Projekt 16534/01

Forschungsvorhaben: Gewässerökologische Begleituntersuchungen zum Bau und Betrieb einer Wasserkraftanlage

Projektträger

Universität StuttgartInstitut für WasserbauLehrstuhl für Wasserbau u. Wasserwirtschaft
Pfaffenwaldring 61
70550 Stuttgart
Telefon: 0711/685-4752

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Über das Für und Wider von Kleinwasserkraftwerken wird kontrovers diskutiert. Insbesondere die Vielzahl der Ausleitungskraftwerke an den kleinen und mittleren Fließgewässern steht im Ruf, massive Eingriffe in die Gewässerlebensräume zu verursachen, welche durch die erzielten Energiegewinne nicht gerechtfertigt seien. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob mittels eines kohärenten Bündels an Schutzmaßnahmen eine gewässerökologisch weitgehend neutrale Wasserkraftnutzung möglich ist, oder ob sich mit gezielten Ausgleichsmaßnahmen für unvermeidliche Beeinträchtigungen sogar ökologische Verbesserungen erzielen lassen. Quantifizierende Untersuchungen der biotischen und abiotischen Veränderungen, welche auch Wirkungen der Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen berücksichtigen, wurden in Bezug auf Kleinwasserkraftanlagen und den damit verbundenen spezifischen Fragestellungen bislang kaum durchgeführt. In diesem Zusammenhang wurde eine interdisziplinäre, quantifizierende ökologische Begleituntersuchung zum Bau und Betrieb eines neuen Ausleitungskraftwerkes angestellt. Dabei wurden folgende Ziele verfolgt:
Ø Überprüfung der durch Expertenurteil festgelegten Mindestwasserregelung hinsichtlich der Sicherstellung der ökologischen Funktionsfähigkeit des untersuchten Gewässers.
Ø Überprüfung anhand eines Demonstrationsprojektes, ob mit dem Bau und Betrieb einer Kleinwasserkraftanlage unter Einbeziehung verschiedener Ausgleichsmaßnahmen eine gesamtökologisch positive Bilanz möglich ist.
Ø Verbesserung und weitere praktische Etablierung des am IWS entwickelten Simulationsmodells CASIMIR. Dabei wurde das Oberziel verfolgt, den erforderlichen Datenerhebungs- und Modellieraufwand kontinuierlich zu reduzieren und die Aussagekraft weiter zu steigern.
Ø Erweiterung der Grunddatenbasis für die fortwährende Entwicklung sowie die Validierung von CASIMIR


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenUntersuchungsobjekt war ein Ausleitungskraftwerk (installierte Leistung 320 kW) am Schwarzwaldfluss Elz, einem Seitengewässer des Oberrheins mit großer potenzieller Bedeutung als Laich- und Aufwuchsgebiet für Salmoniden einschließlich Langdistanzwanderfischen, wie den Atlantischen Lachs. Die WKA entstand im Zusammenhang mit dem Neubau einer Turbinenfabrik durch die Wasserkraft Volk AG. Die Genehmigung der WKA erfolgte wegen der großen naturschutzfachlichen Bedeutung des Flussabschnittes nur unter strengen gewässerökologischen Auflagen. Wichtige Kernelemente waren eine im Verhältnis sehr hoch angesetzte Mindestwasserabgabe von 1,5 MNQ sowie die Errichtung von Fischpässen an drei ehemaligen Wiesenbewässerungswehren und einem Pegel-Absturz. Die WKA ging im Frühjahr 2000 in Betrieb. Im selben Jahr wurden auch die Ausgleichsmaßnahmen umgesetzt.
Die ökologischen Auswirkungen der WKA wurden durch eine vergleichende Studie des Gewässerzustands vor, während und nach Bau und Inbetriebnahme der WKA erfasst. In den verschiedenen Projekt-phasen wurden jeweils biologische, hydromorphologische und chemisch-physikalische Untersuchungen in ausgewählten Probestrecken des Staubereichs, der Ausleitungsstrecke sowie in einer unbeeinflussten Referenzstrecke durchgeführt. Für die Dokumentation, Auswertung und Interpretation der erhobenen Daten wurde auch das Simulationsmodell CASIMIR eingesetzt. Die Habitateignung des Gewässers für ausgewählte Zeigerarten (Fische, Wirbellose) wurden sowohl ohne als auch mit Auswirkung der WKA simuliert. Anhand der Daten soll mittelfristig auch die Prognosefähigkeit des Modells hinsichtlich der biozönotischen Entwicklung und der Veränderung der Choriotope (Feinstrukturen) überprüft werden.


Ergebnisse und Diskussion

Die Untersuchungsbefunde zeigten für die freifließenden Abschnitte der Ausleitungsstrecke keine oder nur geringfügige Verschlechterungen: Sowohl die Makrozoobenthosproben als auch die Simulationsergebnisse belegen, dass der festgelegte Mindestabfluss für eine gewässertypische Habitatverteilung ausreicht. Die vergleichenden Elektro-Befischungen ließen bislang keinen negativen Trend erkennen. Die Modellierungen weisen für die Laich- und Aufwuchshabitate der Leitfischart Bachforelle (Salmo trutta f. fario), aber auch für Kleinfische, wie Schmerle (Barbatula barbatula) und Koppe (Cottus gobio), günstigere Bedingungen infolge der Wasserentnahme aus. Lokal wurden durch die Renaturierungen im Bereich der Rampen neue Habitate für adulte Bachforellen geschaffen. Für die gesamte Ausleitungsstrecke weist die Modellierung für die adulte Bachforelle jedoch einen deutlichen Habitat-Rückgang infolge der Wasserentnahme aus. Durch zusätzliche Renaturierungsmaßnahmen, z. B. durch Schaffung von naturnahen Uferbereichen (Fischunterstände), könnte dieser Rückgang zum Teil kompensiert werden. Negative Einflüsse beschränken sich bislang weitgehend auf vorhandene, künstlich rückgestaute Strecken. Hier kam es auf Grund der geringen Fließgeschwindigkeiten zu verstärkten Sandablagerungen und einer gewässeruntypischen Algendominanz. Die Herstellung der Durchgängigkeit an den vier Fischwanderhindernissen wirkte sich positiv auf das Gesamtbild aus, wenngleich die beiden halbtechnischen Fischpässe bislang voraussichtlich nur für schwimmstarke Fischarten funktionstüchtig sind. Hier sind Nachbesserungen wünschenswert. In der Zusammenschau lässt sich feststellen, dass das übergeordnete Schutzziel - der Erhalt der ökologischen Funktionsfähigkeit des WKA beeinflussten Gewässerabschnitts - dank effizienter Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen auch zwei Jahre nach Inbetriebnahme der WKA erfüllt ist. Der Anlage der Wasserkraft Volk AG kann bis dato ein vergleichsweise hoher Umweltstandard bescheinigt werden. Weitere ökologische Optimierungen sind möglich und sollten gezielt verfolgt werden. Hierzu wurden verschiedene Vorschläge unterbreitet. Weiteres Ergebnis der Studie war die Verbesserung des Habitat-Prognosemodells CASIMIR. Einzelne Programmmodule wurden für praxistaugliche Anwendungen optimiert und getestet, der erforderliche Datenaufwand konnte weiter reduziert werden. Resultat ist nach Abschluss des Projektes eine ausgereiftere und benutzerfreundlichere Datenerhebungs-, Modell- und Software-Technik. Anhand der gewonnenen Daten ist eine weitere Validierung der bestehenden Modellkomponenten, aber auch die Entwicklung von neuen Modellbausteinen möglich.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Ergebnisse der Studie werden in der Fachzeitschrift Wasserwirtschaft veröffentlicht und u. a. im Rahmen des Anwenderforums Kleinwasserkraft in Passau vorgestellt. Teile der Projektergebnisse fließen in ein Dissertationsvorhaben ein und werden dabei weiter vertieft und diskutiert. In Deutschland und der Schweiz wurden zwischenzeitlich mehrere Einführungslehrgänge für den technischen und fachlichen Umgang mit dem verbesserten Modellsystem CASIMIR durchgeführt. Auf direktem Wege wird so das Wissen unmittelbar an Fachleute aus anderen Hochschuleinrichtungen, privaten Büros sowie an Umwelt-, Fischerei- und Wasserbehörden weitergegeben. Eine weitere Schiene der Wissensverbreitung ist die universitäre Ausbildung. Fallbeispiel und Habitatmodellierung sind Bestandteil von Vorlesungen zu den Themen Fließgewässerökologie in der Ingenieurspraxis und Umweltverträglichkeitsprüfungen.


Fazit

Die Frage nach der gesamtökologischen Bilanzierung kann abschließend noch nicht beantwortet werden. Erst mit der mittelfristig erwarteten Rückkehr von Wanderfischen in der Elz um Bleibach wird sich der Erfolg der getätigten Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen vollständig zeigen. Aus den vorliegenden Ergebnissen kann jedoch die Schlussfolgerung gezogen werden, dass Dank effizienter Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen in Verbindung mit einer kontinuierlichen Funktionskontrolle, die Wasserkraftnutzung durch die WKA Volk bislang weitgehend im Einklang mit der Natur erfolgte. Die Anlage hat das Potential zu einer Demonstrationsanlage für eine gewässerökologisch verträgliche Wasserkraftnutzung weiterentwickelt zu werden. Dank der Unterstützung durch die DBU ist CASIMIR zwischenzeitlich zu einem auch international mitführenden Prognosemodell für praktische Aufgaben im Gewässerschutz geworden.

Übersicht

Fördersumme

96.944,52 €

Förderzeitraum

01.09.1999 - 08.10.2003

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter

Klimaschutz
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik