Projekt 37671/01

Die lebendige Textilbibliothek “LiveTexBibo” – Expert*innenwissen in innovativem Dialogformat für nachhaltiges Textilwesen verfügbar machen

Projektdurchführung

Technische Universität Chemnitz
Fakultät Maschinenbau
Professur Textile Technologien
Reichenhainer Str. 70
09126 Chemnitz

Zielsetzung

Die Textilindustrie gilt als eine der umwelt- und klimaschädlichsten Branchen weltweit. Durch ihre Vielstufigkeit und Vielfältigkeit fallen in verschiedenen Schritten Umweltprobleme an. Im Naturfaseranbau kommen Pestizide zum Einsatz und der Wasserverbrauch ist enorm. Aus den Färbereien und den Ausrüstungsbetrieben gelangen umweltschädliche Chemikalien in die Wasserkreisläufe. Weltumspannende Lieferketten führen durch den Warentransport zu immensen Emissionen klimaschädlicher Gase. In der Wäsche löst sich Mikroplastik ab. Und bei vielen Textilabfällen sind Naturfasern und Chemiefasern gemischt, sodass ein sortenreines Recycling ohne Wertverlust nahezu unmöglich ist. Gleichzeitig steigen die Mengen an Alttextilien aus den Privathaushalten von Jahr zu Jahr an.

Für viele dieser Herausforderungen gibt es bereits erste Lösungsansätze. Die Wahl von Naturfasern mit geringem Wasserbedarf aus biologischem Anbau verringert die Umweltbelastung im Anbau. Der Verzicht auf Farben oder die Umstellung auf umweltfreundliche Färbeprozesse schonen die Gewässer. Werden Lieferketten wieder regional organisiert, können Emissionen vermieden werden. Spezielle Waschbeutel fangen Mikroplastik auf. Designansätze wie Cradle To Cradle, die auf Mono-Materialien und Kreislauffähigkeit setzen, erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Gleichzeitig werden für immer mehr Faserarten Recyclingverfahren entwickelt. Und auch bei den Verbraucher:innen macht sich ein Bewusstseinswandel bemerkbar, der durch Leih-, Reparier- und Tauschmodelle gefördert wird.

Diese Lösungen können nur dann zu einer Verminderung der Umweltprobleme beitragen, wenn sie vernetzt gedacht und weltweit angewendet werden. Eine lokale Naturfaserproduktion ergibt nur Sinn, wenn es auch die entsprechenden Abnehmer:innen gibt. Designer:innen können nur dann kreislauffähige Produkte entwickeln, wenn es entsprechende Verfahren gibt.
Deswegen ist es wichtig, dass die einzelnen Akteur:innen entlang des Produktlebenszyklus miteinander ins Gespräch kommen. Die Lösung der Umweltprobleme verlangt dringend Änderungen im Verhalten. Grundlagen dafür sind das Infragestellen gängiger Praktiken, der Austausch über Lösungen und das Vernetzen derer, die etwas bewirken wollen und können.
Fachwissen wird u. a. häufig durch die Lektüre (digtialer) Bücher generiert. Doch eine wesentliche Säule des Fachwissens steht in keinem Buch, sondern ist Erfahrungswissen der beteiligten Akteure, das häufig „nur“ in der „eigenen Blase“ weitergeben wird.

Hier setzt das Vorhaben durch das neuartige Veranstaltungsformat der lebendigen Textilbibliothek `LiveTexBibo` an. Verfügbares Erfahrungswissen wird am Beispiel der Textilbranche mit dem Ziel eine Verhaltensveränderung hin zu einer nachhaltigen Textilbranche motiviert; globale Herausforderungen wie z. B. der Biodiversitätsverlust und der Klimawandel werden bezogen auf die Branche thematisiert. Neben technologischen Lösungsansätzen geht es insbesondere auch um politische, soziale und ethische Fragen und um persönliche Lebens- und Arbeitsrealitäten von Textil-Akteuren, z. B. Unternehmen der Produktion, Logistik, Handel und Konsument*innen. Durch die Auseinandersetzung mit obigen Themen im Dialog mit Expert*innen sollen notwendige Veränderungen fachlich fundiert initiiert werden. Neue und zum Teil bereits erprobte Perspektiven und Einzelbeispiele werden durch Kenntnis dieses Spezial-Wissens greifbar und Dialoge zwischen Menschen, die sich sonst nie begegnet wären, werden ermöglicht.

Arbeitsschritte

Im Zentrum des Projekts LiveTexBibo – Die Lebendige Textilbibliothek stand die Übertragung der dialogorientierten Methode der „Living Library“ auf das Thema nachhaltiger Textilien. Dabei wurden Fachpersonen aus unterschiedlichen Bereichen – wie Textildesign, Produktion, Handel, Recycling, Materialforschung oder Bildung – als „lebende Bücher“ in Szene gesetzt. Diese Expert:innen konnten im Rahmen von Veranstaltungen für persönliche Einzelgespräche „ausgeliehen“ werden. Ziel war es, über den persönlichen Austausch ein tieferes Bewusstsein für textile Zusammenhänge, Umweltwirkungen und Handlungsoptionen zu schaffen.

Der Projektansatz zielte dabei auf die Entwicklung und Erprobung eines skalierbaren Veranstaltungsformats, das sich flexibel in verschiedene Kontexte einbinden lässt – z. B. Messen, Hochschulveranstaltungen, Festivals oder Bildungsformate. Insgesamt wurden 23 Veranstaltungen in ganz Deutschland umgesetzt. Die Bandbreite reichte von Kleidertauschaktionen mit integrierter Textilbibliothek über Konferenzen und Design-Festivals bis hin zu hybriden Formaten und digitalen Pilotveranstaltungen. So konnte das Format in verschiedenen Umgebungen getestet und weiterentwickelt werden.

Zentral war die Erprobung von drei Durchführungsformen: präsent, hybrid und online. Dabei zeigte sich, dass insbesondere Präsenzveranstaltungen das dialogische Potenzial der Textilbibliothek optimal zur Geltung bringen. Hybride Formate ermöglichten punktuelle Erweiterungen, erwiesen sich aber als herausfordernd in der Umsetzung. Online-Veranstaltungen kamen vorrangig in pandemiebedingten Kontexten zum Einsatz und boten einen geschützten, aber weniger intensiven Rahmen für Gespräche.

Jede Veranstaltung folgte einem standardisierten Ablauf, der dennoch flexibel auf lokale Gegebenheiten angepasst werden konnte. Die beteiligten „lebenden Bücher“ wurden im Vorfeld inhaltlich vorbereitet und mit einem kurzen „Klappentext“ vorgestellt, der zur Teilnahme motivierte. Begleitend wurden Evaluationsbögen, Social-Media-Kommunikation und Veranstaltungsprotokolle genutzt, um Reichweite, Resonanz und Wirkung einzuschätzen.

Die Umsetzung erfolgte überwiegend in Kooperation mit bestehenden Partnern und Formaten – u. a. Hochschulen, Museen, zivilgesellschaftlichen Organisationen oder anderen DBU-Projekten. Veranstaltungen fanden u. a. in Berlin, Chemnitz, Frankfurt, Augsburg, Hamburg, Wuppertal, Köln, Hof und Stuttgart statt.

Bücher der Lebendigen Textilbibliothek

Ergebnisse

Bis März 2025 wurden im Projekt LiveTexBibo 23 Veranstaltungen erfolgreich umgesetzt – deutlich mehr als die ursprünglich geplanten zehn. Die Formate fanden in ganz Deutschland statt, darunter in Berlin, Chemnitz, Frankfurt, Hamburg, Wuppertal, Hof und Köln. Besonders wirkungsvoll zeigte sich die Integration der Textilbibliothek in bestehende Veranstaltungen wie Messen, Hochschulformate oder Aktionstage, da hier bereits interessierte Zielgruppen erreicht werden konnten.

Die Methode der Lebendigen Textilbibliothek erwies sich als flexibel, niedrigschwellig und zugleich tiefgründig. In persönlichen 1:1-Gesprächen mit den „lebenden Büchern“ konnten Besucher:innen textile Themen – von Kreislaufwirtschaft über Materialien bis zu sozialen Fragen – direkt und individuell erleben. Viele Gespräche waren von persönlicher Nähe geprägt und förderten Reflexion und Motivation zum eigenen Handeln.

Digitale und hybride Formate wurden wie geplant erprobt. Besonders im Winterhalbjahr und bei Einschränkungen kamen Plattformen wie BigBlueButton zum Einsatz. Die technischen Möglichkeiten wurden positiv aufgenommen, jedoch konnte die Wirkung persönlicher Begegnungen in digitalen Räumen nicht vollständig erreicht werden.

Die begleitende Online-Bibliothek wurde kontinuierlich ausgebaut: Inzwischen sind 39 „lebende Bücher“ dort mit Kurzprofilen gelistet. Diese ermöglichen Sichtbarkeit, Nachverfolgung und weiterführende Vernetzung. Die nötigen Einwilligungsprozesse wurden in Zusammenarbeit mit der TU Chemnitz erfolgreich abgeschlossen.

Zur gezielten Ansprache potenzieller Mitwirkender wurde eine strukturierte Kontaktdatenbank aufgebaut, die inzwischen über 1.850 textile Akteur:innen in der DACH-Region umfasst. Im Vorfeld jeder Veranstaltung wurden passende Unternehmen und Initiativen recherchiert und zur Mitwirkung eingeladen.

Insgesamt bestätigt das Projekt die Wirksamkeit der Methode: Die Lebendige Textilbibliothek schafft echte Dialogräume und öffnet neue Wege der nachhaltigen Wissensvermittlung – anpassbar, alltagsnah und zukunftsorientiert.

Öffentlichkeitsarbeit

Zur Bekanntmachung des Formats wurde die Lebendige Textilbibliothek gezielt in bestehende Veranstaltungen integriert – u. a. auf der Techtextil Frankfurt (2022) und der ISPO München (2022). Dort konnten Kontakte zu Unternehmen und potenziellen „Büchern“ geknüpft sowie das Konzept öffentlich präsentiert werden. Gespräche mit Hochschulen wie der HTW Berlin und der Hochschule Reutlingen führten zu positiver Resonanz und legten den Grundstein für künftige Kooperationen.

Begleitend wurde eine Online-Bibliothek aufgebaut, die auf der Website der TU Chemnitz zugänglich ist:
? https://www.tu-chemnitz.de/mb/tt/liveTexBibo/Bibo.html
Sie stellt die beteiligten Expert:innen mit Kurzporträts vor und macht sie über das Projekt hinaus sichtbar.

Zur niedrigschwelligen Kommunikation wurde der Instagram-Kanal @livetexbibo etabliert, der Einblicke in Veranstaltungen, Beteiligte und Prozesse gibt. Zusätzlich profitiert das Projekt von der Öffentlichkeitsarbeit seiner Kooperationspartner:innen, etwa anderer DBU-Projekte. So konnte die Reichweite der Textilbibliothek effektiv gesteigert werden.

Die Lebendige Textilbibliothek auf Instagram

Übersicht

Fördersumme

121.700,00 €

Förderzeitraum

01.03.2022 - 30.06.2025

Bundesland

Sachsen

Schlagwörter