Interview mit Dr. Bernhard von Schubert, Sprecher der Umweltinitiativen der ostwestfälischen Wirtschaft

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Frage: Herr von Schubert, vor etwas mehr als einem Jahr sind die fünf Umweltinitiativen der Wirtschaft in Ostwestfalen mit dem Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (Osnabrück) ausgezeichnet worden. In seiner Laudatio würdigte damals Dr. Georg Winter Ihre Auszeichnung als Festereignis für den gesamten unternehmerischen Mittelstand und lobte das vorbildliche Engagement, das aus den konkreten Aktionen der Unternehmen zum Schutz der Umwelt spreche. Was hat Ihnen diese Auszeichnung gebracht?

Antwort: Die Auszeichnung mit dem Deutschen Umweltpreis 1994 rückte die Umweltinitiativen der Wirtschaft in Ostwestfalen bundesweit ins Rampenlicht. Verschiedene Gruppen aus allen breiten gesellschaftlichen Sparten haben alle Mitwirkenden - die Sprecher der Umweltinitiativen, Mitgliedsunternehmen und Industrie- und Handelskammer - spontan eingeladen, die Idee und das Konzept vorzustellen. Als Fazit läßt sich für mich festhalten: Die ostwestfälische Wirtschaft hat gezeigt, daß sie im Umweltschutz eine Vorreiterrolle einnimmt. Sie hat bewiesen, daß in Eigeninitiative mehr zu erreichen ist als durch staatliche Bevormundung. Die bundesweit große Resonanz auf unseren Erfolg ist der beste Beweis dafür.

Frage: Besonders gewürdigt wurden bei der Preisverleihung Leitvorstellungen und Motive der Initiativen. Danach begreifen Sie Ökonomie als ein Untersystem der Ökologie, das sich ihr anpassen muß. Umweltschutz verstehen Sie nicht als Luxus, sondern als Bestandteil des betrieblichen Alltags. Und ohne Berücksichtigung ökologischer Langzeitwirkungen haben Ihrer Meinung nach Betriebe genauso wenig eine Chance wie die Umwelt selbst. Welche Reaktionen haben Sie in der Wirtschaft damit produziert?

Antwort: Ein Unternehmen, das den Umweltschutz nicht als festen Bestandteil seines unternehmerischen Handelns begreift, ist auf Dauer nicht wettbewerbsfähig. Kunden und Geschäftspartner verlangen einen hohen Umweltschutzstandard der Produkte. Erfüllt man als Unternehmer diese Anforderungen nicht, sind sehr schnell Wettbewerbsnachteile die Folge. Außerdem ist es ja nicht so, daß Unternehmen den Umweltschutz erst vor kurzem entdeckt hätten, sondern die Wirtschaft arbeitet seit geraumer Zeit daran, den vermeintlichen Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie aufzulösen. Insofern waren die Reaktionen auf die zahlreichen Aktivitäten der Umweltinitiativen nicht kritisch, sondern konstruktiv.

Frage: Sie haben bei der Preisverleihung selbst besonders auf das Engagement der rund 90.000 Mitarbeiter in den 157 Unternehmen der fünf Initiativen hingewiesen, die "durch ihre vorbildliche umweltbezogene Arbeit dazu beigetragen haben, daß die erzielten Erfolge möglich geworden sind". Wie hat sich die Auszeichnung auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgewirkt? Hat es ihre Motivation, ihre Kreativität im Suchen neuer, umweltschonender Wege, ihre Identifikation mit den Unternehmen gefördert?

Antwort: Mittlerweile sind zu den 157 Unternehmen, die 1994 in den Umweltinitiativen aktiv waren, noch einmal 17 dazugekommen. Das alleine beweist, daß die Idee, Umweltschutz in Eigeninitiative zu realisieren, immer konsensfähiger wird. Völlig unzweifelhaft ist jedoch, daß ohne die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in jedem einzelnen Unternehmen dieser großartige Erfolg gar nicht möglich gewesen wäre. Die Verleihung des Umweltpreises löste bei allen Beteiligten einen Motivationsschub aus. Umweltschutz ist ein dynamischer Prozeß. Gerade weil die deutschen Umweltschutzstandards sehr hoch sind und weiterhin steigen werden, müssen sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den täglichen Umweltschutzanforderungen von neuem im Betrieb stellen und innovative Ideen entwickeln, die die Umweltbelastung weiterhin verringern helfen. Dazu ist es notwendig, daß im Denken und strategischen Handeln der Geschäftsführung der Umweltschutz einen festen Platz hat.

Frage: Wohl nirgends in Deutschland gibt es flächendeckend ein so engmaschiges Netz umweltorientierter Unternehmen wie im Bezirk der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld. Wenn Sie Ihre Erfahrungen seit dem Frühjahr '94 zusammenfassen: Hat das Beispiel Ostwestfalen speziell mit Blick auf andere Regionen Schule gemacht? Haben Sie Ihre Überzeugung verbreiten können, daß sich Umweltschutz auch für Unternehmen immer rechnet: kurzfristig, weil der Betrieb bessere Marktchancen hat, der den zunehmend umweltorientierten Ansprüchen von Verbrauchern und Kunden gerecht wird; langfristig, weil Umweltschutz auch Arbeitsplätze am Standort Deutschland sichert, weil durchdachte Produkte in umweltschonenden Produktionsverfahren zunehmend Ex-und-Hopp-Produkte ersetzen müssen?

Antwort: In der Tat stellt das vernetzte umweltorientierte Denken und Handeln der Umweltinitiativen im Bezirk der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld eine bundesweite Besonderheit dar. Die zahlreichen Gratulationen und Anfragen verdeutlichen, daß der Erfolg der ostwestfälischen Umweltinitiativen eine Sogwirkung entfaltet hat. Für zahlreiche Mitgliedsunternehmen kann ich sagen, daß sich die umweltentlastenden Maßnahmen auch kostenentlastend auswirken werden. Obwohl zunächst Investitionen notwendig sind, um den Umweltstandard zu heben, sind mittel- und langfristig Kostenvorteile erzielbar. Die Standortdebatte lösen wir sicherlich nicht allein mit der Rolle des Umweltschutzes. Fakt ist jedoch, daß gerade im Umweltbereich eine Vielzahl neuer, innovativer Berufszweige und dadurch auch Arbeitsplätze entstanden sind.

Frage: Sachsens Ministerpräsident Professor Dr. Kurt Biedenkopf hat in seinen Grußworten anläßlich der Preisverleihung in der Semperoper in Dresden ein neues Denken gefordert. Ein Denken, das nicht davon ausgeht, daß unsere Länder nur dann regierbar bleiben, wenn sich die Inanspruchnahme materieller Ressourcen ständig erweitert, sondern das es ermöglicht - wie bei der Überwindung der sozialen Frage im 19. Jahrhundert - zu einer Synthese zwischen Ökologie und Ökonomie zu gelangen, "die uns in einem dynamischen Gleichgewicht erlaubt, in Übereinstimmung mit den Grundgesetzen der Natur zu leben und damit unsere Zukunft zu sichern". Glauben Sie, daß dieses neue Denken in Deutschland bereits Platz greift?

Antwort: Sowohl die Erfüllung der strengen Umweltauflagen in Deutschland als auch die freiwilligen Anstrengungen und Erfolge der Unternehmen beweisen, daß die Wirtschaft ihren Teil dazu beiträgt und mithilft, den häufig strapazierten Gegensatz zwischen Ökologie und Ökonomie aufzulösen. Zahlreiche Schritte auf dem Weg zur Erreichung einer umweltgerechten Entwicklung sind bereits realisiert, weitere Aktivitäten jedoch unerläßlich. Es ist notwendig, sich Tag für Tag den dynamischen Anforderungen des vorbeugenden Umweltschutzes zu stellen, um den Status quo Stück für Stück weiterzuentwickeln.

Frage: Sie haben 1994 angekündigt, Ihren Anteil an dem mit einer Million Mark höchstdotierten Umweltpreis Europas für die Gründung einer Umweltstiftung der ostwestfälischen Wirtschaft zu verwenden, um einen "Dauerbrenner" zu initiieren, der den Gedanken der Immanenz des Umweltschutzes in der Region weiter verfestigt. Wie weit sind diese Überlegungen gediehen?

Antwort: Wir haben unser Ziel, eine Umweltstiftung zu gründen, bereits erreicht. Am 23.08.1995 ist die "Umweltstiftung der ostwestfälischen Wirtschaft" offiziell durch die Überreichung der Genehmigungsurkunde gegründet worden. Diesen weiteren Erfolg verdanken wir zum einen dem Preisgeld des Deutschen Umweltpreises, zum anderen dem Präsidium und der Vollversammlung der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld, die das Stiftungsgrundkapital durch einen Betrag in Höhe von DM 250.000,- aus dem Kammerhaushalt auf eine halbe Million DM aufgestockt hat. Dafür möchte ich den Mitgliedern der beiden Kammergremien nochmals herzlich danken. Unser Ziel ist es, diesen Betrag mittelfristig auf eine Million DM aufzustocken, um mit den Zinserträgen regionale umweltrelevante Projekte des Umwelt- und Naturschutzes zu fördern und den Umweltschutzgedanken somit in der Region Ostwestfalen fest zu verankern. Der Stiftungsvorstand, dem die fünf Sprecher der Umweltinitiativen angehören, wird in Kürze unter der Geschäftsführung der IHK seine Arbeit aufnehmen und über die Verwendung der ersten Fördergelder beraten.