Hochschule für Technik Stuttgart
Schellingstr. 24
70174 Stuttgart
Die Fläche Deutschlands wird zu 50,6% landwirtschaftlich und mit weiteren 14,5% mit Flächen für Siedlung und Verkehr genutzt. Innerhalb der Siedlungs- und Verkehrsflächen nehmen Gewerbegebiete einen Anteil von 18,6% ein. Flächen des Gewerbes (GHD) stellen somit neben den baulichen Flächen für Wohnen und Industrie einen signifikanten Anteil innerhalb der genutzten Flächen dar. Gewerbegebiete befinden sich zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm- und Schadstoffemissionen oftmals am Stadtrand, wo sie auf ebenfalls produktive Flächen der Landwirtschaft treffen. So auch im Projektgebiet des iba27 Vorhabens „Argiculture meets Manufacturing“ in Fellbach.
Bisher gab es keinerlei Synergien zwischen diesen beiden produktiven Teilräumen. Betrachtet man die jeweiligen Stoff- und Ressourcenströme beider genauer, lassen sich ganz unterschiedliche theoretische Potenziale der Synergiebildung identifizieren. Fällt in Gewerbestrukturen große Mengen Abwasser, CO2, Regenwasser und Abwärme an, benötigt die Landwirtschaft ebendiese Ressourcen zum Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Beide Nutzungen dieser produktiven Räume eint zudem ein starker Anpassungsdruck hinsichtlich der Auswirkungen des Klimawandels. Sowohl das in Fellbach zu 67% versiegelte Gewerbegebiet, als auch große einheitliche Anbauflächen der angrenzenden Landwirtschaft haben eine geringe Speicherfähigkeit von anfallendem Regenwasser. Starkregen stellt beide Nutzungen vor große Herausforderungen hinsichtlich lokaler Überflutung (im Gewerbe) oder Bodenerosion (in der Landwirtschaft). Auch sind diese beiden produktiven Räume bisher wenig klimatisch aktiv. Das Fellbacher Gewerbegebiet leistet somit keinen signifikanten Beitrag zur Grundwasserneubildung, oder zur Verdunstung. Im Gegenteil: Hier befinden sich aufgrund der hohen Versiegelungsgrade die größten städtischen Hitze-Hotspots. Auch die landwirtschaftlich genutzten Flächen können je nach Bodenbeschaffenheit ebenfalls einen erhöhten Abfluss aufweisen. Zudem kann durch Düngereinträge das Grund- und Oberflächenwasser belastet werden. Durch den zunehmenden Klimawandel steigen in der Landwirtschaft (die global betrachtet bereits den größten Wasserverbraucher darstellt) perspektivisch der Wasserbedarf.
Das Vorhaben Pro.La-Fellbach der Hochschule für Technik Stuttgart und der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden fokussiert auf die Identifizierung von Ressourcen und Synergien nachhaltiger Wasserkreisläufe zwischen lokalem Gewerbe und Landwirtschaft.
Zur Entwicklung von Konzepten einer nachhaltigen Wassernutzung werden folgende Schritte umgesetzt:
Ermittlung des derzeitigen und zukünftigen Regenwasserhaushalts
Quantifizierung und Qualifizierung des Abwasseraufkommens
Hierfür werden entsprechende Potenzialstudien mit jeweils eigenen methodischen Verfahren durchgeführt. Die Regenwassermengen werden gem. DWA Bemessungen sowie anhand von GIS Analysen durchgeführt. Die Abwassermengen werden über Abfragen zu Quantitäten und Quantitäten der Abwasserbetriebe erfasst. Gleichzeitig werden über Typsierungsansätze sowie Abfragen von spezifischen Werten über die lokal ansässigen Betriebe weitere Näherungen vorgenommen.
Die gewonnenen Daten werden zu einem virtuellen Wasserstrommodell zusammengesetzt. Dieses bildet die Grundlage für den Entwurf von alternativen Wassernutzungskonzepten.
Das Forschungsprojekt „Pro.La-Fellbach“ untersucht Wasserpotenziale in Gewerbegebieten sowie mögliche Synergien mit angrenzender Landwirtschaft. Ziel ist es, nachhaltige Strategien zur Wassernutzung und Klimaanpassung zu entwickeln, insbesondere im Hinblick auf die Speicherung und Nutzung von Regen- und Abwasser.
Die Analyse des Regenwasserhaushalts im Fellbacher Gewerbegebiet zeigt, dass 67 % der Fläche versiegelt sind, was zu hohen Abflussmengen und einer geringen Verdunstungs- sowie Versickerungsrate führt. Modellrechnungen ergeben, dass durch eine Kombination aus Begrünungs- und Entsiegelungsmaßnahmen der Abfluss um bis zu 32 % reduziert und der Wasserhaushalt in Richtung eines naturnahen Systems verbessert werden kann. Dabei wird deutlich, dass Dachbegrünungen allein nicht ausreichen, sondern großflächige Freiraummaßnahmen notwendig sind.
Zur Sensibilisierung lokaler Akteure entsteht das interaktive Tool „Urban Water Potentials“. Dieses ermöglicht es, verschiedene Begrünungsszenarien zu simulieren und ihre Auswirkungen auf Wasserhaushalt und Kosten zu analysieren. Das Tool bietet somit eine praxisnahe Grundlage für kommunale Planungen und Investitionsentscheidungen.
Darüber hinaus untersucht das Projekt die potenzielle Nutzung von Regenwasser aus dem Gewerbegebiet zur Bewässerung der angrenzenden Landwirtschaft. Die Analysen zeigen, dass Angebot und Nachfrage zeitlich stark variieren. Besonders in Trockenperioden, wenn der Bewässerungsbedarf am höchsten ist, steht nur wenig Regenwasser zur Verfügung. Zur Überbrückung dieser Diskrepanz wären Speichervolumen von über 36.000 m³ erforderlich, was wirtschaftlich und baulich kaum realisierbar ist. Alternativ könnte die Kombination mit aufbereitetem Grauwasser Potenziale bieten, bedarf aber weiterer Untersuchungen.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung in Gewerbegebieten durch gezielte Begrünungsmaßnahmen sowie eine Trennung und alternative Nutzung von Wasserströmen erheblich verbessert werden kann. Die entwickelten Methoden und Konzepte sind auf andere Gewerbegebiete übertragbar und liefern wertvolle Grundlagen für zukünftige Forschungs- und Umsetzungsprojekte.
Die Ergebnisse des Projekts „Pro.La-Fellbach“ wurden im Rahmen mehrerer Veranstaltungen vorgestellt, um Fachkreise, Kommunen und die interessierte Öffentlichkeit für nachhaltige Wasserbewirtschaftung in Gewerbegebieten zu sensibilisieren.
Ein besonderes Highlight war die Präsentation auf der Woche der Umwelt am 4. und 5. Juli 2024 im Schloss Bellevue, Berlin. Das Projektteam stellte dort die bisherigen Analysen zu Regenwasser-, Trink- und Abwasserpotenzialen vor, die in das digitale Tool „Urban Water Potentials“ überführt wurden. Die interaktive Darstellung der Daten stieß insbesondere bei kommunalen Vertreter*innen auf großes Interesse, da das Tool die Auswirkungen verschiedener Maßnahmen zur Regenwasserbewirtschaftung anschaulich visualisiert.
Zusätzlich war das Projektteam in verschiedene Fachveranstaltungen eingebunden:
20.11.2023: Teilnahme an der 2. Gebietskonferenz zum IBA-Projekt „Agriculture meets Manufacturing“.
17.05.2023: Beteiligung am Workshop zur Integration des ISEK für das IBA-Projektgebiet.
14.07.2023: Vorstellung erster Zwischenergebnisse auf dem IBA-Fokustag „Produzieren“ in Fellbach, im Rahmen des IBA’27-Festivals 2023.
Diese Veranstaltungen ermöglichten einen intensiven Austausch mit Expert*innen.
Das Projekt „Pro.La-Fellbach“ zeigt, dass Gewerbegebiete erhebliche ungenutzte Wasserpotenziale aufweisen und gleichzeitig stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Die Untersuchungen verdeutlichen, dass eine nachhaltige Transformation dieser Gebiete durch gezielte Maßnahmen wie Begrünung, Entsiegelung und optimierte Wassermanagementstrategien möglich ist. Besonders die Analyse des Regenwasserhaushalts im Fellbacher Gewerbegebiet zeigt, dass durch eine systematische Anpassung der Oberflächenstruktur der Regenwasserabfluss um bis zu 32 % reduziert werden kann, wodurch sich die Verdunstungsrate und das lokale Klima verbessern lassen.
Ein innovativer Ansatz war die Entwicklung des digitalen Tools „Urban Water Potentials“, das nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse verständlich aufbereitet, sondern auch als Entscheidungshilfe für Kommunen und Gewerbetreibende dient. Der interaktive Ansatz hat sich als sehr vielversprechend erwiesen, insbesondere im Hinblick auf die Sensibilisierung von Stakeholdern.
Die Untersuchungen zum Regenwassertransfer zwischen Gewerbe und Landwirtschaft zeigen jedoch auch die Grenzen dieses Ansatzes. Die notwendige Speicherung großer Wassermengen stellt eine erhebliche Herausforderung dar, sodass alternative Lösungen wie die ergänzende Nutzung von Grauwasser weiter erforscht werden sollten.
Insgesamt bestätigt das Projekt die hohe Relevanz nachhaltiger Wasserkonzepte in Gewerbegebieten. Die gewählte Vorgehensweise hat sich bewährt.