Projekt 17103/01

Veranstaltungsreihe zur Qualifizierung kleiner und mittelständischer Reiseanbieter zum Ökotourismus

Projektträger

Stattreisen Hannover e. V.
Hausmannstr. 9 - 10
30159 Hannover
Telefon: 0511/1694167

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Der expandierende Tourismus gilt trotz des anhaltenden Konzentrationsprozesses über Landesgrenzen hinweg weltweit als konjunktureller Hoffnungsträger, ist aber zugleich häufig Verursacher ökologischer und sozialer Probleme. Der harte Preiskampf bzw. die große Konkurrenz scheinen allerdings kaum Spielraum für Nachhaltigkeit im Tourismus zuzulassen. Der Bedeutung der Natur wird zwar durch umweltpolitische Absichtserklärungen Rechnung getragen bzw. findet Eingang in die Werbeseiten, aber durch den Einsatz eines Umweltbeauftragten wird sie oft aus der Chefetage wegdelegiert und vor allem darf ihr Erhalt keine Kosten verursachen. Dennoch oder gerade deshalb versuchen vor allem kleinere Anbieter und Regionen einen Tourismus zu realisieren, der mit den Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung in Einklang ist und auf der Basis der Agenda 21 steht. Der umwelt- und sozialverantwortliche Reiseunternehmer hat allerdings oft keine ausreichende Branchenerfahrung, so dass er trotz hohem Engagement nicht nur auf personelle Grenzen stößt, sondern es ihm häufig auch am nötigen unternehmerischen Know-how fehlt, um auf dem Markt professioneller agieren zu können. Vor diesem Hintergrund hat Stattreisen Hannover mit Unterstützung der DBU ein Weiterqualifizierungsprojekt konzipiert, das diese kleinen und mittleren Reiseanbieter in ihrem Bemühen um einen Integrativen Tourismus unterstützen soll.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDefinition der ZielgruppeHauptzielgruppe dieser Maßnahme waren Kleinst-, kleine und mittelständische Reiseveranstalter, deren Produktangebot überwiegend dem nachhaltigen Tourismus zugeschrieben werden kann. Bezogen auf die Zahlen des Jahres 2001 gibt es in Deutschland ca. 122 Reiseveranstalter, die dem Ökotourismus zuzurechnen sind. Hiervon sind ca. 2/3 dem Ökotourismus in seiner strengeren Form zuzuordnen. Nach Angaben des DRV gibt es in Deutschland insgesamt ungefähr 1.500 - 2.000 Reiseveranstalter. Bezogen darauf machen die Reiseveranstalter, die im weitesten Sinne als nachhaltig (Nature und Ecotourism) zu bezeichnen sind, einen Marktanteil von 6 - 8% aus. 103 der 122 deutschen Öko-Reiseveranstalter sind in 2 Verbänden organisiert, wobei dem forum anders reisen, das sich der Förderung des nachhaltigen Tourismus in Deutschland verschrieben hat, momentan 87 Veranstalter an-gehören und der Arbeitskreis Trekking- und Erlebnistourismus 16 Mitgliedsveranstalter zählt.
Der Anteil der Ökoreisen an allen Reisen der Deutschen beträgt allerdings nur knapp 1%, da Gruppengröße und Durchführungshäufigkeit einer Ökoreise im Sinne des nachhaltigen Tourismus weit unter dem der üblichen Pauschalurlaube liegt. Das Preisniveau von ökotouristischen Reisen ist indes hö-her, da die Organisationskosten auf weniger Teilnehmer umgelegt werden müssen. Signifikant ist auch, dass in dieser Sparte viele Quereinsteiger mit hohen Idealen aber wenig professionellem Know-how arbeiten. Aus diesen Gründen sind die erzielten Umsätze in der Regel nicht ausreichend, um optimale Öffentlichkeitsarbeit, Zielgebietsakquise, Büroorganisation bzw. Fortbildung zu betreiben.

Bestandsaufnahme des Qualifizierungsbedarfes innerhalb der definierten Zielgruppe
1. Befragungen einschlägiger Organisationen,
2. Informationsveranstaltung für potentielle Teilnehmer,
3. Direkte Rücksprache mit potentiellen Teilnehmern und ihren Interessensvertretern.

Resultate aus der Bestandsaufnahme und Bedarfsermittlung
Bei der Planung der Maßnahme wurde das Problem der kleinen und kleinsten wirtschaftlichen Organisationseinheiten immer wieder sehr deutlich. Sie sind zum großen Teil geprägt von einem kleinen Stamm an hauptamtlichen Mitarbeitern und erwirtschaften nur einen geringen Umsatz. In den meisten Fällen bedeutet es, dass die Geschäftsführung oder der Inhaber des Betriebes viele Funktionen in einer Person wahrnimmt. Diese geringe Möglichkeit der Arbeitsteilung ist in vielen Fällen Grund für die Nichtteilnahme an Fortbildungen. Denn auf den ersten Blick scheint aus der fortbildungsbedingten Abwesenheit, ein direkter wirtschaftlicher Nachteil zu erwachsen, der nicht durch den Erfahrungs- und Kenntniszugewinn kompensiert werden kann. Diese prekäre Situation sollte durch die hier beschriebene Maßnahme weitest möglich entschärft werden, indem die Tagungsthemen und -orte unter Berücksichtigung der speziellen Zielgruppe ausgewählt wurden. Des weiteren sollten Einzelberatungen sowie eine Internetplattform die mangelnde Mobilität auffangen.

Entwicklung der inhaltlich-methodischen Bausteine des Qualifizierungsprojektes
Das Programm wurde in ein Baustein-Programm gegliedert, das sich am Aufbau eines Marketingkonzeptes orientierte. Es wurden auf der Grundlage der ersten öffentlichen Präsentation des Projektes im Januar 2001 und in Rücksprache mit den Interessensvertretern bzw. potentiellen Teilnehmern 8 Bausteine geplant, die einzeln oder komplett besucht werden konnten. D.h. es handelte sich um jeweils in sich abgeschlossene Einheiten, die sich nicht überschnitten (Produktpolitik, Preispolitik, Distributionspolitik, Kommunikationspolitik, Reiserecht, Umweltmanagement, EU-Tourismuspolitik und Fördersituation, Destinationsmanagement (Reiseleiter und Kunden). Planungsansatz war die Dreigliederung jedes Bausteins mit dem Ziel, die Teilnehmer mit Experten in Kontakt und Austausch zu bringen, den Austausch untereinander und mit referierenden Kollegen anzuregen sowie gemeinsam an tagesaktuellen Problemen zu arbeiten, um neue Ansätze für den konkreten Arbeitsalltag mitzunehmen. Von den angesetzten 8 Seminareinheiten wurden insgesamt fünf durchgeführt, dies waren Produktpolitik, Distributionspolitik, Kommunikationspolitik, Reiserecht und in abgewandelter Form Organisationsentwicklung.
Da die Zielgruppe über ganz Deutschland verteilt ist, bestand die Notwendigkeit, Orte für die Seminare auszuwählen, die gut erreichbar und zentral sind. Unter Berücksichtigung der Geografie und unterschiedlich langer Anfahrtswege wurde zwischen Süd und Nord, West und Ost abgewechselt und zugleich auf die Verbindung mit Messen geachtet, die von den potentiellen Teilnehmern der Maßnahme traditionell besucht werden. Vor diesem Hintergrund fanden die Seminare in Frankfurt, Hannover, Berlin, München und Heidelberg statt.
Die Qualifikationsreihe wurde direkt durch Internet, Email und per Post und indirekt über verschiedenartige Print- und Online-Medien kommuniziert. Als Verteiler diente im wesentlichen die Mitgliederliste des forum anders reisen, die Ausstellerliste des Reisepavillons Hannover sowie die Leser der Mitteilungen des Deutschen Instituts für Fremdenverkehr und Tourismus/DSFT, der fvw - Publikationen sowie die Bezieher der Verträglich reisen.


Ergebnisse und Diskussion

Insgesamt wurde die Maßnahme innerhalb von 2 Jahren durchgeführt. Es nahmen an 5 Seminartagen ca. 60 Interessierte teil. Die Impulse, die die Zielgruppe durch die Maßnahme erhalten hat, werden dem Problem der Zielgruppe gerecht. Aus der Durchführung der Maßnahme konnten die betroffenen Reiseveranstalter wichtige Anregungen und Kenntnisse für ihre praktische Arbeit mitnehmen. Insbesondere das Verständnis für angemessene Öffentlichkeitsarbeit und die Notwendigkeit formeller Organisations-strukturen wurde positiv beeinflusst. Die Schwellenängste vor großen Kooperationspartnern und rechtlichen Rahmenbedingungen konnte gemindert werden. Und schließlich wurde erfolgreich vermittelt, dass vor allem für die KMUs die Zusammenarbeit mit Mitbewerbern und die kreative Nutzung von Synergie zukunftsweisend sind. Die unmittelbar nach den jeweiligen Seminaren erfolgte Rückmeldung per Internet, zum Ende der Maßnahme per Telefon und die in der Abschlussveranstaltung (02.02.2003) mit hohem Personaleinsatz vorgenommene Evaluierung zeitigten im wesentlichen folgende Ergebnisse:
- die Vielfalt, die Qualität und das Preis-Leistungsverhältnis der gesamten Veranstaltungsreihe stießen auf hohe Resonanz;
- der informelle Austausch mit Fachleuten und auch untereinander gab neue Impulse für künftige Informationsbeschaffung und Problemlösungssuche;
- die mehrfache und aufwendige zeitliche Verlegung bzw. der Ausfall einiger Seminare lag einzig und alleine in der mangelnden Zeit bzw. Delegationsunfähigkeit der potentiellen Teilnehmer begründet.
Vor diesem Hintergrund ist den Ergebnissen Bedeutung beizumessen, die über die konkreten Seminartage erzielt wurden. Hier kommt vor allem dem Internet eine wichtige Rolle zu. Da die mangelnde zeitliche und räumliche Disponibilität der (potentiellen) Teilnehmer während der gesamten Qualifizierungsreihe das Haupthandicap war, wurden verfügbare, relevante Informationen und Links auf der Website www.reisepavillon-online.de kommuniziert. Sie erreichten somit weit mehr Interessenten als konkrete Teilnehmer bei der Maßnahme zu verzeichnen waren. Gegen Ende der Maßnahme entstand darüber hinaus die Initiative, das vorhandene Praxiswissen noch effizienter zu nutzen. Dies führte zur Entwicklung einer Internetplattform, die in erster Linie der internen Diskussion und Kommunikation der RVs dient, sie befindet sich unter: www.forumandersreisen.de/Login.
Für die künftige Gestaltung und Vermarktung nachhaltiger touristischer Angebote durch KMUs sind auch die im Verlauf der Maßnahme entstandenen regionalen Erfahrungs-Austausch-Gruppen wichtig. Inzwischen existieren bereits 5 Erfa-Gruppen, die sich zu selbst gewählten Zeitpunkten im drei- bis viermonatlichen Abstand treffen und synergieeffizient gemeinsame Themen und analoge Probleme bearbeiten bzw. gemeinsame Projekte entwickeln. Die Treffen werden vom Regionalleiter organisiert. Die Teilnehmerzahl bewegt sich zwischen 5 und 20 Reiseveranstaltern.
Das DSFT/Berlin, das Hochschulteam des Arbeitsamtes/Bonn sowie einzelne Industrie- und Handelskammern zeigten sich interessiert, einzelne Bausteine der hier beschriebenen Qualifizierungsmaßnahme in ihre Fortbildungsangebote aufzunehmen. Der Projektträger, Stattreisen Hannover, wird seine Möglichkeiten nutzen, hier Kontakte herzustellen und zu intensivieren bzw. entsprechende Veranstaltungen zu initiieren, so z. B. im Rahmen des Reisepavillon.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Qualifizierungsreihe wurde erstmals im Programmheft des Reisepavillon 2001 angekündigt. Nach Entwicklung der konkreten Programmbausteine wurden alle verfügbaren und sinnvollen Informationswe-ge genutzt, um Interessenten zu erreichen: Per Email und Briefpost wurde der Verteiler des Reisepavillon und des forum anders reisen direkt angeschrieben (ca. 1.800 Adressen). Darüber hinaus fand eine breite Informationsstreuung über das Deutsche Seminar für Fremdenverkehr und Tourismus/Berlin, die Internetplattform www.deutschlandtourismus.de sowie diverse online-Redaktionen touristischer Fachzeitschriften statt. Pressemitteilungen an einschlägige überregionale Tageszeitungen, Inserate und Beilagen in zielgruppenrelevanten Printmedien wie der Tageszeitung und dem Magazin Verträglich Reisen sowie die Programmhefte des Reisepavillons garantierten die bestmögliche Publizität der Maßnahme. Das aktuelle Detailprogramm konnte jederzeit auf der Website www.reisepavillon-online.de eingesehen werden.


Fazit

Zentrale Erkenntnis der Maßnahme ist, dass Qualifizierungsangebote für das Fortbestehen bzw. die Existenz von kleinen und mittleren Reiseveranstaltern sehr wichtig sind, dass aber die Inanspruchnahme derselben von der Delegationsfähigkeit des potentiellen Teilnehmers abhängt. Solange er seine Primäraufgaben nicht abgeben und sich keine Entwicklungsfreiräume schaffen kann, wird er sich kaum weiter professionalisieren können. Von außen herangetragene Fortbildungsmaßnahmen oder selbst die externe Schaffung von Internetplattformen können verpuffen, solange die Eigeninitiative der Betroffenen nicht gegeben ist. Unter Berücksichtigung dieser Rahmenbedingungen findet die erforderliche Qualifizierung der Klein- und Kleinst-Betriebe idealerweise durch eine persönliche Beratung vor Ort statt, in Form von In-house-Seminaren und konkreten Hilfsangeboten für den täglichen Ablauf sowie die aktuellen Problemstellungen im Unternehmen. Die Qualifizierung muss als Problemlösung empfunden werden. Schriftliche Fortbildungsmöglichkeiten sollten kombiniert werden mit der Möglichkeit differenzierte Fragestellungen per Mail, Telefon oder im Chat-Room an entsprechende Experten (Recht, Steuern) richten zu können (Rahmenverträge). Der Erfahrungsaustausch durch die oben beschriebenen Erfa-Gruppen kann durch die Einbindung von Fachvorträgen optimiert werden. Bestehende Fortbildungseinrichtungen und Organisationsstrukturen sind für künftige Kooperationen sehr aufgeschlossen. Hier sind nun die RVs bzw. ihre Interessensvertreter aufgefordert, entsprechende Ideen zu formulieren und zu konkretisie-ren. Allerdings darf es aus ökonomischen und ökologischen Gründen nicht alleine den KMUs überlassen werden, Abhilfe für ihre eigenen strukturellen Probleme zu finden. Denn sie leisten einerseits einen wich-tigen Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen und stehen andererseits exemplarisch für die Ziele der Agenda 21, indem sie sich bemühen, verantwortungsvolles Reisen im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung zu organisieren. Deshalb sind hier auch staatliche Organe und Ausbildungseinrichtungen aufgefordert, hinreichende Unterstützung zu gewährleisten, damit die inhaltlich hochmotivierten Anbieter eines umweltfreundlichen und sozialverantwortlichen Tourismus über geeignete Umsetzungsstrukturen verfügen.

Übersicht

Fördersumme

97.912,40 €

Förderzeitraum

19.06.2000 - 31.05.2003

Bundesland

Niedersachsen

Schlagwörter

Naturschutz
Umweltkommunikation