Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
FB15 Didaktik der Biowissenschaften
Campus Riedberg
Max-von-Laue-Str. 13
60438 Frankfurt
Historische Gärten und Parks sind besondere Zeugnisse der Kulturgeschichte. Gartendenkmale - wie Barockgärten, Landschaftsparks oder historische Nutzgärten - sind gleichermaßen (kunst-)historische Dokumente und ökologische Rückzugsräume. Sie sind Refugien alter Sorten; ferner enthalten sie wertvolle Habitatstrukturen, von denen die heimische Fauna profitie-ren kann. Aus didaktischer Perspektive ergeben sich daher sinnvolle Bezugspunkte für die außerschulische Bildungsarbeit. In historischen Gärten und Parks können überfachliche Lernprozesse angestoßen werden. Entscheidend ist dabei eine Verknüpfung biologischer, ästhetischer und historischer Inhalte. Dieser Zugang erlaubt eine ganzheitliche Auseinandersetzung mit den jeweiligen Liegenschaften. Allerdings fehlen bis dato empirisch geprüfte Vermittlungskonzepten, welche die besonderen didaktischen Stärken historischer Gartenanlagen ausschöpfen.
Um den „Lernort Gartendenkmal“ für die außerschulische Bildungsarbeit zu profilieren, wurde ein DBU-gefördertes Kooperationsprojekt der Abteilung für Didaktik der Biowissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt mit den Staatlichen Schlössern und Gärten des Landes Hessen auf den Weg gebracht. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung und Evaluation von Lehr-Lern-Modulen, die Lehrkräfte dazu befähigen, ihre Klassen eigenständig durch historische Gärten zu führen.
I
Im vorliegenden Projekt kam die Methodik der designbasierten Bildungsforschung (Design Based Research, kurz: DBR) zur Anwendung. Dieser Ansatz steht für eine enge Verknüpfung der Bildungspraxis mit der empirischen Bildungsforschung. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Orientierung an einer konkreten, didaktischen Problemstellung. Für diese werden anschließend Lösungsansätze entworfen. In einem iterativen Verfahren werden diese pädagogischen Konzepte anschließend erprobt, evaluiert und überarbeitet (formative Evaluation). Dieses Verfahren wird so lange wiederholt, bis eine Endfassung der Konzepte gestaltet wurde, die sich als wirksam und praxistauglich erweist. Diese wird nochmals einer abschließenden, d.h. summativen Evaluation unterzogen, um ihre Eignung mit einer breiteren empirischen Grundlage abzusichern.
Im Fall des vorliegenden Projekts bestand die initiale, praxisrelevante Problemstellung im Fehlen geeigneter Vermittlungskonzepte für historische Gärten und Parkanlagen. Im Rahmen einer DBR-Studie sollten daher fachübergreifende Vermittlungskonzepte für diesen Lernort gestaltet werden. Im ersten Projektjahr wurden zu diesem Zweck Voruntersuchungen durchgeführt (Literaturrecherche, Gestaltung erster Lehr-Lern-Konzepte, Erprobung und Revision, Pilotierung der Erhebungsinstrumente). Im zweiten Projektjahr erfolgte eine formative Evaluation (wiederholte Erprobung und Revision der Konzepte). Im dritten Projektjahr schloss sich schließlich die summative Evaluation des finalen Lehrmaterials an.
Durch Fokusgruppenbefragungen mit Lernenden, Einzelinterviews mit Lehrkräften und qualitative Beobachtungsdaten wurden im vorliegenden Projekt didaktisch-methodische Entscheidungen evaluiert und formative Überarbeitungsschritte begründet. Die hierbei erzielten Ergebnisse gaben darüber Aufschluss, wie die Gestaltungsweise des Arbeitsmaterials durch Lehrende und Lernende wahrgenommen bzw. umgesetzt wird.
Quantitative Daten spielen eine besondere Rolle, um die Wirksamkeit der pädagogischen Intervention abzusichern. In unserem Projektkontext spielte das Einstellungskonstrukt eine besondere Rolle. Da keine Erhebungsinstrumente vorlagen, die sich explizit auf historische Gartenlagen bezogen, führten wir im Rahmen des Projekts eine Validierungsstudie durch und entwickelten eine neuartige Einstellungsskala für diesen Zweck. Um weitere Indikatoren wie Naturverbundenheit und Interesse berücksichtigen zu können, griffen wir auf etablierte Erhebungsinstrumente zurück
Im Projekt „Lernort Gartendenkmal“ wurden vielfältige praxistaugliche Vermittlungsangebote für historische Gärten und Parkanlagen gestaltet. Dies bestehen im Kern aus einfachen Handwagen, die mit verschiedenen Lehr-Lern-Modulen bestückt und für die Umsetzung von Führungen unter Anleitung der Lehrkraft genutzt werden können. Als besonders funktional erwies sich zudem ein hybrides Design, bei dem die Lernenden in zwei Gruppen geteilt werden, welche parallel und im Wechsel digitale und händische Lernstationen bearbeiten.
Die hierbei erzielten Resultate sind als Beitrag zur Entwicklung einer überfachlichen BNE zu verstehen. In inhaltlicher Hinsicht konnten an verschiedenen Stellen Fragen der nachhaltigen Zukunftsgestaltung adressiert werden. Die ökologischen Themenkomplexe Biodiversität und Klima wurden hierbei mit dem Kontext eines Kulturdenkmals gekoppelt und insofern auf einen gesellschaftlichen Zusammenhang bezogen. Die Auseinandersetzung mit einem dynamischen Denkmalkontext lädt zur Einnahme verschiedener Perspektiven ein (künstlerisch-ästhetische, historische sowie ökologische). Dies entspricht gleichermaßen einem multiperspektivischen BNE-Verständnis.
Die Ergebnisse der qualitativen Erhebungen zeigen Wertschätzung und Interesse auf. Gestaltungsprinzipien, die sich in den Evaluationszyklen bewährt haben, konnten Befunde früherer Untersuchungen aus dem Gebiet der außerschulischen Lehr-Lern-Forschung bestätigen. So zeigt sich etwa die Bedeutung von originalen Hands-on-Materialien für die Förderung des Interesses. Gleiches gilt für die Förderung von Autonomie durch die digital gestützten Phasen des Erkundens von Orangerie und Obstquartier.
Die quantitativen Befunde der summativen Evaluation zeigen, dass es gelang, eine Steigerung der Naturverbundenheit sowie des Interesses der Schülerinnen und Schüler zu erzielen. Im Fall des Einstellungskonstrukts konnten Anstiege vor allem in der affektiven und kognitiven Subskala ermittelt werden. Bemerkenswert ist vor allem, dass der Anstieg der kognitiven Komponente auch im dritten Testzeitpunkt, vier Wochen nach dem Lernort-besuch, nachgewiesen werden konnte. Dies weist darauf hin, dass das Programm eine anhaltende Wertschätzung des Gartendenkmals fördern konnte vor allem mit Blick auf seine ökologische Bedeutung.
Auf den offiziellen Homepages der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen sowie der Abteilung für Didaktik der Biowissenschaften der Universität Frankfurt wurden eigene Unterhomepages bzw. Projektbeschreibungen eingerichtet, die dauerhaft bestehen bleiben und für eine nahhaltige Dokumentation der Ergebnisse genutzt werden.
Darüber hinaus wurden verschiedene Tagungen und sonstige Kanäle für Fachpublikationen verwendet, um die Projektergebnisse sowohl einem Fachpublikum als auch einer breiteren Öffentlichkeit gegenüber vorzustellen, z. B.
Emge, D., Formann, I., Limburg, B. & Wenzel, V. (2022). Zeugnisse der europäischen Kulturgeschichte: Historische Parks und Gärten für Schüler/-innen erschließen. In: Biologie in unserer Zeit, 52(4), 323–325.
Emge, D., Kleespies, M. W. & Wenzel, V. (2024). Measuring attitudes to-wards historic gardens: development and validation of the Garden Heritage Scale. Humanities and Social Sciences Communications, 11(911).
Emge, D. & Wenzel, V. (2024). Historische Gärten als (biologische) Lernorte. Vortrag auf der 25. Internationalen Frühjahrsschule der FDdB, Lüneburg.
Emge, D. (2024). Historische Gärten für Schüler*innen erschließen. Lehrkräftefortbildung im Schlosspark Bad Homburg.
Im Mittelpunkt des Projekts „Lernort Gartendenkmal“ stand die Entwicklung und Evaluation fachübergreifender Lehr-Lern-Konzepte für historische Gärten und Parkanlagen. In zwei Liegenschaften der Staatliche Schlösser und Gärten Hessen führten wir hierzu eine designbasierte Entwicklungsstudie mit händischen und digitalen Lehrmaterialien durch. Die Ergebnisse der Evaluation weisen auf eine gute Praxistauglichkeit des Materials hin. Sie zeigen zugleich, dass dessen Nutzung positiv auf relevante Konstrukte wie Einstellungen, Naturverbundenheit und Interesse wirken kann. Die Befunde des Pro-jekts haben Modellcharakter. Eine Übertragung des konzipierten Lehrmaterials auf ähnliche Lernorte ist möglich und gut realisierbar. Grundsätzlich wei-sen die Resultate der empirischen Evaluation darauf hin, dass historische Gärten für die Umsetzung überfachlicher Lernprozesse mit BNE-Bezug geeignet sind. Eine weitere Erschließung dieser Anlagen - etwa mit veränderten Zielgruppen und/oder inhaltlichen Schwerpunkten bietet sich an. Die Ergebnisse des Projekts „Lernort Gartendenkmal“ können als Ausgangspunkte möglicher Folgearbeiten dienen - sowohl fachinhaltlich als auch forschungsmethodisch.