellen Studien des Grantham Institute des Imperial College London und der London School of Hygiene & Tropical Medicine kam es dieses Jahr allein in 854 untersuchten europäischen Städten zu 24.400 Hitzetoten. Rund zwei Drittel davon, ungefähr 16.500 hitzebedingte Todesfälle, lassen sich auf die Folgen des Klimawandels zurückführen. Die Dunkelziffer ist hoch, die tatsächliche Zahl dürfte höher liegen.

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