„Ein Vorbild für innovative Forschungsarbeit in männerdominierten Fächern“

DBU vergibt tausendstes Promotionsstipendium an Chemiedoktorandin aus Jena – 240 Bewerber in 2011

Osnabrück. Ihr tausendstes Promotionsstipendium hat die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) heute an Chemiedoktorandin Franziska Anschütz von der Friedrich-Schiller-Universität Jena vergeben. „Ich freue mich riesig, dass meine Doktorarbeit von der DBU finanziell unterstützt wird und ich die Chance bekomme, interessante Personen aus anderen Fachrichtungen kennenzulernen“, sagte die 24-Jährige im Rahmen einer Feierstunde in Osnabrück. Auch DBU-Generalsekretär Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde zeigte sich begeistert: „Franziska Anschütz ist ein Vorbild für viele junge Frauen, die in technisch-naturwissenschaftlichen Männerdomänen innovative Forschungsarbeit leisten. Wir sind stolz, dass sich auch in diesem Jahr über 240 talentierte Nachwuchswissenschaftler für ein DBU-Stipendium beworben haben. 56 von ihnen haben im Auswahlgespräch mit Fachkenntnis, Ideenreichtum und Persönlichkeit überzeugen können. Ihre Forschungsthemen sind so vielfältig wie die Umweltdebatte selbst.“

"Immer mehr junge Frauen entscheiden sich für Karriere in naturwissenschaftlichen und technischen Berufen"

„Es ist eine große Ehre für mich, die tausendste Promotionsstipendiatin der DBU zu sein“, freute sich Anschütz. Sie promoviert am Institut für Technische Chemie und Umweltchemie der Uni Jena. Hierfür forscht sie bei der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung in Berlin (Fachgruppe Bioanalytik) und an ihrer Uni in Jena an einem umweltfreundlichen Verfahren, mit dem in die Natur gelangte Arzneimittelwirkstoffe ohne chemische Zusätze abgebaut werden. „Anschütz ist der schlagende Beweis, dass sich immer mehr junge Frauen für eine Karriere in naturwissenschaftlichen und technischen Berufen entscheiden – und das mit großem Erfolg“, lobte Brickwedde.

Mit einem Büchergutschein und einem Gutschein für die Teilnahme an einer einschlägigen wissenschaftlichen Tagung gratuliert DBU-Generalsekretär Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde Franziska Anschütz, der 1.000. DBU-Stipendiatin.
©

Von Chemie fasziniert, von Natur inspiriert

Chemische Experimente faszinierten Anschütz schon in der Schule. Auch der Natur fühlt sich die Neustipendiatin aus Zella-Mehlis (Thüringen) seit Kindertagen eng verbunden. „Ich liebe es, im Wald spazieren zu gehen, an der frischen Luft zu sein. Mit meiner Forschungsarbeit möchte ich dazu beitragen, dass auch nachfolgende Generationen die Natur so unbeschwert genießen können wie ich.“ Dass sie sich dafür in einer „Männerdomäne“ durchsetzen muss, stört die selbstbewusste, junge Frau nicht. Zumal der Männer- und Frauenteil in ihrem Studiengang „ziemlich ausgeglichen“ gewesen sei. Dennoch sei ihr aufgefallen, dass Männer und Frauen nach dem Studium unterschiedliche Prioritäten setzten. „Es promovieren deutlich mehr Männer als Frauen“, sagt sie. Auch die Dozenten und Professoren in ihrem Fachbereich seien überwiegend männlich.

Rund 43,5 Millionen Euro flossen bisher in das Programm

„Im Promotionsstipendienprogramm der DBU ist das Geschlechterverhältnis ausgeglichen“, sagte Koordinatorin Dr. Hedda Schlegel-Starmann. Fachlich gesehen seien die Naturwissenschaftler in der Überzahl. Von den bisher 739 abgeschlossenen Stipendien gingen rund 54 Prozent auf das Konto von Naturwissenschaftlern wie Biologen, Chemikern, Physikern, Informatikern, Geowissenschaftlern und Biotechnologen. Das hängt laut Schlegel-Starmann damit zusammen, dass diese Disziplinen am häufigsten an umweltrelevante Themen anknüpften und hier die Promotion für die berufliche Karriere von großer Bedeutung seien: „Doch erst die bunte Mischung macht unser Förderprogramm wirklich besonders.“ Seit dessen Gründung 1992 seien Stipendien unter anderem an Ingenieure (zehn Prozent), Agrarwirtschaftler (neun), Wirtschafts-, Sozial- und Politikwissenschaftler (sieben), Juristen und Absolventen des Schwerpunkts Bau, Siedlung, Abfall (je fünf), Forstwirtschaftler (vier), Sprach- und Kulturwissenschaftler (drei) sowie Landschaftsplaner (zwei) vergeben worden. Rund 43,5 Millionen Euro flossen bisher in das Programm.

Franziska Anschütz von der Friedrich-Schiller-Universität Jena erhält das 1.000. Stipendium im Stipendienprogramm der DBU.
©

"Wichtig, sich in interdisziplinärer, heterogener Gruppe Gehör zu verschaffen"

„Die fachliche Durchmischung ist tatsächlich sehr attraktiv“, bestätigt DBU-Altstipendiatin und Umweltethikerin Julia Schultz. „Andererseits stellt sie die Stipendiaten vor eine ganz besondere Herausforderung: zu lernen, sich zwischen den Disziplinen verständlich zu machen.“ Schultz promovierte an der Ernst Moritz Arndt-Universität Greifswald zum Thema „Umwelt und Gerechtigkeit“. Auf den regelmäßigen Seminartreffen habe die studierte Politologin bisweilen durchaus „Verständigungs- und Verständnisprobleme“ gehabt. Der Grund: Ein Großteil ihrer Mitstipendiaten sei – wie Anschütz – Naturwissenschaftler gewesen und habe eine „völlig andere Sprache gesprochen“. Was anfangs frustrierend gewesen sei, habe sich rasch als großer Vorteil erwiesen: „Mir wurde klar, wie wichtig es ist zu lernen, sich in einer großen heterogenen Gruppe Gehör zu verschaffen – gerade in einem so interdisziplinären und dynamischen Feld wie dem der Umwelt.“

Über 80 Prozent der Promotionen sehr gut oder mit Auszeichnung

Dass sich die Mühe lohnt, zeigt die Statistik, unterstreicht Schlegel-Starmann. Über 80 Prozent der zwischen 1992 und 2005 erfolgten Promotionen seien mit „sehr gut“ bzw. mit Auszeichnung bewertet worden. „Die Ergebnisse machen deutlich, dass wir die Elite fördern“, ist sie sich sicher. Auch die Berufsaussichten sind laut einer aktuellen Umfrage unter ehemaligen DBU-Stipendiaten vielversprechend: Über die Hälfte der Ehemaligen sind als wissenschaftliche oder technische Mitarbeiter tätig. 31 Prozent bekleiden eine Führungsposition. Vier Prozent sind Professor oder Professorin. Der größte Teil (76 Prozent) der Ehemaligen arbeitet in einem Angestelltenverhältnis. Hinzu kommen elf Prozent, die selbstständig tätig sind, und elf Prozent, die als Beamte arbeiten. Überwiegend hätten die ehemaligen DBU-Stipendiaten unbefristete Arbeitsverhältnissen (57 Prozent).

DBU-Altstipendiatin Julia Schultz: „Mir wurde klar, wie wichtig es ist zu lernen, sich in einer großen heterogenen Gruppe Gehör zu verschaffen – gerade in einem so interdisziplinären und dynamischen Feld wie dem der Umwelt.“
©

Mutter und beratendes Mitglied im Berliner Klimaschutzrat

Altstipendiatin Schultz arbeitete bereits während ihrer Promotion als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und wurde nach Abgabe ihrer Doktorarbeit im Sommer 2008 dort übernommen. Sie hat sich dennoch bald fürs Muttersein entschieden. Seit anderthalb Jahren lebt sie mit ihrem Mann und den gemeinsamen Zwillingen in der Schweiz – „das dritte Kind ist unterwegs“, sagte sie lächelnd. Eine Einladung als beratendes Mitglied in den Berliner Klimaschutzrat für die begrenzte Zeit von zwei Jahren hat sie trotz Babypause nicht ausgeschlagen und besucht auch die Alumni-Treffen der DBU weiterhin: „Ich habe immer versucht, die Kontakte, die ich mir vor und während meines Stipendiums aufgebaut habe, aufrechtzuerhalten.“

Frauenkolloquium zeigte, dass Promovieren mit Kind möglich ist

Manchmal überlege sie zwar, ob sie nicht erst den Berufseinstieg hätte ausbauen und sich dann für Kinder hätte entscheiden sollen, komme aber immer wieder zu dem Schluss: „Den richtigen Zeitpunkt gibt es nicht. Man muss sich einfach entscheiden.“ Umso mehr begrüße sie die Unterstützung, die Stipendiaten mit Kindern erhielten und die Möglichkeiten, die das DBU-Promotionsstipendienprogramm auch werdenden Müttern eröffne: „In einem speziellen Frauenkolloquium wurde den Teilnehmerinnen gezeigt, dass Promovieren mit Kind möglich und machbar ist – wenn auch mit einigen Umwegen und Abstrichen.“

Schafft den Spagat zwischen den Aufgaben als Mutter und Umweltexpertin: DBU-Altstipendiatin Julia Schultz mit ihren zweijährigen Zwillingen Jonathan (l.) und Frederik im heimischen Männedorf im schweizer Kanton Zürich.
©

„Wenn die Idee nicht sitzt, kann ein so großes Projekt wie die Doktorarbeit schnell überfordern"

Ihre Zeit als DBU-Stipendiatin bezeichnet Schultz als „bisher größte Herausforderung“ ihres Lebens. In den zweieinhalb Jahren habe sie viel für sich selbst gelernt: „Mich selbst zu organisieren, selbstbestimmt zu arbeiten und vor allem einen langen Atem zu haben“. Sie glaubt: „In manchen Disziplinen wird eine Promotion vorausgesetzt, um beruflich erfolgreich zu sein. Das erhöht natürlich den Druck auf viele Studienabgänger.“ Wer aber nur promoviere, um zu promovieren, dem prophezeit sie eine schwere Zeit: „Wenn die Idee nicht sitzt, kann ein so großes Projekt wie die Doktorarbeit schnell überfordern. Deswegen war es für mich wichtig, nicht im eigenen Saft zu schmoren und Fortschritte oder Probleme direkt mit dem Lehrstuhl und den Mitstipendiaten zu besprechen“.
 
DBU - jährlich bis zu 60 Promotionsstipendien

Die DBU vergibt jährlich bis zu 60 Promotionsstipendien an Nachwuchswissenschaftler aller Fachrichtungen, die eine weiterführende Forschungsarbeit im Umweltschutz anfertigen. Über die Vergabe entscheidet zweimal jährlich ein Auswahlgremium, das sich aus Professoren unterschiedlicher Fachrichtungen zusammensetzt. Zunächst war das Stipendienprogramm vor allem auf die ostdeutschen Bundesländer ausgerichtet. Dort sollte in einer schwierigen Umbruchsituation der wissenschaftliche Nachwuchs in der Umweltforschung unterstützt werden. Nach drei Jahren wurde das Programm auf die gesamte Bundesrepublik ausgeweitet, seit 2000 ist es fester Bestandteil der DBU-Förderarbeit. 2002 wurde es auch für ausländische Doktoranden geöffnet. Weitere Informationen zum DBU-Stipendienprogramm und die Online-Bewerbung unter www.dbu.de/stipendien.

Wirft als Chemikerin einen interessierten Blick auf die neue DBU-Chemie-Ausstellung: "Jubiläums-Stipendiatin" Franziska Anschütz beim Rundgang durch "T-Shirts, Tüten und Tenside - Ausstellung zur Nachhaltigen Chemie".
©
Vor dem Stiftungsgebäude der DBU in Osnabrück: "Jubiläums-Stipendiatin" Franziska Anschütz und DBU-Generalsekretär Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde.
©

Medien & Infos