„Antibiotika-Einsatz in Tierhaltung drastisch verringern“

DBU-GeneralsekretĂ€r Dr. Heinrich Bottermann Ă€ußert sich im Interview mit der Neuen OsnabrĂŒcker Zeitung zum Thema Dispensierrecht fĂŒr TierĂ€rzte

In Berlin haben Experten von Bund, LĂ€ndern und VeterinĂ€rmedizin jĂŒngst eine Art Burgfrieden in Sachen Dispensierrecht geschlossen. Außer in NRW soll daran festgehalten werden, trotz der Kritik einiger Fachleute, trotz anderslautender WĂŒnsche der EU. Wie ist die Position der DBU?

Nach unseren Erfahrungen ist es so, dass die bisher in den StĂ€llen - insbesondere in den SchweinestĂ€llen – eingesetzten pulverförmigen Antibiotika Probleme bereiten. So wurde in Untersuchungen der UniversitĂ€ten Hannover, LĂŒneburg und Gießen festgestellt, dass in der Stallluft und auch bei den Emissionen aus den StĂ€llen Antibiotika in der Abluft enthalten sind. Dies hat Auswirkungen auf die Umwelt, vor allem aber fĂŒr die Menschen, die dort arbeiten und leben. Vor diesem Hintergrund geht es nicht nur um die Frage, wie und in welchen Mengen Arzneimittel in den Stall gelangen, sondern vor allem um die Frage, mit welchen Methoden man die schĂ€dlichen Wirkungen vermindern kann.

Eine Frage an Sie als Tierarzt: BefĂŒrworter sagen, die rasche und breite Gabe der Arzneimittel diene der Gesundheit der Tiere und damit deren Wohl. Was entgegnen Sie?

GrundsĂ€tzlich ist das zĂŒgige Verabreichen von Arzneimitteln bei einem erkrankten Tier sinnvoll. Gerade in großen TierbestĂ€nden bedarf es vor dem Hintergrund der möglichen negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt aber einer besonderen Vorsicht. Und da stellt sich fĂŒr bestimmte Produkte schon die Frage, ob der Vertriebsweg ĂŒber den Tierarzt zwingend notwendig oder gar geboten ist, um eine sichere Applikation des Arzneimittels zu erreichen.

VeterinĂ€re wehren sich vehement, wenn sie in der Debatte als „Dealer“ bezeichnet werden, die Tierhalter und deren BestĂ€nde sozusagen sĂŒchtig machen nach den Wirkstoffen und sie dann auch selbst verkaufen. Passt der Vergleich?

Den Begriff „Dealer“ fĂŒr die Arzneimittelabgabe von TierĂ€rzten an Tierhalter zur Anwendung bei ihren Tieren sehe ich nicht als gerechtfertigt an. Allerdings mĂŒssen TierĂ€rzte unter dem Legitimationsdruck der Ausnahmeregelung vom Apothekenmonopol deutlich belegen, dass die Verordnung und Abgabe von Arzneimitteln nicht primĂ€r dem eigenen wirtschaftlichen Vorteil dient. Diesen Spagat zu leben und zu dokumentieren, muss eine zentrale Aufgabe fĂŒr den tierĂ€rztlichen Berufstand sein.

Wie bedrohlich ist der Eintrag von Arzneimitteln in Boden und Wasser fĂŒr Mensch und Tier?

ArzneimittelrĂŒckstĂ€nde finden wir in zunehmender Vielfalt und Menge bisher in Böden, aber insbesondere in OberflĂ€chengewĂ€ssern. Wir reden in diesem Zusammenhang von Spuren von RĂŒckstĂ€nden von Arzneimitteln, den sog. Mikroschadstoffen. Wie lange sich diese Produkte im Boden und im Wasser halten, hĂ€ngt von ihrer chemischen Struktur und damit ihrer KomplexitĂ€t ab. Eine Reihe von Arzneimitteln ist nur schwer in der Umwelt abbaubar. Sie halten sich sehr viel lĂ€nger als solche, die biologisch abbaubar sind. Eine konkrete Bedrohung fĂŒr den Menschen durch die ArzneimittelrĂŒckstĂ€nde in Boden und Wasser ist – anders als in der Tierwelt - bisher nicht nachgewiesen worden. Allerdings sind Langzeitwirkungen niedrigster Konzentrationen bisher unerforscht. Vor dem Hintergrund des Vorsorgeprinzips sollte der Eintrag dieser Stoffe in die Umwelt stĂ€rker als bisher vermieden werden.

Wie die regelmĂ€ĂŸige Erhebung des BVL belegt, liegt der Nordwesten Jahr fĂŒr Jahr mit deutlichem Abstand an der Spitze, was den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung betrifft. Es werden mehr als hundert Mal mehr Antibiotika abgegeben als etwa in Rheinland-Pfalz, ThĂŒringen und weiten Teilen Bayerns oder Hessens und immer noch 50 mal mehr als in nahe gelegenen, ebenfalls landwirtschaftlich geprĂ€gten Kreisen wie Minden-LĂŒbbecke oder Diepholz. ErklĂ€rt sich das durch eine höhere Dichte von Mastbetrieben allein?

Die Menge an abgegebenen Arzneimitteln ist sehr eng verbunden mit der Zahl der Tiere in bestimmten Regionen und ihrer Haltungsform. Der Nordwesten Deutschlands – insbesondere das MĂŒnsterland und Weser-Ems – sind eine Hochburg der Tierhaltung in Deutschland. Deshalb werden dort auch die meisten Arzneimittel verbraucht und angewendet. Hinweise darauf, dass in Nordwestdeutschland anders therapiert wird als in anderen Gegenden Deutschlands, vermag ich nicht ab-zuleiten. Die BVL-Erhebung konzentriert sich lediglich auf den Bezug der Arznei-mittel durch TierĂ€rzte und deren Ansiedlung in bestimmten Kreisen. Durch die neuen arzneimittelrechtlichen Regelungen der im letzten Jahr in Kraft getretenen 16. AMG-Novelle werden wir in Zukunft auch ĂŒber den Verbrauch von Antibiotika in TierbestĂ€nden besser Bescheid wissen.

Drohen den Menschen im Raum Weser-Ems wegen der großen Mengen besondere Gefahren?

Bekannt ist, dass sich in TierbestĂ€nden auch viele resistente Keime entwickeln, die anschließend auch bei den Menschen zu finden sind, die die Tiere betreuen oder als TierĂ€rzte behandeln. Daneben mĂŒssen wir in Betracht ziehen, dass auch ĂŒber den Luftpfad bei den Emissionen aus den StĂ€llen Keime in die Umgebung gelangen, die ebenfalls Auswirkungen auf Menschen haben können. Im Rahmen des Vorsorgeprinzips muss die Situation genau in den Blick genommen werden, damit es nicht zu unkontrollierten Ausbreitungen von resistenten Keimen auch in der Bevölkerung kommt.

Was fordern Sie konkret?

Neben den Forderungen nach verbessertem Tiermanagement, verbesserter Hygiene und drastisch verringertem Antibiotika-Einsatz muss auch die Art der Arzneimittelapplikation an die Tiere in den Blickpunkt genommen werden. Die Rahmenbedingungen der Tierhaltung sind mittlerweile erheblich technisierter und weiter-entwickelt worden. Die Arzneimittelapplikation wurde dagegen in vielen TierbestĂ€nden technologisch nicht ausreichend weiterentwickelt. Die bei der DBU vorliegenden Studien belegen aber ein Risiko fĂŒr Tierhalter, TierĂ€rzte und Umwelt durch unzureichende Arzneimittelapplikationen. Wissenschaftler fordern daher, die Arzneimittelgabe an Tiere zu verbessern, z.B. durch das Vermeiden der Kontamination der Umgebung, wie es beispielsweise durch das Verwenden von Pellets anstelle von pulverförmigen Arzneimittelgaben möglich ist. Die Abgabe von Arzneimitteln mit antibakteriell wirksamen Inhaltsstoffen fĂŒr die Behandlungen ganzer TierbestĂ€nde oder großer Tiergruppen muss so neu organisiert werden, dass die Bestandsbehandlungen unter einwandfreien technischen Bedingungen stattfinden, wozu nur noch speziell autorisierte und qualifizierte Unternehmen herangezogen werden. Damit wĂŒrde aus dem Dispensierrecht fĂŒr TierĂ€rzte die Abgabe von Arzneimitteln – hier insbesondere Antibiotika – fĂŒr Be-standsbehandlungen bzw. die Behandlung grĂ¶ĂŸerer Tiergruppen herausfallen.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Neuen OsnabrĂŒcker Zeitung/Weiterverwendung ausschließlich unter Quellenangabe

 

DBU-GeneralsekretÀr Dr. Heinrich Bottermann
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