Projekt 37076/01

Ökosystemleistungen des Urbanen Forsts: flächendeckende Modellierung mittels Fernerkundung und künstlicher Intelligenz

Projektdurchführung

Sachverständigenbüro für Luftbildauswertung
und Umweltfragen (SLU)
Kohlsteiner Str. 5
81243 München

Zielsetzung

Stadtbäume erbringen eine Vielzahl von Ökosystemleistungen (ÖSL). Diese tragen zur Verbesserung des Stadtklimas, zur Erhöhung der Biodiversität und zur Steigerung der Lebensqualität bei. Trotz der wachsenden Bedeutung dieser Leistungen für eine nachhaltige Stadtentwicklung, fehlen den kommunalen Entscheidungsträgern bislang flächendeckende und aktuelle Informationen zum Baumbestand auf Einzelbaumebene. Vorhandene Baumkataster sind in der Regel auf öffentlich verwaltete Flächen beschränkt und erfassen keine privaten Bäume, obwohl diese einen erheblichen Anteil am gesamten Baumbestand in Städten ausmachen können.
Die Erhebung dieser Daten ist bisher sehr ressourcenintensiv, da die Einzelbäume manuell erfasst werden und der Datenbestand kontinuierlich aktualisiert und gepflegt werden muss. Dadurch fehlen vielen Städten belastbare und aktuelle Daten zur Anzahl, Art und Struktur von Stadtbäumen sowie zu deren Beitrag zu ÖSL. Zwar existieren leistungsfähige Modelle zur Bewertung dieser Leistungen, doch deren Aussagekraft ist stark begrenzt, wenn die zugrundeliegenden Einzelbaumdaten nicht verfügbar sind. Diese unzureichende Datenlage erschwert die strategische Planung und Umsetzung effektiver Maßnahmen zur Stadtbegrünung, Klimaanpassung und Flächenentwicklung erheblich. Eine belastbare, objektive und möglichst automatisiert aktualisierbare Datengrundlage ist daher eine zentrale Voraussetzung für Stadtbegrünung, Klimaanpassung und Flächenplanung.
Das übergeordnete Ziel des Vorhabens ist die Entwicklung eines innovativen, skalierbaren und übertragbaren Modells zur flächendeckenden Abschätzung der ÖSL von Stadtbäumen auf Basis hochaufgelöster Fernerkundungsdaten. Damit leistet das Projekt einen konkreten Beitrag zur strategischen Planung und zum Management urbaner Gehölzbestände im Sinne einer nachhaltigen grünen Infrastruktur. Die angestrebten Modellierungen und Datengrundlagen sollen maßgeblich zur Verbesserung stadtklimatischer und stadthydrologischer Bedingungen beitragen, insbesondere durch thermische Entlastung, Reduktion von Regenwasserabfluss und Speicherung von Kohlenstoff. Das Projekt liefert am Beispiel der Stadt München einen praxisnahen Beitrag zur Klimawandelanpassung, wobei die entwickelten, weitgehend automatisierten Methoden aufgrund ihrer Datenbasis gut auf andere Städte übertragbar sind. Als Ergebnis entsteht ein methodisches Instrumentarium aus Algorithmen und Modellen zur quantitativen Erfassung und Charakterisierung der ÖSL von Stadtbäumen.

Arbeitsschritte

In Arbeitspaket 1 (AP1) werden rund 500 Einzelbäume in München durch terrestrische Vor-Ort Begehung und Vermessung erfasst, die die häufigsten Stadtbaumarten an verschiedenen Standorten (Straßen, Plätze, Parks) repräsentieren. Neben Messungen wie Stammdurchmesser, Baumhöhe, Blattflächenindex, wird auch die Umgebung der Bäume dokumentiert. Ziel ist die Erstellung eines umfangreichen Datenpools mit strukturellen und standörtlichen Referenzdaten der häufigsten Baumarten in München, der durch frühere Datensätze ergänzt wird.
Basierend auf den in AP1 erfassten Referenzdaten werden in AP2 Baumwachstum, Strukturveränderungen und ÖSL unter Berücksichtigung von Art, Alter und Standortbedingungen mit dem Modell CityTree simuliert. Neue Baumarten werden parametrisiert, um die Modellabdeckung zu erhöhen. Das Modell berücksichtigt klimatische und standörtliche Einflussfaktoren und simuliert u. a. Biomasseaufbau, Kohlenstoffbindung, Wasserverbrauch und Kühlleistung. Die Ergebnisse werden baumindividuell gespeichert und stehen für nachfolgende APs zur Verfügung.
In AP3 wird eine KI-gestützte Methodik zur flächendeckenden Erfassung von Einzelbäumen, Baumarten sowie strukturellen und standortbezogenen Baumparametern aus hochauflösenden Fernerkundungsdaten entwickelt. Zum Einsatz kommen optische Luft- und Satellitenbilder sowie digitale Höhendaten. Auf Basis punktgenauer Referenzdaten aus AP1 und Baumkataster werden Deep-Learning-Modelle trainiert, die auf größere Stadtgebiete übertragen werden. Zusätzlich werden Umweltparameter wie Versiegelungsgrad und SkyView-Faktor automatisiert extrahiert. Ziel ist ein robustes Verfahren zur detaillierten Charakterisierung von Stadtbäumen.
In AP4 werden die aus vorherigen Arbeitspaketen gewonnenen Informationen auf Quartiersebene skaliert. Dazu werden auch nicht direkt messbare Parameter wie das Baumalter approximiert, etwa durch die Einteilung in Altersklassen basierend auf der Baumhöhe. Die Modellierung nutzt fernerkundlich gewonnene Baum- und Standortparameter und wird durch in-situ-Daten validiert. Ziel ist die flächendeckende Berechnung der ÖSL von Stadtbäumen in repräsentativen Münchner Stadtquartieren.
AP5 analysiert die Wirkung und Wirksamkeit von ÖSL städtischer Bäume unter Annahme zukünftiger klimatischer Veränderungen am Beispiel Münchens. Ziel ist die Entwicklung und Bewertung konkreter, praxisnaher Anpassungsstrategien zum Klimawandel. Damit wird die Relevanz städtischer Bäume bei Klimaanpassungsmaßnahmen unterstrichen.

Ergebnisse

Dank einer kostenneutralen Verlängerung um 3 Monate konnten die gesetzten Ziele des Projektes vollumfänglich erreicht und alle Arbeiten entsprechend der ursprünglich vorgesehenen Arbeits- und Ausgabenplanung durchgeführt werden.
Zur Klassifikation der Stadtbäume wurde ein Machine-Learning-Ansatz auf Basis von in-situ erhobenen Baumdaten eingesetzt. Die Methode wurde zunächst auf einem 4 km² großen Testgebiet erprobt und anschließend erfolgreich auf ein 44 km² großes Gebiet von München innerhalb des Mittleren Rings angewendet. Insgesamt konnten dabei über 160.000 Einzelbäume aus Fernerkundungsdaten klassifiziert werden.
Mit dem CityTree-Modell wurden 2 unterschiedliche Simulationen durchgeführt – eine mit In-situ-Daten und eine mit Fernerkundungsdaten als Eingabeparameter. Die Ergebnisse zeigten eine weitgehende Übereinstimmung beider Datensätze, so dass die fernerkundungsbasierten Parameter verwendet werden konnten, um die Modellierung auf die mehr als 160.000 klassifizierten Bäume im 44 km² großen Innenstadtgebiet von München zu übertragen. Der Einsatz von Fernerkundungsdaten ist dabei besonders entscheidend, da er eine flächendeckende und einheitliche Erfassung städtischer Baumbestände ermöglicht, die mit herkömmlichen Erhebungsmethoden nur mit erheblichem Aufwand realisierbar wäre. So können auch Bäume in schwer zugänglichen oder privaten Bereichen erfasst und in die Analyse integriert werden. In der räumlichen Verteilung ausgewählter Ökosystemleistungen (ÖSL) im Untersuchungsgebiet zeigen sich Bereiche mit besonders hoher oder niedriger ÖSL-Intensität.
Von den insgesamt erfassten Bäumen befanden sich rund 81.000 auf Privatgrundstücken und etwa 80.000 auf öffentlichem Grund. Öffentliche Bäume trugen den Großteil zu den ÖSL bei – je nach Kategorie zwischen 61 % und 66 %. Private Bäume erreichten bei allen ÖSL einen Anteil von über 33 % und übernahmen bei bestimmten Leistungen, wie der Reduktion von Oberflächenabfluss, sogar eine führende Rolle. Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Einbeziehung privater Bäume in die Planung urbaner Grünstrategien, da ihr Beitrag zur städtischen Ökosystemleistung sowohl erheblich als auch räumlich relevant ist. Besonders Bäume in Erholungsflächen wiesen die höchsten Beiträge zu Biomasse, Kohlenstoffspeicherung, Wasserverbrauch sowie zur Kühlung durch Transpiration und Verschattung auf. Private und verkehrsnahe Bäume zeigten im Verhältnis zur Gesamtzahl einen vergleichsweise höheren Beitrag zur Verschattung.

Öffentlichkeitsarbeit

Pauleit S, Gulsrud N, Raum S, Taubenböck H, Leichtle T, Erlwein S, Rötzer T, Rahman M & Moser-Reischl A (2022): Smart Urban Forestry: Is It the Future? In: Informed Urban Environments. The Urban Book Series. Springer, Cham.
García de León A. S., Leichtle T., Taubenböck H., Rötzer T., Martin K. (2022): Detection and classification of urban trees using AI and remote sensing: Outline & proof of concept. University of Würzburg 2022, 09.11.2022 (online).
Leichtle, T., Garcia de Leon, S., Rötzer, T., Martin, K., Taubenböck, H.: Ökosystemleistungen des Urbanen Forsts: Modellierung mittels Fernerkundung & künstlicher Intelligenz. Dashboard auf der Woche der Umwelt, 04.-05.06.2024, Berlin.
García de León, A. S., Leichtle, T., Rötzer, T., Martin, K., Ullmann, T., Taubenböck, H.: Remote sensing-based tree species classification for estimating ecosystem services. XXVI IUFRO World Congress 2024, 23.-29.06.2024, Stockholm.
Leichtle, T., García de León, A. S., Rötzer, T., Martin, K., Wurm, M., Pauleit, S., and Taubenböck, H. Estimating ecosystem services of urban trees based on remote sensing and in-situ measurements: A comparative study in Munich, Germany. JURSE2025: JOINT URBAN REMOTE SENSING EVENT. 04-07.05.2025, Tunis.

IUFRO World Congress 2024

Fazit

In diesem Projekt wurde ein innovativer Ansatz entwickelt, um das Wachstum und die ÖSL von Stadtbäumen in Mitteleuropa systematisch zu erfassen und zu modellieren. Hochauflösende Fernerkundungsdaten sowie Informationen aus dem städtischen Bauminformationssystem dienten als Datengrundlage in einem KI-gestützten Klassifikationsverfahrens, das eine automatische Detektion und Erkennung von Bäumen ermöglichte. Auf dieser Basis konnten über 160.000 Einzelbäume in einem 44 km² Innenstadtgebiet von München erfasst und kategorisiert werden.
Anschließend wurden die ÖSL der Bäume mit dem prozessbasierten Modell „CityTree“ simuliert. Die Modellierung ergab, dass öffentliche Bäume, insbesondere in Parks, den größten Beitrag zu den ÖSL (61–66 %) erbrachten, während private Bäume mit über 33 % ebenfalls signifikante Leistungen vor allem in den Bereichen Beschattung und Reduzierung von Oberflächenabfluss erzielten.
Die Projektergebnisse wurden in Form von thematischen Karten und einem webbasierten Dashboard aufbereitet, die die räumliche Verteilung der ÖSL wie Biomasseproduktion, CO₂-Speicherung und Kühlwirkung visualisieren.
Die im Projekt angewandten Methoden sind nicht nur auf München beschränkt, sondern lassen sich aufgrund der verwendeten Fernerkundungsdaten und automatisierten Verfahren auch auf andere Städte übertragen. Damit leistet das Projekt einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Stadtentwicklung und zur Verbesserung der urbanen Lebensqualität im Kontext des Klimawandels.

Übersicht

Fördersumme

299.833,00 €

Förderzeitraum

01.12.2021 - 28.02.2025

Bundesland

Bayern

Schlagwörter

Bavaria
Land use
Nature Conservation