Projekt 35330/01

Club Nachhaltige Plastikverpackungen – Die Rolle der Konsumenten für eine erfolgreiche Transition zur Kreislaufwirtschaft

Projektträger

Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production CSCP gGmbH
Hagenauer Str. 30
42107 Wuppertal
Telefon: +49 202 45958 11

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Auf der Suche nach Lösungswegen für eine nachhaltige Entwicklung wird immer wieder große Hoffnung auf technische Ansätze gelegt. So entstehen hier etliche neue Ideen und Verfahren, welche in ihrer Grundidee sehr vielversprechend sind und ein großes ökologisches Entlastungspotenzial verheißen. Zu oft scheitern diese technischen Neuerungen jedoch am Markt und können sich nicht durchsetzen. Die Gründe hierfür sind vielfältig, fehlende Nutzerakzeptanz (tatsächlich auftretend oder auch nur befürchtet) spielt hierbei jedoch häufig eine entscheidende Rolle: Sei es aufgrund höherer Preise, aufgrund von Misstrauen gegenüber der Glaubwürdigkeit oder auch aufgrund (befürchteter) mangelnder Vereinbarkeit mit den Alltagsroutinen vieler Verbraucher*innen. Grundanliegen des Projekts ist es, Einstellungen, Wahrnehmungen und tatsächliches Verhalten von Verbraucher*innen bei der Entwicklung nachhaltiger/kreislauffähiger Verpackungen stärker zu berücksichtigen. Dabei sollen nicht nur das Verhalten der Verbraucher*innen, sondern auch der Entscheider*innen in Industrie und Handel besser verstanden werden, um auf beiden Seiten Hemmnisse für nachhaltige Verpackungsinnovationen zu identifizieren und abzubauen.

Gegenstand des Projekts war vor diesem Hintergrund zunächst die langfristige Einrichtung eines „Clubs für nachhaltige Verpackungslösungen“ mit dem Ziel, unter Beteiligung aller relevanten Stakeholdergruppen (Handel, KMU, Verbraucherorganisationen, NGOs, Wissenschaft u.a.) Erkenntnisse über Einstellungen und Verhalten der Konsumenten im Rahmen der Kreislaufwirtschaft in Initiativen und Handlungsempfehlungen zu übersetzen. Dies soll vor allem Handel und KMU bei der Einrichtung eines erfolgreichen – d. h. von Konsumenten mitgetragenen und so letztlich umweltentlastenden – Kreislaufsystems unterstützen. Die Arbeit im Club fokussiert dabei auf den Sektor Verpackungen und hierbei vorrangig (aber nicht ausschließlich) den Werkstoff Plastik. Der Club wird in regelmäßigen Workshops zusammengebracht, um Wissen zum Verbraucherverhalten im Hinblick auf die Kreislaufwirtschaft im Verpackungsbereich und die zentralen Herausforderungen zu bündeln. In einem Projekt des CSCP und der Stiftung Sitra werden auf EU-Ebene weitere Clubs („Consumer Insight Action Panels“) zu Elektronik und nach Möglichkeit auch zu Textil eingerichtet, welche den gleichen Ansatz nutzen werden. Hier ist eine enge Kooperation geplant.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenFür den Club konnte eine hilfreiche Mischung verschiedener Akteure gewonnen werden – darunter Einzelhändler, Systemgastronomieanbieter, Verpackungsunternehmen, Abfallsammler und -verwerter sowie Forschungseinrichtungen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Aufgrund seines Multi-Stakeholder-Charakters beherbergt der Club eine große Vielfalt an Perspektiven und vor allem komplementäre Kompetenzen und Erfahrungen. Zudem konnten als Vertreter der unterschiedlichen Organisati-onen Experten*innen mit unterschiedlichen Ausbildungen und Arbeitsschwerpunkten gewonnen werden.

Gemeinsam mit den Club-Mitgliedern wurden in einem mehrstufigen Prozess vier Verhaltensweisen von Verbraucher*innen als Herausforderung für eine stärkere Kreislaufführung von Verpackungsressourcen als Arbeitsprioritäten definiert. Die Reihenfolge und Intensität der Bearbeitung erfolgten in Abstimmung mit den Club-Mitgliedern vor dem Hintergrund der verfügbaren Ressourcen sowie in Abwägung der jeweils aktuellen Einschränkungen und Möglichkeiten:
• Kaufverhalten: Unverpackt bzw. besser verpackt: Verbraucher*innen fordern (z.B. bei Obst/ Gemüse) mehr Unverpacktes, kaufen aber mehrheitlich das Verpackte
• Verpackungsmythen: Verbraucher*innen orientieren sich an Verpackungsmythen und greifen nicht zur ökologisch vorteilhafteren Verpackung
• Trennen/Sortieren: Verbraucher*innen werfen Abfall und Wertstoffe nicht in die richtige Tonne (z. T. weil sie Verpackungsabfall nicht sortenrein trennen)
• Littering: Verbraucher*innen entsorgen ToGo-Behälter nicht im Mülleimer, sondern frei in der Um-gebung des jeweiligen Gastronomiebetriebs

Zu jedem Themenschwerpunkt wurden bzw. werden grob folgende Bearbeitungsschritte durchgeführt:
• Literaturrecherche: Welche Erkenntnisse zum Verbraucherverhalten und den zugrunde liegenden Handlungsmotivation gibt es bereits? Welche relevanten Fragen bleiben offen?
• Analyseplanung: Welche Thesen sollen im Rahmen einer Analyse überprüft werden? Welche Form der Analyse/Beobachtung ist hierfür zielführend (und in Zeiten von Corona-Einschränkungen durchführbar)?
• Durchführung Analyse/Beobachtung: Welche Thesen werden (nicht) bestätigt? Welche weiteren Erkenntnisse werden gewonnen?
• Ursachenanalyse/Lösungssuche: Welche Gründe/Muster/Mythen führen zum analysierten/beobachteten Verbraucherverhalten?
• Interventionsplanung: Welche Intervention (z. B. zu Norm, Einstellung, Gewohnheit, Umfeldfaktor) scheint geeignet, den jeweiligen Verhaltensherausforderungen entgegenzuwirken und Änderungen im Verbraucherverhalten zu fördern? Welche Zielgruppen sind besonders relevant und wie können diese gezielt angesprochen werden?
• Intervention: Wie erfolgreich wirkt die Intervention? Was muss ggf. verändert werden?
• Vermittlung der Erkenntnisse an KMU: Welche allgemeinen Erkenntnisse und Empfehlungen für die zirkuläre Entwicklung einer Verpackung und die Einbindung von Verbraucher*innen lassen sich ableiten? Wie können die Erkenntnisse zielgruppengerecht vermittelt werden?
• Ableitung von Politikempfehlungen: Welche Herausforderungen in diesem Themenfeld lassen sich besser oder sogar primär durch regulative Vorgaben angehen/lösen als durch unternehmerisches Handeln? Wie könnte ein entsprechender Regulierungsansatz aussehen?




Ergebnisse und Diskussion

Die Potenziale des Kreislaufprinzips zur Reduktion negativer Umwelteffekte sind enorm und es liegen große Hoffnungen auf diesem Prinzip für die Förderung eines nachhaltigen Produzierens und Konsumierens (EC 2015). Im Bereich Plastik und Verpackungen sind – neben einer signifikanten Entlastung der Meere und des Nahrungskreislaufs durch jedes Kunststoffelement, das nicht in die Umwelt gelangt - beispielsweise folgende positive Umwelteffekte zu nennen: Das Recycling von einer Million Tonne Plastik hat das gleiche CO2-Äquivalente-Einsparpotenzial wie eine Million weniger Autos auf der Straße (EC 2018). Laut Öko-Institut (2016) entlastet allein die Sammlung und Verwertung durch das Duale System in Deutschland die Umwelt pro Jahr heute um 1,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Die Versauerung der Böden sinke ebenso signifikant wie die Belastung durch Phosphatäquivalente. Darüber hinaus würden fossile energetische Ressourcen, beispielsweise Kohle und Öl, durch das Duale System geschont.

Entsprechend größer könnten diese positiven Umwelteffekte werden, wenn die Menge der Verpa-ckungskunststoffe, die bisher nicht in den Kreislauf zurückgeführt werden, reduziert wird. Die systematische Einbindung der Konsumentenperspektive ist hierbei ein vielversprechender und notwendiger Ansatz, um diese Lücke zu schließen und die Potenziale des Recyclings auszuschöpfen (EC 2018).

Die Einrichtung von Clubs ist in diesem Zusammenhang ein neuer Ansatz, um sektorenspezifische Lösungen für die Einbindung der Konsumentenperspektive in zentrale Umweltherausforderungen zu finden und vielversprechenden Lösungsstrategien wie der Kreislaufwirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen. Die grundlegende Vorgehensweise – Sammlung von Wissen, Identifikation zentraler Herausforderungen, Auswahl praxistauglicher Lösungsstrategien sowie Ableitung von Handlungsempfehlungen und Weiterbildungsformaten – lässt sich auf andere Sektoren und auch andere Lösungsansätze übertragen. Dies wird im Rahmen des Projekts bereits durch den engen Austausch mit einem von der Stiftung Sitra geförderten Projekt zum Sektor Consumer Electronics stattfinden, um einerseits sektoren-spezifische und andererseits sektorenübergreifende Lösungspfade für die Kreislaufwirtschaft identifizieren zu können.

Die erste Projektphase war geprägt von der Etablierung des Clubs, der Identifizierung relevanter Verhaltensherausforderungen, umfangreicher Literaturrecherche und der Durchführung erster eigener Analysen. Sehr aufschlussreich war in diesem Zusammenhang die Analyse des Trenn- und Sortierverhaltens von 14 Haushalten unterschiedlicher Größe beim Städtepartner Solingen. Während die Trennung in Verpackungs- und Restabfall in weiten Teilen den Vorgaben entsprach, traten Herausforderungen insbesondere beim Trennen von Mehrkomponentenverpackungen wie Joghurtbechern (mit Pappbanderole) deutlich zutage. Darüber hinaus konnten weitere Hemmnisse für das Recycling von Plastikverpackungen identifiziert werden, wie z. B. das Ineinanderstopfen von Folien und Schalen aus unterschiedlichen Kunststoffen.

Als weiteres besonders relevantes Hemmnis zur Schließung von Ressourcenkreisläufen traten in den Diskussionen neben der Entsorgungsseite zunehmend das Kaufverhalten und damit verbundene Risiken zutage. Anbieter etablierter Produkte scheuen demnach in der Regel den Umstieg auf recyclingfähige Verpackungsalternativen, da dies in der Regel mit Aufwand, Absatzrisiken, Investitionen und Mehrkosten verbunden ist:
• Aufwand, da eine Verpackung gestaltet, ggf. auch beworben und Prozesse hierfür verändert werden müssen,
• Absatzrisiken, da eine etablierte und erfolgreiche Verpackung verändert wird, mit der Gefahr, dass hierdurch Wiedererkennbarkeit und/oder Kundenakzeptanz geschwächt wird,
• Investitionen braucht es insbesondere dann, wenn Abfüllprozesse verändert und Verpackungsma-schinen an neue Anforderungen angepasst werden müssen,
• Mehrkosten sind dann zu erwarten, wenn komplexe Barriere- und Schutzanforderungen, wie z. B. bei Lebensmittelprodukten, durch aufwändigere Monomaterialschichtlösungen recyclingfähiger werden sollen. Hier muss mit dauerhaften Verpackungsmehrkosten von aktuell etwa 10 - 20 % ge-rechnet werden.

Um dennoch eine zügigere Umstellung auf kreislauffähige Verpackungsansätze zu fördern, sehen die Club-Mitglieder zum einen die Politik mit entsprechenden Regulierungsvorgaben als wichtigen Impulsgeber. Darüber hinaus möchte der Club selbst stärker aktiv werden, um insbesondere den Aspekt der Absatzrisiken auf Seiten der Verbraucher*innen besser zu verstehen und wirksame Interventionen zu entwickeln. Chancen bietet vor allem die Substitution von Einwegverpackungen durch Alternativen, die eine Mehrfachnutzung ermöglichen und fördern. Gerade sie sind es jedoch auch, die einen grundlegenden Wandel der Verbraucherroutinen erfordern. Ein wichtiges Ziel des Clubs für die zweite Projektphase ist es daher, die Bereitschaft der Verbraucher*innen für einen solchen Systemwechsel zu verstehen, vor allem aber auch die Hindernisse, die einen solchen Wandel der Routinen erschweren.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Der dezidierte Fokus des Projekts auf das Verbraucherverhalten kann nicht mit einem Ausblenden ergänzender Initiativen und Entwicklungen einhergehen. Um dem Ziel einer stärkeren Berücksichtigung von Verbraucher*innenverhalten Rechnung zu tragen, braucht es eine Vernetzung mit ähnlichen oder ergänzenden Projekten und Initiativen. In vielen Bereichen fungieren die Club-Mitglieder bereits als hilfreiche Schnittstellen zu anderen Initiativen und tragen neue Entwicklungen in die Club-Workshops. Auf diese Weise bestehen z. B. Verbindungen zum Rezyklat-Forum, zur Zentralen Stelle Verpackungsregister und zu diversen Forschungsprojekten. Die Verbände und Handelsunternehmen im Partnernetzwerk des CSCP sind wichtige Multiplikatoren und werden in diese Aktivitäten einbezogen. Darüber hinaus wird das Projekt im engen Austausch mit dem Sitra-geförderten Projekt zu Elektronik stehen, um branchenübergreifende Erkenntnisse und Lösungswege zu generieren. Diese Kooperation soll zudem die Kommunikation auf EU-Ebene und damit eine internationale Strahlkraft des Projekts ermöglichen.

Die Projektergebnisse werden über den Club hinaus verbreitet und implementiert:
Unter https://www.ciap-circular.eu wurde eine englischsprachige Landingpage für das übergeordnete Projekt erstellt, auf der Besucher*innen neben dem Verpackungsthema auch weitere Informationen zum gerade gestarteten Electronics Club und dem weiterhin relevanten, aber noch nicht implementierten Textil-Club finden können. Auch auf den Seiten der EU findet sich hierzu eine Kurzbeschreibung: https://circulareconomy.europa.eu/platform/en/about/cg-activities-documents/consumer-insight-action-panel

Ein besonders großes Medienecho fand die Analyse von Haushaltsabfällen in Solingen. Die liegt als Ergebnispräsentation vor. Über die Aktion wurde von lokalen Zeitungen sowie einem Radiosender und dem WDR-Fernsehen berichtet.



Fazit

Der Club für nachhaltige Verpackungslösungen zeigt innovative Ansätze auf, wie Erkenntnisse über das Handeln der Konsumenten in Lösungen zur Kreislaufwirtschaft integriert werden können. Neu ist nicht nur diese systematische Konsumentenperspektive, sondern auch die Erweiterung herkömmlicher Stakeholderdialoge um einen zielgerichteten Action-Plan Richtung Lösungsstrategien. Handel und KMU erhalten einen direkten, praxisrelevanten Mehrwert durch:
• Konkrete Handlungsempfehlungen
• Ein Weiterbildungs-Format, das sie für sich und ihre Mitarbeiter nutzen können
• Einen umfassenden Wissenspool zu den Hintergründen des Konsumentenverhaltens, zu den zentralen Herausforderungen in den jeweiligen Clubs und zu praktischen Lösungsansätzen inkl. Sammlung von Best Cases

Für die Umstellung auf kreislauffähigere Verpackungen seitens der Anbieter wurden in der ersten Projektphase eine Reihe relevanter Hemmnisse identifiziert. Da der Wechsel von schlecht rezyklierbaren Mehrkomponentenverpackungen hin zu Monomateriallösungen kaum noch eine technische, sondern vor allem eine Kostenfrage darstellt, braucht es hier vor allem strengere gesetzliche Vorgaben, um die benötigte zirkuläre Transformation zu beschleunigen. Wollen wir jedoch den grundlegenderen Wandel hin zu stärkerer Wieder- und Mehrfachnutzung fördern, gilt es umso mehr, die entsprechenden Nutzungsanreize und Hemmnisse auf Seiten der Verbraucher*innen zu verstehen. Wenn es hierdurch gelingt, mit geeignetem Angebotsdesign und begleitenden Interventionen das Interesse an und die Akzeptanz für solche „Reuse“-Ansätze zu steigern, bauen wir damit eine wesentliche Brücke für Industrie und Handel, um ihrerseits radikalere Lösungen zu testen und zu implementieren. Dies wird ein wesentlicher Baustein der zweiten Projektphase.

Übersicht

Fördersumme

119.221,00 €

Förderzeitraum

01.08.2019 - 31.07.2020

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter

Landnutzung
Ressourcenschonung
Umwelttechnik