Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR)
German Aerospace Center (DLR)
Rudower Chaussee 7
12489 Berlin
In dem Projekt SensorKids wurden Schülerinnen und Schüler einer Grundschule im Berliner Graefekiez aktiv als Co-Forscher/innen in das dort stattfindende Reallabor eingebunden. Über die Dauer des Projekts beforschten die Kinder die Auswirkungen von Maßnahmen wie Parkplatzreduktionen und Verkehrsberuhigungen auf ihre eigene Mobilität, ihre Raumaneignung sowie auf ihren Stadtraum und die Umwelt. Als Co-Forscher/innen arbeiteten sie in Kooperation mit Schule und dem Projektteam. Zudem konnten sie erleben, welchen Unterschied das Reallabor in ihrem Kiez macht und wie dieses zur Verkehrswende beiträgt. Das Projekt beteiligte sich in einer Kooperation mit verschiedenen Wissenschaftseinrichtungen, mit einem Fokus auf der Mobilität von Grundschulkindern im Kiez. Die Verkehrsberuhigung wurde von den Kindern von Anfang an begleitet. Mit partizipativen Forschungsmethoden wurde der Einfluss der Verkehrsberuhigung auf Schulwegmobilität, Verkehrsmittelnutzung der Kinder und Raumaneignung der Kinder untersucht. Zudem wurden die subjektive und objektive Auswirkungen von verkehrlicher Umgestaltung auf Verkehr, Lärm und Luftschadstoffe auf dem Schulweg und Schulgelände erforscht. Dabei wurden die Kinder zu Co-Forscher/innen und haben gemeinsam mit dem Kooperationspartner sense:box ihre eigene Feinstaubbelastung im Schulumfeld gemessen, begingen und evaluierten mithilfe von partizipativen Methoden den Straßenraum vor der Schule und explorierten ihre Mobilität.
Zudem fanden an mehreren Straßen im Graefekiez Schallpegelmessungen statt, um Veränderungen des Verkehrslärms zu untersuchen. Gleichzeitig wurden Simulationsszenarien erstellt, um die Auswirkungen der Umgestaltungsmaßnahmen auf den Verkehr zu untersuchen. In dem Projekt wurden dabei nicht nur die Auswirkungen einer Verkehrsberuhigung auf Mobilität und Umwelt untersucht, sondern auch die methodischen und pädagogischen Anforderungen an die Zusammenarbeit mit Kindern im Verkehrswendeprozess erforscht und in einem Leitfaden zusammengefasst.
Das Projekt SensorKids fand im bezirklichen Reallabor Graefekiez in Berlin statt. Während des Reallabors fand im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg im Graefekiez eine Verkehrsberuhigung und Neunutzung von mehreren Parkplätzen entlang der Böckhstraße und Graefestraße statt, die im Juni 2023 umgesetzt wurden. Dabei wurden Parkplätze zu Aufenthaltsflächen, einem ‚grünen Klassenzimmer‘, einer Kiezterasse oder Fahrradständern und Mobilitätsstationen umgebaut. Teilweise wurden sie entsiegelt und begrünt. Im Rahmen des Projekts SensorKids begleitete unser Projektteam mit Schülerinnen und Schülern einer sich in der Böckhstraße befindenden Grundschule die Umgestaltung, indem die Schülerinnen und Schüler als Co-Forscher/innen mit den Forschenden zusammen arbeiteten. Es wurden verschiedene Aktivitäten in Zusammenarbeit mit der Lehrkraft geplant und umgesetzt, um die Auswirkungen der Umgestaltung zu untersuchen und für Kinder erlebbar zu machen. Gleichzeitig sollten die Anforderungen von Kindern an Straßenraumgestaltung exploriert werden. Zudem wurden methodische Möglichkeiten für die Zusammenarbeit mit Kindern bei Straßenraumumgestaltung ausgetestet und evaluiert. Diese wurden im Vorfeld über ein Datenschutzkonzept sowie einen Ethikantrag zur Zusammenarbeit mit Kindern abgesichert. Das Projekt fand in enger Kooperation mit anderen Forschungseinrichtungen und dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg statt, die mit weiteren Forschungsschwerpunkte im Graefekiez tätig waren. In Kooperation mit der Schule und dem Reallabor-Konsortium fanden im Projekt SensorKids folgende Aktivitäten statt:
• Messung von Lärm (Schallpegel) im Kiez und Modellierung von Verkehr
• Messung von Luftschadstoffen und Lärm mittels der für Bildungseinrichtungen nutzbaren sense:Box (https://sensebox.de/) sowie DLR-Messgeräten
• Führen eines Mobilitätstagebuchs durch Schülerinnen und Schüler und Erleben der Veränderungen des städtischen Raums im Schulumfeld
• Kiez-Spaziergänge (Walking Interviews), Fotografieren mit Fokus auf Mobilität und Umweltwahrnehmung, Aneignung des Straßenraums
• Erarbeiten von eigenen Ideen, was auf wegfallenden Parkplätzen entstehen könnte: z.B. Fahrradbügel, Spiel-/Begegnungsraum
• Diskussion und Kommunikation der Ergebnisse: Kinder geben eine Ausstellung der Ergebnisse vor Bezirksamtsvertreter/innen unter Einbeziehung der erlebten Veränderungen
• Erarbeitung eines Leitfadens der angewendeten Methoden
Kinder als Co-Forschende
Das Projekt hat umfangreiche Erkenntnisse zu Mobilitätsverhalten und Raumaneignung von Kindern im Kontext von Straßenraumumgestaltung geliefert. Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder Orte für soziale Interaktion und Konsum wünschen, wie Eisdielen, Cafés oder Shops. Sie bevorzugen auch Grünflächen, ästhetische Stadtstrukturen und Tiere sowie Orte für sportliche Aktivitäten und Spielplätze. Sie haben auch Wünsche nach sauberer Luft, weniger Lärm und mehr Grünflächen geäußert.
Das Projekt hebt insgesamt die Bedeutung der Einbeziehung von Kindern in die Stadt- und Verkehrsplanung hervor. Kinder haben kreative Ideen, die jedoch oft "übersetzt" und realistisch angepasst werden müssen, um sie in die Planung einzubeziehen. Die Ergebnisse haben zudem gezeigt, dass Kinder durch ihre Einbeziehung als Co-Forschende Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen gewinnen können. Sie werden zu "aktiven Veränderern", wenn sie in ein Projekt mit realer Umsetzung eingebunden sind, welches sie selbst und ihr Schulumfeld betrifft.
Schallpegelmessungen
Die Lärmbelastung im Graefekiez wurde an drei Mikrofonpositionen gemessen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Lärmbelastung während der Nachtstunden minimiert ist und in den Morgenstunden ansteigt. Die Schalldruckpegel liegen zwischen 55 und 70 dB. Es wurden zudem Simulationen aufgrund des Verkehrsaufkommens berechnet. Die simulierten Ergebnisse wurden mit den Messungen verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Simulationen die erwartete Zunahme des Straßenverkehrslärms in den Morgenstunden und die relativ hohen Lärmpegel während des Tages nachbilden. Es gibt jedoch Unterschiede zwischen den simulierten und gemessenen Werten, insbesondere in den Nachtstunden, die auf Lärmquellen außerhalb des Straßenverkehrs zurückzuführen sein kann.
Modellierung von Lärm und Verkehr
Die Auswirkungen von Maßnahmen auf die Mobilität und den Verkehr wurden simuliert mithilfe der Programme TAPAS und SUMO. Hierzu wurden drei Szenarien berechnet in unterschiedlichen Maßnahmenstufen. Die Auswertungen zeigen, dass die Maßnahmen zu einer Änderung der Verkehrsmittelwahl führen, insbesondere zu einer Reduktion des Pkw-Anteils. Die Ergebnisse zeigen auch, dass die Maßnahmen zu einer Reduktion der Verkehre im Gebiet führen, ins
Die Ergebnisse der Simulationen können verwendet werden, um die Auswirkungen von Maßnahmen auf die Mobilität und den Verkehr im Graefekiez zu bewerten und um Entscheidungen über die Umsetzung von Maßnahmen zu treffen.
Die Ergebnisse wurden auf wissenschaftlichen nationalen und internationalen Konferenzen vorgestellt, die sowohl für die wissenschaftliche als auch die praxisorientierte Fachcommunity ausgerichtet sind:
• Symposium "Forschung zur integrativen Mobilitätswende des WZB
• Zwischenbilanzkonferenz des Projekts Graefekiez „Städte ohne Parkplätze“ des WZB
• Konferenzen: Royal Geographic Society (RGS) Annual International Conference (RGS – IBG); DECOMM 2025; Walk21; Deutscher Kongress für Geographie 2023
Im November 2024 fand die gemeinsame Online-Abschlussveranstaltung des WZB und des DLRs statt, bei dem alle während des Projekts beteiligten und involvierten Projektpartner eingeladen waren.
Der im Projekt erstellte Leitfaden wurde veröffentlicht und über die Kanäle der Öffentlichkeitsarbeit verbreitet. Eine wissenschaftliche Publikation der Ergebnisse aus der Zusammenarbeit ist geplant. Zudem arbeitet das Projektteam an zwei übergreifenden Publikationen in Kooperation mit u.a. dem Wissenschaftszentrum für Sozialforschung (WZB), dem RIFS, in denen die Partizipation unterschiedlicher Gruppen während der Umgestaltung des Graefekiezes diskutiert wird.
Das Co-Forschen mit Schülerinnen und Schülern während einer Straßenraumumgestaltung hat sich bewährt. Die eingesetzten Methoden waren vielversprechend, um die Wünsche und Anforderungen von Kindern an den Straßenraum zu untersuchen. Die Schülerinnen und Schüler haben Inhalte zum Thema Luftschadstoffe, Lärm und Verkehr erlernt und erfahren, wie ein Forschungsprojekt gestaltet wird.
Die Ergebnisse haben gezeigt, dass Kinder Orte für soziale Interaktion und Konsum wünschen, wie Eisdielen, Cafés oder Shops. Sie bevorzugen auch Grünflächen, ästhetische Stadtstrukturen und Tiere. Die Wünsche nach gesunder Luft und Ruhe entlang von Grünflächen sowie nach sozialer Sicherheit, Sauberkeit und Wartung von Stadtmöbeln wurden ebenfalls deutlich.
Die Kombination aus lokalen Lärmmessungen und Simulationen des Verkehrslärms ist eine sinnvolle Praxis, um die Lärmsituation eines Gebiets zu bewerten. Die Methodik zur Simulation der Auswirkungen von Maßnahmen hat sich bewährt, die zukünftig aufbauend auf den hier erreichten Erkenntnissen weiterentwickelt wird.
Die Ergebnisse können Lösungsansätze für Stadtgestaltungen verändern und neue Blickwinkel in der Gestaltung von Straßenraum eröffnen. Der Leitfaden, der aus dem Projekt entstanden ist, kann neue Ideen und Anregungen für zukünftige Projekte in der Zusammenarbeit mit Kindern für Umgestaltungsmaßnahmen in Quartieren geben.