Deutsches Schifffahrtsmuseum
Leibniz-Institut für Maritime Geschichte
Hans-Scharoun-Platz 1
27568 Bremerhaven
Das interdisziplinäre Projekt des Deutschen Schifffahrtsmuseums und des Instituts für werkstofforientierte Technologien soll innovative, umweltverträgliche und kostenschonende Methoden zum Erhalt von Museumsschiffen zu entwickeln. Im Rahmen des Projektes soll die Infrarotthermografie an Modellproben aus Schiffbaustahl und im weiteren Verlauf direkt an einem Museumsschiff des DSM, des Wahlfangbootes RAU IX, erprobt werden. Thermographische Verfahren wie die Lock-In oder Blitz-Thermographie dienen der zerstörungsfreien Strukturprüfung. Sie kommen bereits in verschiedenen Bereichen der Materialprüfung, aber auch der Kulturgutkonservierung - etwa der historischen Bauforschung - an Land zum Einsatz.
Thermografische Verfahren sind jedoch noch nicht an historischen Schiffen und großen Stahlobjekten angewandt worden. Der Zustand des Schiffabustahl konnte bisher nur in zeit- und kostenaufwendiger Inspektion durch Taucher erfolgen. Es gilt mehrere methodische Hürden zu überwinden, die dem Projekt seinen innovativen Charakter verleihen. Allein die Messung an Stahlteilen von mehreren Millimetern Dicke, die durch lokalen Kontakt mit Wasser Unterschiede in der Wärmeableitung erfahren werden, stellen eine gewisse Herausforderung für die aktiven Thermografieverfahren dar.
Im Erfolgsfall verringert das Projekt den Ressourceneinsatz zur Rettung historischer schwimmender Großobjekte aus Schiffbaustahl in einer drastischen Weise, die zwischen 60-70% liegt. Nicht nur ist es dann möglich, aktuelle Schiffbaustahlstärken wesentlich großflä-chiger und kostengünstiger zu bestimmen, sondern es ist vielmehr auch möglich, einen nachhaltigen, da realistischeren Instandhaltungszyklus zu etablieren, der mehr auf den behutsamen Erhalt als auf großflächigere Erneuerung setzt.
Das Projekt soll modellhaft an der RAU IX, einem 1939 gebauten Wahlfänger, der heute ein Museumsschiff des DSM ist, erprobt werden. Neben der Untersuchung des für die Schwimmfähigkeit entscheidenden Unterwasserschiffs liegt ein besonderes Augenmerk auch auf den Decksaufbauten, die durch Regen ebenfalls der Korrosion ausgesetzt sind. Die an der RAU IX gewonnenen Erkenntnisse sind auf andere Museumsschiff übertragbar und sollen über Workshops und Publikationen auch anderen Museen und Vereinen, die historische Stahlschiffe unterhalten, zugute kommen.
In einem ersten, einmontigem, Schritt evaluiert das IWT die aktive Infrarotthermographie für diesen konkreten Anwendungsfall. Ziel ist es, das am besten geeignete Verfahren zur zerstörungsfreien Bestimmung der Wandstärke an Schiffbaustählen zu identifizieren. Hierbei kommen die Lock-in, Impuls- bzw. Laser-Thermographie in Betracht. Die Verfahren unterscheiden sich, wie oben beschrieben – mit Blick auf die Eindringtiefe in das Material, die genutzten Energiequellen, die Anregungszeiten sowie Auswertungsmethoden. Für die Evaluierung werden Stahlplatten mit idealisierten Fehlern verwendet, die lokal eine Verringerung der Wandstärke unterschiedlicher Tiefe bilden und somit modellhaft einem korrosiven Angriff nahekommen. Zudem stellt das DSM eine vorhandene Stahlplatte des Museumsschiffs Elbe 3 aus dem frühen 20. Jahrhundert zur Verfügung, welche beim letzten Werftaufenthalt aus dem Rumpf des Schiffes entnommen wurde. Die Probenfläche verfügt über damals übliche Nietübergänge und weist typische korrosive Schädigungen auf. Gleichzeitig recherchiert das DSM in historischer Quellenarbeit die Nutzungs- und Wartungsgeschichte der RAU IX, um Aufschlüsse über den Zustand des Schiffbaustahls zu erhalten. Dies ist notwendig, um etwaige Messergebnisse am Schiff besser einordnen zu können. Ein interdisziplinärer Workshop soll Fachleute aus dem Bereich des musealen und industriellen Thermografieeinsatzes zusammenbringen, um die Ausrichtung des Projekts zu diskutieren.
Im zweiten, fünfmonatigen Projektschritt soll das ausgewählte Verfahren dann an der Rau IX im praktischen Einsatz erprobt werden. Die so gewonnenen Erkenntnisse können unmittelbar für den in Kürze anstehenden Werftaufenthalt der RAU IX genutzt werden und lassen sich während des Trockendockaufenthaltes zudem deutlich leichter von außen durch Sichtprüfungen und Restwandstärkenmessungen mittels Ultraschalls überprüfen. In einem zweiten Wortkshop sollen die ersten Projektergebnisse diskutiert werden. Zudem ist eine Informationsreihe in Form von fish-bowl-Diskussionen im DSM über die Projektergebnisse mit der breiteren Öffentlichkeit vorgesehen.
Am Ende des Projekts soll die Veröffentlichung eines deutsch-englischen Open-Access-Manuals stehen, das im Rahmen einer Vortrags- und Diskussionveranstaltung im DSM und auf Englisch online im Kreis des International Councils of Maritime Museums vorgestellt werden soll.