Projekt 33252/01

Quantitative Ansätze zur Optimierung des Multi-Kompartiment-Konzeptes bei der Uferfiltration in einem hydraulisch und hydrogeochemisch heterogenen Aquifersystem

Projektträger

Technische Universität Berlin Fachgebiet Hydrogeologie Institut für Angewandte Geowissenschaften
Ernst-Reuter-Platz 1
10587 Berlin
Telefon: 030 314 24088

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Pathogene Mikroorganismen und Viren können über Kläranlagenabläufe, Mischwasserentlastungen sowie
Oberflächenabfluss von landwirtschaftlich genutzten Flächen in Oberflächengewässer gelangen. Über
Uferfiltration und Grundwasser können die Krankheitserreger potenziell das Trinkwasser erreichen. Ziel
des Projektes war es ein modellbasiertes Werkzeug zu entwickeln, welches Wasserwerksbetreiber bei
einer prozessbasierten Risikoanalyse und Bewertung des Transports von hygienisch relevanten Mikroorganismen
und Viren in der Uferfiltration unterstützt.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenFür die Umsetzung des Projekts wurde ein mehrskaliger experimenteller Ansatz konzipiert. Zunächst wurden
verschiedene mikrobiologische und virologische Kenngrößen ausgewählt und methodisch getestet,
um die Reinigungswirkung durch den Transport im Untergrund zu quantifizieren. Kleinskalige Säulenversuche
(10 cm) wurden durchgeführt zur Untersuchung verschiedener Einflussgrößen auf den Virenrückhalt.
Ein Zusammenwirken aller Einflussgrößen wurde mittels eines mesoskaligen Säulenversuchs (1,2 m)
untersucht unter Verwendung von Sediment aus dem Aquifer vom Wasserwerk Flehe in Düsseldorf sowie
Rohwasser aus dem Rhein. In der Uferfiltrationstrecke des Wasserwerks Flehe wurden über 1,5 Jahre im
2-4 Wochenrhythmus an verschiedenen Stellen Grundwasserproben genommen und auf mikrobiologische
und virologische Kennwerte untersucht neben den üblichen grundwasserchemischen Analysen.
Mit Hilfe des modernen Codes PFLOTRAN wurde ein numerisches Modell zur Simulation des Transports
von Viren und Bakterien in der Uferfiltration entwickelt. Das Modell wurde angewandt und kalibriert sowohl
auf die neu erhobenen als auch ältere Daten vom Wasserwerk Flehe, sowie dem mesoskaligen Säulenversuch.
Weiterhin wurde eine Sensitivitätsanalyse durchgeführt zur Untersuchung des Einflusses der verschiedenen
Modellparameter. Für die Umsetzung der Modellergebnisse für Anwender wurde ein Konzept
mittels eines Surrogate-Modells entwickelt. Dafür wurde auf Basis des Modells für das Wasserwerk Flehe
ein verallgemeinertes 1D Modell einer Uferfiltration in PFLOTRAN aufgestellt. Mittels mathematischer und
numerischer Algorithmen wurde für dieses 1D Modell ein analytisch lösbares Surrogate Modell (Näherungsmodell)
erstellt, welches in eine Weboberfläche eingebaut wurde.


Ergebnisse und Diskussion

Die kleinskaligen Säulenexperimente haben neben den bekannten Einfluss von Virenlast und Fließgeschwindigkeit
gezeigt, dass sowohl eine erhöhte mikrobielle Aktivität als auch ein niedriger Sauerstoffgehalt
(hypoxische/anoxische Bedingungen) die Virenkonzentration verringert. Diese Erkenntnis ist vor allem
relevant für Standorte mit dynamischer Biogeochemie, wo bspw. jahreszeitlich bedingt Redoxbedingungen
(Sauerstoffgehalt) sich ändern. Der mesoskalige Säulenversuch hat eine sehr starke Verringerung der
Virenkonzentration beim Transport durch das Material aus dem Aquifer des Wasserwerks Flehe gezeigt
(5 Größenordnungen über 1,2 m), jedoch war das zum Großteil limitiert auf den zentralen Abschnitt der
Säule. Das ist womöglich Folge einer Heterogenität im Sediment, was auf Grund von Beschaffenheit und
Menge nicht über die gesamte Säule homogenisiert werden konnte. Außerhalb des zentralen Abschnitts
zeigte sich eine geringe Reduzierung ähnlich der Beobachtungen im Feld.
Die Untersuchungen am Wasserwerk Flehe zeigten, dass die meisten Fäkalindikatoren und Viren das
ganze Jahr über im Rhein nachgewiesen werden können, während diese jedoch im Uferfiltrat nur in den
ufernahen Messstellen und zu bestimmten Zeiten (besonders Hochwasser) feststellbar waren. Der trockene
Sommer und Herbst 2018 mit historischen Niedrigstständen im Rhein zeigte keinen erhöhten Transport
in den Messstellen, jedoch konnten Coliforme und Clostridium Perfringens punktuell am Förderbrunnen
des Wasserwerks nachgewiesen werden. Auffallend war, dass das Auftreten humanpathogene Adenoviren
keinerlei Zusammenhang mit physikalisch-chemischen Faktoren oder anderen Fäkalindikatoren
zeigte. Im Allgemeinen zeigte sich jedoch eine gute Reduzierung der Adenoviren und aller getesteten
Indikatoren entlang der Uferfiltrationsstrecke und eine Überwachung der hygienischen Wasserqualität
durch E. coli und Coliphagen hätte im Beobachtungszeitraum ausgereicht.
Die Modellierung ergab, dass der Hauptfaktor für das Aufkommen messbarer Konzentrationen von Bakterien
und Viren höhere Grundwasserfließgeschwindigkeiten waren ausgelöst durch schnell ansteigende
Flusspegel (bspw. Hochwasser). Für die Bakterien konnte eine Zunahme der Reinigungsleistung beobachtet
werden zwischen Winter 17/18 und Winter 18/19 bei ähnlichen Grundwasserfließgeschwindigkeiten,
was im Modell erklärt werden konnte durch eine Abnahme der Durchlässigkeit der Kolmationsschicht, die
Bakterien auf Grund deren Größe mehr beeinflusst hat als Viren. Die Sensitivitätsanalyse für das Modell
zeigte, dass die Inaktivierungskoeffizienten, Korngröße, Größe der Bakterien/Viren, aber auch die hydraulische
Leitfähigkeit von Aquifer und Kolmationsschicht die ausschlaggebendsten Parameter sind.
Das Surrogate Modell erlaubt es die Reinigungsleistung einer Uferfiltrationsstrecke abzuschätzen auf Basis
weniger standortspezifischer Parameter (Grundwasserfließgeschwindigkeit, mittlere Korngröße des
Aquifers, etc.). Für den Anwender unbekannte Prozessparameter (bspw. Inaktivierungskoeffizient) fließen
als Unsicherheit in das Ergebnis ein. Über eine Webanwendung (www.pathogene-uferfiltration.de) mit dem
Surrogate Modellkönnen quantitative Abschätzungen für die Reinigungsleistung einer Uferfiltrationsstrecke
bzgl. Mikroorganismen durchgeführt werden. Durch die Beschränkungen des Projektes fehlt jedoch
eine Validierung des Surrogate Modells auf anderen Standorten, weshalb es nur als Prototyp gelten kann.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Ergebnisse des Projektes wurden auf verschiedenen nationalen und internationalen Konferenzen vorgestellt
(FH-DGGV, EGU, ISME) sowie auf Treffen der Arbeitsgemeinschaft der Rhein-Wasserwerke (ARW)
und der Arbeitsgemeinschaft der Wasserversorger im Einzugsgebiet der Elbe (AWE). Weiterhin wurden
Ergebnisse in internationalen Fachzeitschriften publiziert.


Fazit

Am Beispiel des Rheins und des Wasserwerks Flehe hat sich gezeigt, dass fast über das ganze Jahr eine
nicht unerhebliche Belastung des Flusswassers mit Krankheitserregern vorliegt, aber dass das Rückhaltepotential
der Uferfiltration dennoch sehr hoch und unter Normalbedingungen ausreichend ist. Jedoch
war besonders zu Zeiten von Hoch- und Niedrigwasser das Risiko einer Kontamination erhöht. Derzeitig
verwendete Indikatoren wären zwar am Standort Flehe ausreichend gewesen um vor einer Kontamination
mit Adenoviren am Förderbrunnen zu warnen, jedoch durch die beobachteten Differenzen im Transportverhalten
zu den Adenoviren ist dies an anderen Standorten nicht zwangsweise auch der Fall. Für eine
Zukunft mit vermehrten hydrologischen Extremereignissen und andere Standorte wird neben bakteriellen
Indikatoren die Berücksichtigung noch zu bestimmender viren-spezifischer Indikatoren empfohlen. Die
Methodik über das Surrogate Modell hat sich als sehr gute Möglichkeit herausgestellt, um die Ergebnisse
der Modellierung zu verallgemeinern und potenziell den Stakeholdern zugänglich zu machen. In einem
Folgeprojekt soll diese Methodik weiter validiert und verbessert werden.

Übersicht

Fördersumme

399.918,00 €

Förderzeitraum

01.07.2017 - 30.06.2021

Bundesland

Berlin

Schlagwörter

Ressourcenschonung
Umwelttechnik