In diesem Promotionsvorhaben werden die Governance-Strukturen und Planungsprozesse von Wasserstoffinfrastrukturen in Schleswig-Holstein, Deutschland und der Normandie, Frankreich untersucht. Dabei wird eine Politische Ökologie der Wasserstoffinfrastrukturierung formuliert und ein qualitativer ethnografischer Forschungsansatz im Rahmen einer ‚multi-sited comparison‘ verwendet.
Grüner Wasserstoff wird als wichtige Technologie für den Übergang zu erneuerbaren Energien und die Dekarbonisierung der Industrie gesehen. Staaten investieren viel in die Technologie sowie in den Aufbau der dafür notwendigen Infrastruktur, da diese als entscheidend für den Markthochlauf gilt. Wasserstoff-Regionen erhoffen sich wirtschaftlichen Aufschwung durch den Ausbau von Energieinfrastrukturen und die Ansiedlung ‚grüner Industrie‘. Sozialwissenschaftliche Infrastrukturforschung betont jedoch die Notwendigkeit, Infrastrukturen kritisch zu hinterfragen und ihre räumlichen und zeitlichen Auswirkungen zu untersuchen. Außerdem heben kritische Forscher:innen sozial-ökologische Risiken der aufkommenden Wasserstoffwirtschaft hervor, wie Energiekolonialismus, grüner Extraktivismus und Umweltungerechtigkeiten. Wasserstoffregionen stehen daher vor großen Herausforderungen, wie der Bereitstellung von Ressourcen (z.B. Wasser und Land), der Abstimmung mit den Bedürfnissen der Bevölkerung und der Achtung von Gerechtigkeits- und Umweltschutzzielen.
Dieses Promotionsvorhaben verfolgt zwei Hauptziele: Erstens werden die regional gewachsenen Governance-Konstellationen der Wasserstoffwirtschaft analysiert und Lösungsansätze für das ‚Henne-Ei-Problem‘ (keine Nachfrage, kein Angebot, keine Transportinfrastruktur) des Markthochlaufs untersucht. Zweitens findet eine Abwägung des transformativen Potenzials von grünem Wasserstoff gegenüber sozial-ökologischen Risiken statt, einschließlich der Untersuchung von Demokratie- und Gerechtigkeitsfragen bei Planungsprozessen sowie der umweltbezogenen Folgen des Infrastrukturausbaus.
Die sozialwissenschaftliche Forschung zu grünem Wasserstoff weist noch erhebliche Lücken auf, insbesondere hinsichtlich sozialer und ökologischer Auswirkungen auf lokale Gemeinschaften, Gerechtigkeitsfragen in Wasserstoffpartnerschaften zwischen Globalem Norden und Süden, kritischer Analyse der EU-Wasserstoffpolitik sowie öffentlicher Beteiligung und Akzeptanz. Diese Studie zielt darauf ab, diese Forschungslücken zu adressieren und zu einer ausgewogeneren, sozialwissenschaftlichen Betrachtung von grünem Wasserstoff in der EU beizutragen. Außerdem soll eine Etablierung der Technologie unter Berücksichtigung sozial-ökologischer Folgen in den Planungsprozessen ermöglicht und neue Konzepte für transformative Infrastrukturen im Rahmen einer sozial-ökologischen Transformation diskutiert werden.
Die Forschungsziele werden mit der folgenden zentralen Fragestellung untersucht:
Wie werden Infrastrukturpolitiken der grünen Wasserstoffwirtschaft in Schleswig-Holstein und der Normandie gestaltet, welche sozial-ökologischen Folgen hat dies bisher und wie werden diese Folgen in den Planungsprozessen berücksichtigt? Welche Verbesserungspotenziale gibt es hier?
Theoretisch stützt sich das Vorhaben auf Konzepte der Politischen Ökologie und der sozialwissenschaftlichen Infrastrukturierungsforschung. Es berücksichtigt auch Ideen zu Postwachstumsökonomien, Suffizienz und innovativen Infrastrukturkonzepten. Methodisch kombiniert die Forschung ethnografische und qualitativ-empirische Methoden mit Dokumentanalysen. In zwei Forschungsaufenthalten in der Normandie sowie während regelmäßiger Empirie in Schleswig-Holstein werde ich vor allem Interviews mit unterschiedlichen Akteuren und Bürger:innen führen und Beobachtungen bei Wasserstoffprojekten und auf Veranstaltungen durchführen. Der Vergleich zwischen den beiden Regionen soll sowohl regionale Besonderheiten als auch effektive Maßnahmen für die Implementierung von grünem Wasserstoff aufzeigen und zu einem besseren Verständnis regionaler sozial-ökologischer Auswirkungen der EU-Politik beitragen.