Aquakultur: Entlastung der Meere, aber Belastung der Umwelt?

DBU startet Förderinitiative zur nachhaltigeren Produktion von Fischen und Meeresfrüchten

Osnabrück. Lachs, Hering oder Thunfisch, gegrillt, zu Sushi verarbeitet oder als Beilage für Pizza und Salat – Meeres-Spezialitäten sind bei deutschen Verbrauchern „in“. Knapp 16 Kilogramm verzehrt der Bundesbürger laut Fisch-Informationszentrum durchschnittlich im Jahr, Tendenz steigend. Demgegenüber steht ein dramatischer Rückgang der weltweiten Fischbestände. Aquakultur – die kontrollierte Aufzucht von Fischen, Muscheln oder Krebsen – wird als Alternative zum klassischen Wildfang immer wichtiger und kann helfen, überfischte Gewässer zu entlasten. Doch mit dem Wachstum der Branche können auch neue Umweltprobleme entstehen. „Für Zuchtanlangen etwa in Südostasien werden Mangrovenwälder großflächig gerodet. Fischkot und Futterreste belasten Gewässer, Frischwasser wird in Mengen verbraucht“, erklärt Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Sie will mit ihrer neuen Förderinitiative „Nachhaltige Aquakultur“ helfen, Lösungen für das Problem zu finden.

Aquakultur wachsender Wirtschaftssektor - negative Auswirkungen auf die Umwelt

Aquakultur – ob in Zuchtbecken, Teichen oder Netzgehegen im freien Meer – ist einer der am schnellsten wachsenden Lebensmittelsektoren. „Seit 25 Jahren verzeichnet er sehr hohe Wachstumsraten“, erklärt DBU-Experte Dr. Holger Wurl. Fisch und Meeresfrüchte seien wichtige Eiweißlieferanten und gewännen zunehmend Bedeutung für eine sichere Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung. Doch die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen warnt, dass bereits 52 Prozent der Fischarten bis an ihre Grenzen genutzt und 17 Prozent gänzlich überfischt seien. „In Anbetracht dessen wird die Aquakulturproduktion auch künftig steigen. Doch das hinterlässt in der Umwelt seine Spuren“, so Wurl. Schadstoffe im Wasser durch Fischkot und Futtermittelreste, der Verlust an Naturräumen durch den Aufbau großer Zuchtanlagen oder die Bedrohung von Wildbeständen durch ausgebrochene Zuchttiere stünden für die negativen Aspekte der kontrollierten Aufzucht von Fisch und Meeresfrüchten. „Nachhaltige Standards sind für den Ausbau dieses Wirtschaftszweiges unerlässlich“, betont Wurl.

Dramatischer Rückgang der weltweiten Fischbestände: Aquakultur kann künftig eine wichtige Alternative zum klassischen Wildfang darstellen.
© Paulus, Hans-Gerd/piclease
Knapp 16 Kilogramm an Fisch und Meeresfrüchten verzehrt der Bundesbürger durchschnittlich im Jahr. Mit kleinen Fischkuttern kann dieser Bedarf nicht mehr gedeckt werden.
© Paulus, Hans-Gerd/piclease

Kreislaufanlagen schonen Ressourcen

Ziel der neuen Förderinitiative sei es, kleinen und mittleren Unternehmen einen Anreiz zu bieten, Verfahren und Produkte zu entwickeln, bei denen Umweltbelastungen von vornherein vermieden werden. „Dabei können geschlossene Kreislaufanlagen ressourcenschonend sein“, erläutert Wurl. „Durch die Filterung des zirkulierenden Wassers kann ein Großteil davon wiederverwertet werden. Zudem wird verhindert, dass Exkremente in die Umwelt gelangen können.“ Darüber hinaus seien die Anlagen unabhängiger von Einflüssen der Umgebung als Zuchtbetriebe in offenen Gewässern. Durch die gezielte Steuerung von Licht- und Wärmeverhältnissen könnten Fische unter optimalen Haltungsbedingungen gezüchtet werden. „Solche Produktionsanlagen kommen bereits in Aquakulturbetrieben zum Einsatz, können aber noch wirkungsvoller gestaltet werden“, so Wurl. „Durch die Nutzung industrieller Abwärme von geschlossenen Kreislaufanlagen ließen sich beispielsweise hervorragend Synergieeffekte erzielen.“

Möglicher Forschungsbereich: Entwicklung von Futtermitteln auf pflanzlicher Basis

Ein weiterer Kritikpunkt, mit dem sich die Aquakultur konfrontiert sieht, ist, dass ein Großteil des von der Bevölkerung konsumierten Fisches Raubfische sind. Das heißt, für ihre Aufzucht werden wiederum große Mengen an Fisch bzw. Fischresten, die zu Futtermittel verarbeitet werden, benötigt. Laut Greenpeace müssen für ein Kilo gezüchteten Lachs bis zu fünf Kilo wild gefangener Fisch gefüttert werden. „Einem Konzept von Nachhaltigkeit entspricht dies nicht“, so Wurl. Ein von der DBU-Initiative geförderter Forschungsbereich könne dementsprechend die Entwicklung von Futtermitteln auf pflanzlicher Basis sein, meint der DBU-Experte. „Hier steht die Wissenschaft noch ganz am Anfang.“ 

Reinigung und Aufbereitung von Wasser - DBU fördert Projekt in Baden-Württemberg

Erste positive Ansätze gibt es bereits. In einem von der DBU mit 350.000 Euro geförderten Projekt beschäftigt sich derzeit die Fischereiforschungsstelle Baden-Württemberg mit der Reinigung und Aufbereitung von Wasser in geschlossenen Kreislaufanlagen. In Zusammenarbeit mit der Zordel Fischhandels-GmbH (Neuenbürg) und der Fischzucht Peter Störk (Bad Salgau) will sie ein Futtermittel entwickeln, nach dessen Aufnahme die Fische schwimmfähigen, festen Kot erzeugen, der leicht von der Wasseroberfläche abschöpfbar ist. „So könnte bereits über die Fütterung eine aufwändige Entsorgung vermieden und die umweltfreundliche Fischerzeugung verbessert werden“, sagt der DBU-Generalsekretär. 

Interessenten können Projektskizzen bis zum 31. Oktober 2009 einreichen

„Mit Hilfe solcher Innovationen kann Aquakultur ressourcenschonend und energieeinsparend gestaltet werden. Eine wichtige Nahrungsgrundlage der Bevölkerung wird so sicher gestellt und gleichzeitig eine Teilentlastung der Meere und Ozeane erreicht sowie ein Beitrag zur Bewahrung bedrohter Arten geleistet“, ist sich Wurl sicher. Die Förderinitiative ist für Projekte von Forschungseinrichtungen sowie für kleine und mittlere Unternehmen offen. Interessenten können ihre Projektskizzen bis zum 31. Oktober 2009 einreichen.

Weitere Informationen unter www.dbu.de/aquakultur

Von der Überfischung der Weltmeere bedroht: Der Nordsee-Kabeljau.
© Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung/Foto: Torsten Fischer

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