Projekt 37888/01

Das Potential von industriell und gewerblich genutzten Flächen als Trittsteinbiotope für Wildtiere

Projektträger

Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) Baden-Württemberg Abt. FVA-Wildtierinstitut
Wonnhaldestr. 4
79100 Freiburg
Telefon: 07614018209

Zielsetzung

Einigen naturschutzrelevanten Wildtieren, wie beispielsweise Wildkatzen und Luchsen, ist es bislang stellenweise noch möglich, die intensiv genutzte Kulturlandschaft zu durchwandern, um sich neue Habitate zu erschließen. Der urbane Raum, wie auch andere Formen der Landnutzung, breiten sich jedoch stetig aus. Deckungsreiche Strukturen als Trittsteinbiotope sind rar oder verschwinden durch die Intensivierung der anthropogenen Landnutzung. Die Zersiedlung und Fragmentierung unserer Landschaft stellt damit eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit dar. Die Umsetzung von Biotopverbundkonzepten und der Erhalt geeigneter Trittsteinbiotope sind daher wichtiger denn je. Industrie- und Gewerbeflächen könnten hierbei eine bislang übersehene Rolle spielen und eine vergleichsweise kostengünstige Ergänzung zur Neuanlegung von Trittsteinbiotopen sein.
Bewegungsdaten einzelner Wildtiere lassen vermuten, dass auf bestimmten Industrie- und Gewerbeflächen aufgrund der dort vorhandenen Deckungsstrukturen, zeitlich eingeschränkter Nutzung oder Betretungsverboten ein bisher unterschätztes Potential für Trittsteinbiotope vorhanden ist. Bei Biotopverbundkonzepten oder naturschutzfachlichen Einschätzungen sind diese Strukturen jedoch bislang nicht beachtet worden, da sie sich auf anthropogen genutzten Flächen befinden. Diese werden von den gängigen Habitatmodellen zu naturschutzrelevanten Wildtieren, die mit großen Stichproben auf das Abbilden von Gesamtpopulationen ausgelegt sind, überwiegend als „gemieden“ bewertet. Es gilt jedoch zu bedenken, dass sich vor allem einzelne Individuen und nicht die Gesamtheit einer Population in neue Lebensräume vorwagen und dabei auf ihren Wegen auch schwierige und abnorme Verhältnisse in Kauf nehmen. In Auswertungen, die sich nicht explizit mit jenen Individuen befassen, die sich außergewöhnlich viel auf Transithabitaten aufhalten und Trittsteinbiotope auch tatsächlich nutzen, könnten daher wichtige Informationen zur Nutzung von Trittsteinbiotopen entgehen, da diese als „Ausreißer“ im jeweiligen Datensatz angesehen werden. Das führt dazu, dass bisherige Konzepte zu Industrie- und Gewerbeflächen vor allem auf die aktive Gestaltung kleiner Biotope für weniger mobile Arten wie z.B. bedrohte Insekten, Amphibien, oder Reptilien abzielen. Der Schutz von schon vorhandenen, deckungsreichen Strukturen auf derartigen Flächen, um diese als Trittsteinbiotope für größere Wildtiere verfügbar zu machen, spielte dabei jedoch bisher keine Rolle.
Mit diesem Projekt wollen wir das Potential von Industrie- und Gewerbeflächen als Trittsteinbiotope untersuchen und auf dieses aufmerksam machen, um so die Durchlässigkeit der Landschaft für Wildtiere zu verbessern. Es ist jedoch anzunehmen, dass sich nicht alle Industrie- und Gewerbeflächen gleichermaßen als Trittsteinbiotope für Wildtiere eignen. Zur Bestimmung potentieller Trittsteinbiotope, zum Schutz relevanter Strukturen und zur praktischen Anwendung in Verbundkonzepten wäre es wichtig, geeignete und ungeeignete Flächen zu unterscheiden. Das diesbezügliche Potential derartiger Fläche sollte daher individuell anhand konkreter Merkmale bestimmbar sein. Hierfür wäre es beispielsweise praktikabel zu wissen, auf welchen Industriezweigen sich vermehrt geeignete Vegetationsstrukturen befinden. Auch die Frage, ob und warum prinzipiell geeignete Strukturen auf Industrieflächen von Wildtieren nicht genutzt werden (beispielsweise, weil keine Löcher im Zaun vorhanden sind) sollte auf den Grund gegangen werden.
Ziel des Projekts ist es daher, auf Grundlage gängiger landschaftsbeschreibender Daten, Faktoren zu bestimmen, mittels derer die als Trittsteinbiotope geeigneten Industrie- und Gewerbeflächen sicher klassifiziert werden können. Dafür müssen die für Wildtiere relevanten Bedingungen auf diesen Flächen, beispielsweise hinsichtlich Deckung und Störung, gut bekannt und zu kategorisieren sein. Dabei soll die individuenbasierte Auswertung von vorhandenen Telemetriedaten in Kombination mit einer Fotofallenstudie und Kartierungen auf Probeflächen als Datengrundlage dienen. Durch Gespräche mit den Flächenbetreibenden sollen die Bereitschaft und mögliche Anreizen zum Erhalt relevanter Strukturen auf deren Betriebsgeländen eruiert werden. Abschließend sollen alle Projektergebnisse zusammengefasst werden, so dass sie an Flächenbetreibende, Entscheidungstragende und an Naturschutzverbände kommuniziert werden können.

Vortrag zu den Zielen und Inhalten des Projekts

Arbeitsschritte

Die Methodik dieser Untersuchung basierte auf dem Einsatz von Fotofallen und Flächenkartierungen auf bisher 28 Probeflächen in Form von Industrie- und Gewerbeflächen, sowie einer sozialwissenschaftlichen Umfrage zur Einstellung der Flächenbetreibenden. Das Projekt wird von einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin mit einem Stellenumfang von 50% in 29 Monaten bearbeitet.
15.6.22 Projektbeginn
Abstimmung mit Fachkolleginnen, kooperierenden Forschungsanstalten und Gemeinden / Aufbau eines Netzwerkes um das Projektthema / Erstellung eines Auswahlkatalogs für Probeflächen
Ab 15.9.22 Auswahl Probeflächen
Digital automatisierte und manuelle Sichtung und Auswahl von Probeflächen innerhalb dreier Suchgebiete mittels ArcGIS der Firma Esri nach Lage, Vegetationsanteil und Art des Unternehmens
1.12.-1.9.22 Telefonische Kontaktaufnahme zu Flächenbetreibenden potentieller Probeflächen / Wartung der bereits im Wildtierinstitut vorhandenen IR-Fotofallen (Firma Cuddyback) sowie Beschaffung weiterer Materialien wie SD-Karten und Schlösser
Ab 1.2.23 bis 1.12.23 Aufbau der Fotofallen auf Probeflächen / Anbringung dieser in Gebüschen, vorzugsweise an Wildwechseln
Ab 1.2.23 Kontinuierliche Kontrolle und Pflege aufgebauter Fotofallen / Anlegen einer Datenbank sowie Bewertung der Fotofallenbilder mittels des Programmes FFM2
Ab 1.5.23 Konzeption eines sozialwissenschaftlichen Online-Fragebogens mit Sozialwissenschaftler/-innen
Ab 1.7.23 Sommerkartierung der Vegetation in der Umgebung der Fotofallen auf den Probeflächen anhand eines Kartierungsbogens
Ab 1.9.23 Suche nach privaten Industrieverbänden zur Teilnahme an der Online-Umfrage / Informationsveranstaltung für Wildtierbeauftrage zur Verbreitung der Umfrage in öffentlichen Verwaltungen / Einpflegen und bereitstellen der Umfrage über SoSci Survey
Ab 1.11.23 Deskriptive Vorauswertung der Fotofallenbilder mittels Excel
Ab 15.12.23 Start der Online-Umfrage
Ab 15.1.24 Winterkartierung
Ab 3.2.24 Deskriptive Vorauswertung der Online-Umfrage
Ab 1.4.24 Zweite Vorauswertung der Fotofallenbilder mittels des Programms R
Ab 1.5.24 Frühjahrskartierung mittels eines neuen qualitativen Ansatzes
Ab 15.5.24 Endauswertung der Online-Umfrage mittels "R"
Ab 1.8.24 Dritte Vorauswertung der Fotofallenbilder und Kartierungsergebnissen
Ab 1.10.24 Endauswertung und Verschneidung aller Daten mittels "R" (Regression) / Verfassen eines Endberichts
Ab 1.11.24 Abbau der Fotofallen / Warten und Einlagern des Materials

Öffentlichkeitsarbeit

Januar 2023 Onlineveranstaltung
Ein Vortrag wurde live übertragen und aufgezeichnet. Nach dem Vortrag konnten Teilnehmende im Chat Fragen stellen, die von der Projektleitung live beantwortet wurden. Die Aufzeichnung wurde als Video auf YouTube veröffentlicht.
Mai 2023 Pressemitteilung
Diese wurde von der Deutschen Presseagentur (DPA) aufgegriffen. Daraufhin erschienen über das Projekt 57 Artikel in insgesamt elf Bundesländern.
März 2023 Kurzinterview
Das Interview wurde für eine Sequenz in einem Fernsehbeitrag zum Thema "Füchse in der Stadt“ des Südwestrundfunks (SWR) geführt.
September 2023 Flyer
Erstellen eines Flyers. Dieser wurde am Denzlinger Wildtierforum ausgelegt.
2022 und 2023 Vorträge
Insgesamt wurden drei jeweils einstündige Projektvorträge (zwei online, eine in Präsenz) mit anschließender Diskussion für Netzwerkpersonen, Wildtierbeauftragte Baden-Württembergsund Auszubildende zum Stadtjäger veranstaltet.
Mai 2024 Vortrag auf Fachtagung
Das Projekt wird auf der Fachtagung der Vereinigung der Wildtier- und Jagdwissenschaftler Deutschlands als Vortrag sowie im Tagungsband präsentiert.
November 2024 Ergebnisse
Die Endergebnisse sollen in einer deutschen Fachzeitschrift veröffentlich werden.

Übersicht

Fördersumme

116.803,00 €

Förderzeitraum

15.06.2022 - 14.11.2024

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter

Kulturgüter
Landnutzung
Naturschutz