Projekt 37851/01

Kriterienkatalog für Bonus-Geschossflächen als Anreizsystem zur Qualitätssicherung für einen sozial- und klimagerechten Wohnungsneubau im Spannungsfeld der doppelten Innenentwicklung

Projektträger

Hochschule München Fakultät 01 Architektur Institut für Städtebau Lehrgebiet Städtebau und Gebäude
Karlstr. 6
80333 München
Telefon: +491728564425

Zielsetzung

Dem Wohnungsneubau begegnen fortlaufend zusätzliche Herausforderungen, wie die kosten- und ressourceneffiziente Herstellung von bezahlbarem Wohnraum und die Umsetzung der vereinbarten Klimaschutzziele. Bei der Realisierung von Bauvorhaben – insbesondere in Metropolregionen – bestehen große Flächenkonkurrenzen um die baurechtlich maximal zulässige Geschossfläche. Diese hemmen mitunter die Umsetzung notwendiger sozial- und klimawirksamer Qualitäten, wie die Herstellung von Gemeinschaftsräumen ohne Konsumzwang, den flächendeckenden Einsatz von nachhaltigeren Wandkonstruktionen oder die großzügigere Ausbildung von Frei- und Grünflächen. Bonusgeschossflächen (Bonus-GF) können im Rahmen von Bebauungsplänen als wirksames Steuerungsinstrument die Umsetzung wesentlicher Maßnahmen bspw. zur Klimaanpassung fördern. Im Großraum München wird das Planungswerkzeug "Bonus-GF" bereits angewandt, bundesweit ist es jedoch nahezu unbekannt.

Ziel des Projekts ist es, dem Handlungsinstrument "Bonus-GF" bundesweit Visibilität zu verschaffen und die regelmäßige Anwendung zu etablieren. Der Katalog der ausgewählten Bonus-Geschossflächen bildet dabei ein Anreizsystem für sozial- und klimagerechte Qualitätsstandards im Wohnungsneubau.

So sollen neue Quartiere entstehen, deren überdurchschnittliche Qualität den späteren Bewohner:innen zugutekommt: Mehr Grün, qualitätvollere Freiräume, wohnungsnahe Angebote gemeinschaftlicher Nutzungen und damit verbundene kürzere Wege, aber auch attraktive Angebote für eine veränderte Mobilität stehen exemplarisch für den Nutzen der Gesellschaft.

Durch die Förderung klimarelevanter und nachhaltiger Bestandteile, wie beispielwiese dem vermehrten Einsatz von Großbäumen, der Reduktion versiegelter Flächen oder der Unterstützung nachhaltiger und zirkulärer Bauweisen profitiert vor allem die Umwelt von einer künftig vermehrten Anwendung dieses Planungsinstrumentes.

Für Kommunen, gleichermaßen aber auch die Gesellschaft wichtig ist das Potential der Aufwertung des öffentlichen Raumes bei einer gleichzeitigen Verbesserung klimarelevanter Bestandteile. Die gezielte Anwendung auf einzelne Baufelder ermöglicht des Weiteren die Begünstigung des geförderten oder kostengünstigen Mietwohnungsbaus.

Die insgesamt gleichermaßen soziale, wirtschaftliche und umweltpolitische Zielsetzung des Instrumentes verspricht ein breites Wirkungsfeld über verschiedenste Größen von Kommunen.

Arbeitsschritte

Innerhalb der Bearbeitungszeit fanden drei Werkstattgespräche zu den Schwerpunkten Städtebau, Baurecht und Freiraum statt. In Vorträgen und Diskussionsformaten wurde das spezifische Fachwissen und Erfahrungen mit Bonusgeschossflächen-Regelungen der eingeladenen Architekt:innen, Landschaftsökolog:innen, Jurist:innen, Freiraumplaner:innen, Investor:innen, Wohnungsbauunternehmer:innen und Kolleg:innen aus der Verwaltung abgefragt.

Wohnungsneubauvorhaben in Österreich und Deutschland, die beispielhaft für die Anwendung bzw. die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Bonusgeschossflächen stehen, wurden recherchiert und analysiert. Für die Darstellung im Forschungsendbericht wurde eine Auswahl an 13 Fallstudien getroffen. Die Projektbeispiele sollen ein breites Feld an Wohnungsbauvorhaben in Deutschland und Österreich abdecken. Sie dienen als Good-Practice-Beispiele und zeigen die bereits vorhandene Erfahrung mit Bonusgeschossflächen als Steuerungswerkzeug auf.

Basierend auf Recherche und Analyse zahlreicher rechtskräftiger Bebauungspläne wurden 14 B-Pläne aus dem süddeutschen Raum ausgewählt und auf implementierte Regelungen zu Bonus GF analysiert. Die Auswahl deckt unterschiedlich große Wohnungsbauprojekte ab, zeigen gleichzeitig aber auch ein Spektrum bislang angewendeter Boni. Auch hinsichtlich der Flächenobergrenzen zeigen sich hier Unterschiede.

Im Anschluss wurde ein Katalog an Bonusgeschossflächenregelungen gesammelt, die Anreize für einen sozial- und klimagerechten Wohnungsneubau bieten, erstellt. Maßgeblich für die Auswahl der neun Bonusregelungen waren eine Abwägung der Wirksamkeit, ein einfach nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen Aufwand (Fläche oder Kosten) und Bonus, sowie das Ziel einer überschaubarer Anzahl klar definierbarer Boni. Ziel ist es, durch eine einfach nachvollziehbare Ergänzung bzw. Änderung das Werkzeug der Bonusgeschossfläche als Anreizsystem erfolgreich in der BauNVO zu verankern.

Um eine mögliche Implementierung von Bonusgeschossflächen-Regelungen in die BauNVO zu prüfen, erstellte der Kooperationspartner Wagensonner Rechtsanwälte einen Vorschlag zur rechtlichen Umsetzung.

Ergebnisse

Durch die Analyse und Auswertung bereits angewandter Bonusgeschossflächen-Regelungen, vor allem im Rahmen von Bebauungsplänen der Landeshauptstadt München, werden die bestehenden Erfahrungen erfasst und nachvollziehbar gemacht. In drei Werkstattgesprächen mit Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis sowie der Arbeitsgruppe B*GF des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten Bayern (BDA Bayern) wurde ein Katalog aus neun Bonus-GF-Regelungen erarbeitet.
Der Kooperationspartner Wagensonner Rechtsanwälte hat zur rechtlichen Umsetzung einen Vorschlag vorbereitet, der sich an bestehenden Instrumenten der Baunutzungsverordnung (BauNVO) orientiert. Idealerweise können die notwendigen punktuellen Ergänzungen als richtungsweisender Impuls in die anstehende Novelle der BauNVO einfließen.
Der konkrete Umsetzungsvorschlag zur Implementierung der Bonus-GF-Regelungen in die BauNVO priorisiert diese anhand ihres Wirkpotenzials im Hinblick auf sozial- und klimagerechte Belange wie folgt:

Neuer Standard: Automatismus. § 20 Abs. 4 BauNVO (Ergänzung)

• Zweite bauliche Rettungswege
• Unbeheizbare, allseitig wind- und wettergeschützte Freisitze

Bonusregel-Liste: Satzungsermächtigung für Gemeinden. § 20 Abs. 5 BauNVO (neu)

• Nicht unterbautes Grundstück oder Grundstücksteile für die Pflanzung von Groß-bäumen
• Ebenerdige Abstellräume für Fahrräder und Mobilitätshilfen
• Gebietsdienliche Gemeinschaftsräume
• Natürlich belichtete Aufenthaltsräume im Souterrain (ohne Wohnnutzung)
• Oberirdische Abstellräume auf Ebene der Wohnungen
• Langlebige, wiederverwertbare und nachhaltige Außenwandkonstruktionen
• Multifunktionale Klimadächer

Die große Herausforderung in der tatsächlichen Umsetzung besteht zweifelsohne in der frühzeitigen Berücksichtigung der Bonus-GF in der Städtebaulichen Planung. Bereits frühzeitig muss das potenzielle „Mehr“ an Baumasse durch Bonus-Reglungen mitbedacht werden, um die Grundzüge der städtebaulichen Planung einzuhalten. Die Bonus-GF ermöglicht größere Kubaturen (sowohl im Grundriss als auch ggf. in der Höhe), die aber dennoch hinsichtlich ihrer Abstandsflächen genehmigungsfähig sein müssen. Bauräume müssen also vorausschauend gewählt werden, um die ggf. tieferen oder höheren Baukörper zuzulassen.

Öffentlichkeitsarbeit

Sowohl der anfängliche Recherchezeitraum wie auch die aktive Bearbeitung des Forschungsprojekts waren stets von Dialog und inter- bzw. transdisziplinärem Austausch geprägt (siehe auch 4 Vorgehen und Methodik).
Wie bereits angeführt, ist die Bonus-Geschossfläche ein in Deutschland bisher weitgehend unbekanntes und wenig genutztes, kommunales Regelungswerkzeug. Ein Hauptanliegen des Forschungsprojekts besteht demnach darin, diesem optionalen Mittel zur Förderung eines sozial- und klimagerechteren Wohnungsneubaus, bundesweit Visibilität zu verschaffen und die Thematik in die anstehende Novelle der Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (BauNVO) einfließen zu lassen. Vor diesem Hintergrund wurden insbesondere die fortgeschrittenen Inhalte der Forschungsarbeit, an unterschiedliche Akteure u.a. aus Berufsverbänden, Wohnraumschaffenden, Baubehörden, Politik, Medien sowie Forschung und Bildung herangetragen.

Fazit

Das Ziel dieses Forschungsvorhabens war vor allem auch das Instrument der Bonus-Geschossflächen als Anreizsystem näher zu betrachten und ihm eine größere Visibilität zu verschaffen. Neben der Vorstellung des noch weitgehend unbekannten Planungsinstruments eröffnet vor allem auch die Prüfung der rechtlichen Umsetzungsmöglichkeiten einen neuen Handlungsspielraum für Kommunen und Stadtverwaltungen. Sie können durch die Anwendung der Bonus-GF sozial- und klimawirksame Aspekte im Wohnungsneubau gezielt adressieren und fördern.

Die vorgeschlagene Verankerung in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) vereinfacht und vereinheitlicht die bundesweite Anwendung der „Bonus-GF“ statt sie fragmentarisch anzuwenden und verleiht ihr zudem größere Sichtbarkeit. Gegenüber individueller Aushandlung besonderer Qualitäten -beispielsweise in städtebaulichen Verträgen- ist ihre Handhabung für alle Bauwerber transparent, da sie die Flächenkompensation für klima- und sozialgerechte Investitionen offen darlegt.

Übersicht

Fördersumme

114.000,00 €

Förderzeitraum

01.02.2022 - 30.06.2023

Bundesland

Bayern

Schlagwörter

Landnutzung