Im Gegensatz zum Belassen von Totholz werden in der Natur verbliebene Wildtierkadaver immer noch kontrovers diskutiert. Die Motive reichen von Seuchenbedenken über Ästhetik bis hin zu schlichtem Unverständnis der ökologischen Prozesse in und um Kadaver. Hier setzt das beantragte Vorhaben an. Bis heute gibt es nur wenige Studien die statistisch abgesichert Effekte von Kadavern auf Ökosysteme und deren Biodiversität untersucht haben. Dabei liefern bisherige Studien bereits erste Hinweise auf verschiedenste positive Biodiversitätseffekte von Kadavern. Mit meiner Doktorarbeit möchte ich die Wissensgrundlage für diesen bisher vernachlässigten Aspekt von Nekromasse in Ökosystemen Deutschlands verbessern und damit das Management von Wildtierkadavern auf eine bessere Grundlage stellen. Ziel dieser Studie ist es, Grundlagen für zukünftige Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Wildtierkadavern in natürlichen Lebensräumen zu schaffen. Dabei kann ich auf bereits bestehende Datensätze verschiedener Monitoringprojekte („Vielaas-Projekt“; „ASP-Projekt“, Langzeitstudie) aus dem Nationalpark Bayerischer Wald (NLP-BW) und einem Bundesweiten Aasprojekt zurückgreifen. Meine Modellierungsergebnisse werden die Grundlage für Handlungsempfehlungen des alle 16 Nationalparks umfassenden Erprobungs- und Entwicklungsvorhabens (BfN-Förderprojekt Aasökologie) sein. Weitere Daten werde ich im Rahmen eines für die vorliegende Arbeit geplanten Kombinatorik-Experiments (gleiche Kadaveranzahl bei variablen Kadavertierarten) im NLP-BW gewinnen. Generelles Ziel ist es herauszufinden, in welchem 2 Habitat (i) welcher Kadavertyp und (ii) in welcher Häufigkeit ausgelegt werden muss, um Artenvielfalt und Artengemeinschaften positiv zu beeinflussen.
Ich möchte mich dabei folgenden drei Fragestellungen widmen:
(i) Wie lässt sich durch Variation von Kadavertypen und Auslegezeiträumen die Biodiversität des Nekrobioms optimieren?
(ii) Wie wirken sich verschiedene Kadaverkombinationen und Auslegungszeiträume (Winter vs. Sommer) auf die Diversität aasassoziierter Vögel aus?
(iii) Welche Rolle spielen Bioregion, Klima und lokales Wildtiermanagement für die Biodiversität der kadaverassoziierten Arten?
Während vorangegangene Studien einen Fokus auf die Insektendiversität an Kadavern gelegt haben, soll mit meiner Studie nun erstmals auch ein Fokus auf die Wirbeltiervielfalt (Säugetiere & Vögel) mit speziellem Fokus auf der Vogelvielfalt erfolgen. Dabei werden Vögel als Kadaverbesucher, aber auch als Kadavertierart untersucht, und deren Rolle im Ökosystem analysiert.
Ein interessanter Aspekt ist, dass im Zuge einer Rehkadaver-Auslegung im Nationalpark Eifel im Juni 2023 noch am selben Tag 21 Gänsegeier gelandet sind und den Kadaver binnen weniger Stunden verzehrt haben (https://www.nationalgeographic.de/tiere/2023/06/seltene-gaeste-geier-im-nationalpark-eifel).
Gänsegeier zählen schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr zu den heimischen Brutvogelarten, da sie als obligate Aasfresser auf Aas als Nahrung angewiesen sind. Diese Beobachtung alleine zeigt bereits, dass das Auslegen von Tierkadavern sehr interessante Effekte auf ein Ökosystem haben kann.
Themenbereiche: Kadaverökologie; Naturschutz; Managementempfehlungen; Ornithologie; Biodiversität