Projekt 36080/01

Umweltbedingte Degradation synthetischer Konservierungs- und Restaurierungsmittel: Erfassung, modellhafte Konservierung und Restaurierung an ausgewählten Beispielen, digitale Wissensvermittlung

Projektdurchführung

Fachhochschule Potsdam
Studiengang Konservierung und Restaurierung
FB Stadt Bau Kultur
Kiepenheuerallee 5
14469 Potsdam

Zielsetzung

Als Folge des industriellen Aufschwungs nach dem 2. Weltkrieg gekoppelt mit dem Fortschrittsglauben, langlebige Produkte entwickeln zu können, kamen moderne synthetische Materialien (Kunststoffe) ohne lange zu prüfen, ob sie geeignet sind, zum Einsatz bei Sanierungs-, Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten zum Erhalt in der Baudenkmalpflege.
Die hohe anthropogene Umweltbelastung durch Schadgase bis in die 1990er Jahre und ihr Eintrag als trockene und nasse Deposition mit entsprechenden Säurereaktionen führte zu beschleunigten Alterungsprozessen besonders bei synthetischen organischen Molekülen, die gegenüber Oxidations-, photochemischen Prozessen und Säureangriffen besonders anfällig sind.
Es kam zu Verfärbungen, Schwund- und Rissbildungen, Abplatzungen und Auswitterungen bis hin zu mechanischem Versagen von synthetischen Festigungsmittel, Beschichtungsmaterialien, Klebstoffen und anderen zum Kulturgüterschutz eingesetzten Materialien.
Die eingebrachten und nun gealterten Substanzen stehen in direktem Kontakt mit dem Originalmaterial und sind größtenteils in sie eingedrungen.
So stehen die Verantwortlichen der damals behandelten Objekte heute häufig vor dem großen Problem, wie sie mit den schädigenden Altrestaurierungen unter Beibehaltung der Originalsubstanz umgehen sollen.
Im Rahmen des Projekts werden innovative Methoden entwickelt und modellhaft an Objekten, die mit synthetischen Polymeren zum Kulturgüterschutz behandelt bzw. restauriert worden sind, angewendet und die Ergebnisse breit kommuniziert.
Bevor die Methoden zum Umgang mit den Altrestaurierungen entwickelt werden können, muss zunächst ausführlich untersucht werden, welche synthetischen Materialien wo aufgebracht worden und wie eingedrungen sind und zu welchen Schäden sie beigetragen haben. Daher gliedert sich das Projekt in 3 Stufen:
1. Entwurf und Anwendung einer noch nicht existierenden, systematischen Herangehensweise für die Untersuchung von durch Umwelteinflüsse degradierten synthetischen Konservierungs- und Restaurierungsmaterialien (Kunststoffen) an Baudenkmalen.
2. Entwicklung von innovativen Verfahren und Methoden zum Umgang mit „Altrestaurierungen“ und deren modellhafte Umsetzung an ausgewählten Praxisobjekten.
3. Überregionale zweisprachige Verbreitung des Wissens zu synthetischen Materialien in der Baudenkmalpflege, deren Alterungsverhalten unter anthropogener Umweltbelastung und zu Möglichkeiten des Umgangs mit schädigenden Altrestaurierungen. Hierzu soll die nach einer Modernisierung bereits existierende Datenbank POLYKON genutzt werden, die bereits in der Fachwelt weit bekannt ist und genutzt wird.
Das Projekt verfolgt darüber hinaus das Ziel, Weiterbildungsangebote im Umgang geschädigten Altrestaurierungen für Restaurator*innen zu konzipieren und durchzuführen.

Arbeitsschritte

Die Frage „Wie gehen wir mit Altrestaurierungen an Objekten um, die trotz oder wegen des Einsatzes von Kunststoffen Schäden aufweisen?“ bestimmten die Arbeitsschritte und Methoden während des Projekts.
Aufbauend auf grundsätzliche Herangehensweisen bei Konservierungs- und Restaurierungsprojekten wurde zu Beginn des Projekts eine strukturierte Herangehensweise bei mit Polymeren behandelten Objekten entwickelt und anschließend bei den Hauptobjekten in Frankfurt/Oder und in Cottbus angewendet, evaluiert, erweitert und optimiert. Die an den Praxisobjekten durchgeführten Herangehensweisen mündeten schließlich in einer generellen Handlungs- und Untersuchungsempfehlung für mit Polymeren behandelten Objekten.
Die Entwicklung der Handlungsstrategien bei den beiden Modellprojekten in Frankfurt/Oder und Cottbus erforderte zunächst eine systematische Untersuchung der Objekte zu Materialien, Schäden und deren Ursachen. Nach Bestands- und Zustandsuntersuchungen, zerstörungsfreien Analysen und zerstörungsarmen Probenahmen wurden die an den Objekten verwendeteten Polymere im Labor insbesondere mit FTIR und Py-GC/MS analysiert. Daneben kamen zur Schadensprozessermittlung zusätzlich Klimamessungen, Salz- und Materialanalysen sowie Messungen zum physikalischen Verhalten der Polymere (u.a. DSC-Messungen) zum Einsatz.
Im Anschluss an die Voruntersuchungen wurden Objekt-spezifische Handlungsstrategien individuell in Bezug zur konservatorisch-restauratorischen Fragestellung an Testflächen in verschiedenen Varianten erprobt und evaluiert worden, bevor größere Bereiche behandelt worden sind.
Das digitale Wissen zum Einsatz von Polymeren im Bereich Kunst- und Kulturgut wird seit Projektende durch die Neuprogrammierung der Datenbank POLYKON gewährleistet. Für die Erarbeitung des Lösungskonzeptes wurde ein interdisziplinärer Projektkurs an der Fachhochschule Potsdam mit Studierenden aus unterschiedlichen Studiengängen durchgeführt. Die Teilnehmenden dokumentierten die Anforderungen für die Neuprogrammierung unter Einbeziehung der wichtigsten Stakeholder und Nutzenden. Daraus wurde Rechte- und Rollenkonzepte, Daten- und Prozessmodelle sowie Entwürfe der zukünftigen Benutzeroberfläche entwickelt. Desweiteren wurden Usability-Tests und Interviews
zum aktuellen Stand der Fachdatenbank POLYKON aus Nutzerperspektive vor der Neuprogrammierung durchgeführt. Aufbauend auf das erstellte Lösungskonzept erfolgte die Neuproammierung mit dem Datenbankmanagementsystem PostgreSQL.

Ergebnisse

Im Rahmen des Projekts sind folgende drei Ziele erreicht worden:
1. Es wurde eine systematische Herangehensweise für die Evaluation von mit Kunststoffen behandelten Objekten entwickelt, die Objektverantwortlichen als Handlungsanleitung zur Untersuchung und Begutachtung von entsprechenden Objekten dient, bevor anschließend individuelle Entscheidungen für eine konservatorische bzw. restauratorische Maßnahme getroffen werden können.
2. An zwei Pilotprojekten wurde die Herangehensweise erprobt, evaluiert und modifiziert mit anschließenden individuellen innovativen Konservierungen bzw. Restaurierungen der Objekte.
Das eine Denkmal ist das barocke Erbbegräbnis in der St. Marienkirche in Frankfurt/Oder, an den Lösungen zur Behandlung von gealterten Polymeren an einer Wandmalerei, an Stuckmaterialien und an schmiedeeisernen Schrifttafeln entwickelt worden sind.
Das zweite Objekt ist die mit einer speziellen Glaskröselbeschichtungstechnik 1972 erstellte Fassade an der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus. Hier wurde Polyvinylacetat als Bindemittel der Glaskrösel verwendet, das nach ca. 50 Jahren Bewitterung im Außenbereich gravierende Schäden aufweist. Es wurden konservatorische-restauratorische Maßnahmen entwickelt und an einer Musterachse ausgeführt, die ein Lösungsweg für die gesamte Fassade sein kann.
Darüber hinaus wurden weitere mit Polymeren behandelte Denkmale wie beispielsweise Objekte aus Holz und Glas im Land Brandenburg untersucht und evaluiert. Hierbei zeigt sich, dass nicht jede Behandlung mit Polymeren zwingend eine starke Schädigung der Objekte zur Folge hat. Die Evaluation der untersuchten Holzobjekte fiel positiv aus. Konsequenterweise ist vor jeder individuell zu erarbeitenden Maßnahme das Zusammenwirken von Material, Polymer und Umwelteinflüssen zu untersuchen und zu evaluieren, um nachhaltige Lösungen für das jeweilige Objekt finden zu können.
3. Die Datenbank POLYKON zur Recherche nach Polymeren, die als Konservierung- und Restaurierungsmittel eingesetzt wurden und werden, ist im Rahmen des Projekts mit erweiterten Tools neu programmiert worden. Neben einer vereinfachten Dateneingabe und verbesserten Recherchemöglichkeiten ist nun neben Deutsch auch Englisch als Sprachoption zur Nutzung der Datenbank möglich: http://www.polykon.fh-potsdam.de.

POLYKON

Öffentlichkeitsarbeit

Homepage der FHP:
https://www.fh-potsdam.de/studium-weiterbildung/projekte/umweltbedingte-degradation

Datenbank POLYKON: http://polykon.fh-potsdam.de/

Am 14.03.2025 widmete sich das 17. Konservierungswissenschaftliche Kolloquium Berlin/Brandenburg mit dem Titel "Kunststoffe als Bindemittel – Analytik und Konservierungsstrategien" dem Thema des Projekts. Es wurden in 9 Vorträgen erzielte Ergebnisse des Projekts vorgetragen. Ergänzend wurden die Projektergebnisse detailliert in dem 68. Arbeitsheft des BLDAM mit dem gleichen oben genannten Titel publiziert, das 2025 im Michael Imhof-Verlag erschienen ist.

Weitere Fachpublikationen sind aus den Projektergebnissen entstanden, u.a.:

Laue, S. (2023): Monitoring as a Basic Tool for Understanding Salt Crystallization Processes on Monuments – Case Study of the Baroque Tomb in St. Marien in Frankfurt/Oder.-
In: Saltweathering on Buildings and Stone Sculptures, SWBSS ASIA, Sept. 20-22, Nara, Japan, 75-84.

Laue, S., Noll-Minor, M., Cárdenas, S., Romanowski, A., Micheluz, A. and Pamplona, M. (2025): Degradation and Conservation of a Unique Modern Facade made of Glass-Fractions in Polymers on Concrete Panels in Cottbus.- Proc. 15th International Congress Stone, Paris, 8-12.09.25.

FHP

Fazit

Die Evaluation von mit Polymeren behandelten Objekten hat unterschiedliche, zum Teil sehr komplexe Schadensprozesse aufzeigen können, je nach Polymereigenschaft, Exposition und Interaktion mit den unterschiedlichen Bestandsmaterialien. Bei einigen untersuchten Objekten aus Holz zeigte es sich, dass nicht zwingend ein Polymereinsatz in der Konservierung und Restaurierung schädlich für ein Objekt sein muss.
Konsequenterweiser sollte für jedes Objekt nach sorgfältigen Voruntersuchungen individuell Lösungen zur Konservierung erarbeitet werden. Hierfür bietet die im Rahmen des Projekts vorgestellte systematische Herangehensweise für die Evaluation von mit Kunststoffen behandelten Objekten eine Richtlinie, aus der sich nach Umsetzung mögliche Handlungsstrategien ableiten lassen. Für die Untersuchungsphase im Vorfeld einer Maßnahme sind mindestens ein oder zwei Jahre zu empfehlen, um eine entwickelte Umsetzung an Testflächen mit anschließenden mehrmonatigen Standzeiten beurteilen zu können, bevor größere Bereich eines Objektes bearbeitet werden.
Der heutige Einsatz von synthetischen Polymeren – vor allem auch an Objekten, die bisher noch nicht mit ähnlichen Materialien konserviert wurden – erfordert ein reflektiertes Vorgehen durch Untersuchung des Objektes und Abwägung der Entscheidung für oder gegen bestimmte Konservierungsmittel (Hilfsmittel zur Entscheidungsfindung ist die im Rahmen des Projekts neuprogrammierte Datenbank POLYKON [https://polykon.fh-potsdam.de/]).

Übersicht

Fördersumme

122.573,00 €

Förderzeitraum

01.02.2021 - 31.01.2025

Bundesland

Brandenburg

Schlagwörter

Brandenburg