Projekt 37681/01

Fernerkundung für innovative Verfahren des Waldstrukturmonitorings FiVe3D

Projektdurchführung

Hochschule für angewandte Wissenschaften München (HM)
Fakultät für Geoinformatik
Karlstr. 6
80333 München

Zielsetzung

Erfolgreiches Waldmanagement und Forschen im Wald setzt ein detailliertes Wissen über den aktuellen Zustand des Waldes und seine zeitliche Veränderung voraus. Die systematische Erfassung dieser Zustände ist Ziel des sogenannten "Waldstrukturmonitorings". Dabei werden üblicherweise Informationen über die Baumbestockung erfasst, etwa Baumartenzusammensetzung, Baumhöhen, Stammdurchmesser und deren Verteilung, Schäden sowie Tozholzvorkommen. Daraus lassen sich unter anderem Informationenüber den Holzvorrat, die Biomasse oder den Kohlenstoffspeicher des Waldes ableiten.

Traditionell erfolgt die Erhebung solcher Daten im Rahmen von Betriebsinventuren oder der Forsteinrichtung in langen zeitlichen Abständen (circa alle 10 Jahre). Dabei kommen meist manuelle Schätz- und Hochrechnungsverfahren zum Einsatz, die sehr zeitintensiv sind und nur punktuelle, stichprobenartige Informationen liefern.

Das Pilotprojekt "FiVe3D" verfolgt das Ziel, das Waldstrukturmonitoring durch den Einsatz innovativer, fernerkundungsbasierter Technologien grundlegend zu verbessern. Mit Hilfe von Drohnen und einem eigens entwickelten Sensorsystem (bestehend aus Laserscanner und Multispektralkamera) werden großflächig hochaufgelöste Daten erhoben. Diese werden anschließend mittels Deep-Learning-Methoden automatisiert ausgewertet. Hierfür wird das gefaltete neuronale Netzwerk Mask R-CNN1 mit den in dem Projekt aufgenommenen Daten darauf trainiert, aus Laserpunktwolken Einzelbaumsegmente zu erstellen und mittels der spektralen Informationen die Baumart zu bestimmen.

Ziel des Projektes ist die Einführung einer kostengünstigen, flächendeckenden und detaillierten Erfassung der Waldstruktur, die ergänzend zu den terrestrischen Aufnahmen einer Waldinventur erfolgen soll und sich hinsichtlich der Datenqualität stark von herkömmlichen Verfahren abhebt.

Als Projektpartner konnten gewonnen werden:
- Nationalpark Bayerischer Wald
- DBU Naturerbe
- Stiftung Schönau
- Nationalpark Schwarzwald

Arbeitsschritte

(1) Verfahrensdefinition und Bewertung
Zu Beginn fanden Gespräche mit den Projektpartnern statt. Der Nationalpark Bayerischer Wald regte an, eine terrestrische LiDAR-Aufnahme mit den drohnengestützten Aufnahmen zu verknüpfen. Der Projektpartner Stiftung Schönau als Forstbetrieb betonte Interesse an der Holzvorratsschätzung der Untersuchungsgebiete und einer Einschätzung und Bewertung bisheriger Betriebsinventuren. Daher wurde entschieden, für die Einzelbaumsegmente das Stammvolumen zu berechnen und dieses mit Daten aus Stichprobepunkten der aktuellsten Betriebsinventur zu vergleichen.

(2) Sensorfusion
Die Arbeiten zur Sensorintegration gliederten sich in die Bereiche Sensorfusion und Sensorkalibrierung. Es wurde eine spezielle Adapterplatte entwickelt, die die gleichzeitige Montage des Muse-3D-Sensors und des LAP-Instruments (Lightweight Airborne Profiler) ermöglichte.
Die Kalibrierung umfasste:
- eine radiometrische Kalibrierung (Vignettierungskorrektur, Schwarzwertkorrektur, Weißabgleich),
- eine geometrische Kalibrierung der Kamera (mithilfe einer Kalibrierplatte) sowie
- eine Boresight-Kalibrierung des LAP-Instruments zur genauen Ausrichtung zwischen Sensoren und Positionierungssystem.

(3) Erhebung von Referenz- und Testdaten
Es wurden in den Projektgebieten der DBU-Naturerbe (ehem. Truppenübungsplatz Landshut) und der Stiftung Schönau (Kinzigtal) jeweils sechs kreisförmige Testgebiete (469 qm) angelegt. In diesen wurden verschiedene Baumparameter (Position, Höhe, Baumart, Baumvitalität, Kronenansatzhöhe, Kraftsche-Klasse) registriert. Der Nationalpark Bayerischer Wald lieferte die Baumdaten für zwei bereits vorhandene Testgebiete (Größe 1 - 12 ha). Zusätzlich wurden im Nationalpark Bayerischer Wald und bei der DBU-Naturerbe alle Testgebiete mit dem tragbaren terrestrischen Laserscanner BLK2Go erfasst.

(4) Datenverarbeitung
Zunächst wurden aus den Kameradaten des LAP-Sensors für alle Befliegungsgebiete "True-Orthophotos" (RGB) mittels Standardsoftware berechnet. Zusätzlich wurden auch aus den Laserdaten True-Orthophotos als normalisiertes Oberflächenmodell berechnet. Anschließend wurden mit Hilfe der Orthophotos und den LiDAR-Daten repräsentative Einzelbäume und tote Bäume in genügender Anzahl manuell gelabelt. Die Baumsegmentierung erfolgte mit einer KI-Lösung (Mask R-CNN), die nicht nur die Konturen der Baumkronen erfasst sondern dabei auch die Baumarten schätzt.

(5) Berechnung von Biomasse und Stammvolumen
Für die segmentierten Einzelbäume in den Testgebieten wurden Kennwerte wie Stammvolumen, Kronendurchmesser und Kronenansatzhöhe berechnet. Auf Basis der Referenzdaten wurde ein generalisiertes additives Modell (GAM) zur Schätzung der Biomasse und des Stammvolumens entwickelt.

Ergebnisse

(1) Verfahrensdefinition und Bewertung
Die entwickelten Konzepte entsprechen dem aktuellen Trend, müssen jedoch weiter verfeinert werden. Die Praxispartner benötigen praxisreife Verfahren, aber der derzeitige Workflow ist noch zu zeitaufwändig. Eine grobe Abschätzung ergab, dass mindestens neun Monate für die Entwicklung eines praxisreifen Systems notwendig wären.

(2) Sensorfusion
Kalibrierung der Sensorik verlief größtenteils problemlos. Befliegungen bei windigem Wetter gestalteten sich schwierig. Multispektrale Information aus den Kameradaten lieferte keinen Mehrwert für die Baumsegmentierung, könnte jedoch für die Baumartenklassifizierung und Berechnung von Vitalitätsparametern interessant sein. Die Verwendung eines Multispektral-LiDARs könnte in Zukunft die Qualität der Datenauswertung verbessern, insbesondere für die Baumartenklassifizierung und Vitalitätsberechnung.

(3) Erhebung von Referenz- und Testdaten
Die Lage der Referenzplots wurde so gewählt, dass sie die Gesamtheit der Bäume und Strukturen eines Gebiets möglichst gut repräsentieren. Dies diente als Grundlage für die Trainingsdaten der KI und die Referenzdaten der Biomasse- und Stammvolumenmodellierung. Die Größe der Referenzplots wurde, basierend auf den Aufnahmeplots der permanenten Betriebsinventur, auf eine Radius von 12,5 m festgelegt. Basierend auf Baumhöhe, BHD und Baumart wurde mit BDAT die Einzelbaumbiomasse und -stammvolumen berechnet.

4) Datenverarbeitung
Die Erstellung der Orthophotos aus den Bilddaten verlief größtenteils problemlos. In einem Fall kam es zu Schwierigkeiten bei der Georeferenzierung aufgrund starker Waldüberdeckung. Es wurden sowohl RGB-Orthophotos als auch normalisierte Oberflächenmodelle (nDSM) aus LiDAR-Daten erzeugt.
Die manuelle Annotation von Baumkronenpolygonen stellte sich als zeitintensiv heraus, war jedoch notwendig für das Training des neuronalen Netzes. Die auf dem Mask R-CNN-Ansatz basierende KI zur Baumsegmentierung zeigte gute Leistungen, insbesondere in Nadelholzbeständen. Unter den verschiedenen Ansätzen lieferte das Canopy Height Model (CHM) auf Basis von LiDAR die besten Ergebnisse. Insgesamt übertraf die KI-Lösung die klassischen Segmentierungsverfahren („Baseline-Verfahren“) deutlich. Die Modellierungsergebnisse für Biomasse und Stammvolumen auf Einzelbaumbasis zeigten regionale Unterschiede. Besonders gute Resultate wurden in strukturreichen Beständen erzielt, wo die Modellannahmen besser auf die reale Vielfalt reagierten.

(5) Biomasse und Stammvolumen
Die Berechnung von Biomasse und Stammvolumen gelang im Projektgebiet Stiftung Schönau mit zufriedenstellender Genauigkeit. Die Kombination aus Punktwolkenanalyse, Referenzdaten und statistischer Modellierung erwies sich hier als geeignetes Verfahren. Eine flächenhafte Ausweitung der Methode erscheint bei entsprechender Weiterentwicklung grundsätzlich möglich.

Öffentlichkeitsarbeit

Das Projekt FiVe3D wurde nach der Förderzusage öffentlich kommuniziert und im Verlauf regelmäßig über verschiedene Kanäle vorgestellt:

Webseitenveröffentlichungen:
Nach Projektstart erfolgten erste Ankündigungen auf der Webseite der Fakultät für Geoinformation der Hochschule München sowie auf der Webseite der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA).

Social Media / LinkedIn:
Das erste Projekttreffen am 05.07.2022 an der Universität Freiburg wurde über einen LinkedIn-Beitrag veröffentlicht. Auch die erste Messkampagne im Nationalpark Bayerischer Wald (18.–21.07.2022) wurde auf LinkedIn sowie auf der Webseite der Hochschule München kommuniziert.
Zum letzten Präsenztreffen der Projektpartner im Februar 2024 an der FVA in Freiburg wurde ein weiterer LinkedIn-Post veröffentlicht.

Fachpresse:
Eine begleitende Meldung zur ersten Messkampagne erschien auf der Webseite des Verbands Deutscher Vermessungsingenieure (VDV):
https://www.vdv-online.de/aktuelles/vdvaktuell/erfolgreicher-start-im-dbu-forschungsprojekt-five3d-im-nationalpark-bayerischer-wald.html

Fachvortrag:
Das Projekt wurde zudem im Rahmen der wissenschaftlichen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Photogrammetrie, Fernerkundung und Geoinformation (DGPF) durch Dersch (2024b) vorgestellt.

Erste Messkampagne im Nationalpark Bayerischer WaldErste Messskampagne im Nationalpark Bayerischer WaldAbschlusstreffen Five3DIAMLIS - Institut für Anwendungen des maschinellen Lernens und intelligenter Systeme

Fazit

Verfahrensdefinition:
- Die entwickelten Konzepte entsprechen dem Stand aktueller Forschung und Technologie, müssen jedoch hinsichtlich Praxistauglichkeit weiterentwickelt werden. Der derzeitige Workflow ist für eine betriebliche Anwendung noch zu komplex und zeitaufwändig.
- Die Integration und Verknüpfung heterogener Datensätze stellte sich als deutlich aufwendiger heraus als erwartet und erforderte erheblichen Zusatzaufwand.

Sensorfusion:
- Die multispektralen Bilddaten lieferten keinen direkten Mehrwert für die Baumsegmentierung. Ihr Potenzial liegt vielmehr in der Baumartenklassifizierung und in der Berechnung von Vitalitätsparametern.
- Für zukünftige Anwendungen könnte der Einsatz eines multispektralen LiDAR-Systems die Qualität der Datenanalyse insbesondere bei der Klassifizierung weiter verbessern.

Baumsegmentierung und Klassifizierung:
- Die KI-basierte Segmentierung mit Mask R-CNN übertraf vier etablierte Baseline-Methoden signifikant – in einigen Metriken um mehr als 30 %.
- Die Qualität der resultierenden Baumkronenpolygone war im Mittel mindestens 10 % besser als bei den Vergleichsverfahren.
- Die Kanalkombination mit dem Canopy Height Model (CHM) lieferte die besten Ergebnisse – deutlich vor RGB, CIR und anderen getesteten Kombinationen.
- Bei ausreichender Datenbasis lassen sich die Klassen Laubbäume, Nadelbäume und stehendes Totholz mit hoher Genauigkeit differenzieren.

Übertragbarkeit und Praxiseignung:
- Der entwickelte Workflow ist mit einem geschätzten Aufwand von etwa 9 Personenmonaten (MM) auf größere Waldflächen übertragbar.
- Es liegt eine funktionsfähige Softwarelösung vor, die sich für eine praktische Anwendung unter forstlichen Bedingungen grundsätzlich eignet.

Übersicht

Fördersumme

299.962,00 €

Förderzeitraum

01.07.2022 - 30.04.2024

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter

Land use
Nature Conservation
Umwelttechnik