Projekt 37059/01

Evaluierung der modellhaften Anwendung von ORMOCER-Beschichtungen zum Schutz wertvoller historischer Glasmalereien vor klimatischen Einflüssen und anthropogenen Emissionen

Projektträger

Internationales Zentrum für Kulturgüterschutz & Konservierungsforschung (IZKK) Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC)
Bronnbach 28
97877 Wertheim
Telefon: +49 9342 9221 701

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die Entwicklung von Glas-ORMOCER® als gezielt angepasstes Konservierungsmaterial liegt mehr als 30 Jahre zurück. Für korrosionsempfindliche, mittelalterliche Glasoberflächen wurde es als Korrosionsschutzbeschichtung konzipiert - auch Verbundbeschichtung genannt. In Abwandlung der Auftragstechnik hat man das Glas-ORMOCER® am Erfurter Dom auch zur flächigen Sicherung stark geschädigter Glasbemalung auf modernen Echtantikgläsern eingesetzt. Die ältesten Pilotanwendungen der sogenannten Verbundbeschichtung zum Korrosionsschutz stammen aus dem Zeitraum von 1987 bis 1990. Seither wird das Material vor allem im Rahmen von Forschungsprojekten mit Leuchtturmcharakter eingesetzt. Die praktische Denkmalpflege steht dem Einsatz neuer Methoden und Materialien generell interessiert gegenüber, ist aber in der konkreten Anwendung sehr zurückhaltend, solange keine zuverlässigen Langzeiterfahrungen vorliegen. Langlebige und nachhaltige Konservierungsmaterialien sind allseits unentbehrlich, zumal vor dem Hintergrund des fortschreitenden Klimawandels, dessen korrosionsbeschleunigende Bedingungen bereits prognostiziert werden.

Für drei Pilotanwendungen des Glas-ORMOCER®s – an der Herrgottskirche in Creglingen, am Erfurter Dom und am Kölner Dom - liegen Zwischenbewertungen vor, deren positive Einschätzung nach einem weiteren Jahrzehnt und mittlerweile 30 Jahren Expositionszeit zu überprüfen waren.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenNeben der eingehenden visuellen Bewertung des Zustandes der beschichteten Glasoberflächen an allen drei Standorten durch Restauratoren sind an Beschichtungsproben schwingungsspektroskopische Untersuchungen im Labor durchgeführt worden, um strukturelle Aussagen zum Alterungsverhalten zu erhalten. Daraus lassen sich konservatorische Empfehlungen und Rahmenbedingungen für einen künftigen Einsatz von Glas-ORMOCER® formulieren. Dies schließt auch den Umgang mit der Reversibilität der „Altrestaurierung“ ein, also die Frage, ob und wie eine Entfernung des Glas-ORMOCER® von den behandelten Oberflächen möglich ist.


Ergebnisse und Diskussion

Die Beschichtungen auf den Glasoberflächen zeigen keine oder nur geringe, visuell erkennbare Veränderungen. Das Vorhandensein einer Außenschutzverglasung wirkt sich nachweislich positiv auf den Erhaltungszustand aus, da geschützte Beschichtungen tadellos erscheinen. Mikroskopische Untersuchungen der beschichteten Glasoberflächen und Vergleiche mit alten Detailaufnahmen (Referenzbereiche) belegen selbst 30 Jahre nach dem Auftrag durchweg eine gute Haftung des Glas-ORMOCER®s.

Für die Korrosionsschutzbeschichtung/Verbundbeschichtung weisen die schwingungsspektroskopischen Analysen von Beschichtungsproben mittels Infrarot- und Ramanspektroskopie nicht auf Materialveränderungen hin. Dies trifft auch zu, wenn die Beschichtung seit mehr als 30 Jahren der direkten Witterung ausgesetzt ist. Der visuell intakte, sehr dünne ORMOCER®-Auftrag zur flächigen Malschichtsicherung an Fenstern des Erfurter Doms zeigt im Schwingungsspektrum ebenfalls unveränderte Spektren, aber an einzelnen Proben auch erste Auffälligkeiten. Diese resultieren wahrscheinlich aus lichtinduzierten Spaltungsreaktionen des Bestanteils ParaloidTM B72, der in der Glas-OMROCER®-Mischung enthalten ist.

Das Alterungsverhalten des Glas-ORMOCER®s kann auf der Grundlage der vorliegenden Bewertung nach wie vor positiv beurteilt werden, was der Etablierung in die Restaurierung förderlich ist. Zuverlässige Konservierungsmaterialien reduzieren künftige Schäden an Objekten und verringern notwendig werdende konservatorische Maßnahmen. Darüber hinaus stellt die Entfernung von Altrestaurierungen einen wichtigen Aspekt dar, der für andere Materialgruppen teils mit gesundheitsgefährdenden und umweltschädlichen Chemikalien sowie vergleichsweise hohem Energieaufwand und materiellen Ressourcen verbunden ist. Die Reversibilität des gealterten Glas-ORMOCER®s ist nachweislich mit unbedenklichen Lösungsmitteln möglich (z. B. Methylethylketon aber auch Ethylacetat oder Butylacetat).


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

- Abschlussveranstaltung in der Glaswerkstatt des Erfurter Domes am 21.03.2023
- Deutsch/englischer Handlungsleitfaden zum Einsatz des Glas-ORMOCER®s auf der Fraunhofer ISC Website des IZKK
- Geplante Präsentation auf dem XII. Internationalen Forum für die Restaurierung und Technologie von historischen Glasmalereien des CMVA und ICOMOS, Erfurt, 17.– 19.07.2024

Veröffentlichungen
- Abschlussbericht nach DBU-Richtlinien, online
- F. Bornschein: Evaluierung der Malschichtsicherung an den Crodelfenstern des Erfurter Domes in den Jahren 2021/2022. Archiv für Mittelrheinische Kirchengeschichte, Band 74, 2022
- Füssenich, P.: 63. Dombaubericht, Kölner Domblatt, Band 87, 2022, S. 31 f.


Fazit

Die vorgesehenen Projektabschnitte verliefen inhaltlich planmäßig, jedoch traten aufgrund der anhalten Corona-Pandemie zeitliche Verzögerungen ein. Eine besondere Herausforderung stellte die analytische Untersuchung der äußerst dünnen und nur wenige Mikrometer großen Beschichtungsproben dar. Hier ließen jedoch auch wertvolle Erfahrungen zum Procedere gewinnen, von denen künftige Untersuchungen von kleinsten Proben profitieren können.

Die nachweislich guten Langzeiterfahrungen für den Einsatz des Glas-ORMOCER®s nach mehr als 30 Jahren Exposition sind ein beruhigendes Zeichen für die Objekte, bei denen das Material bereits zum Einsatz kam, und zugleich Ermutigung, es künftig vorbehaltloser einzusetzen. Auch wenn das Konzept der Korrosionsschutzbeschichtung an Bedeutung verloren hat, so ist das Konservierungsmaterial an sich interessant - zum Beispiel für die Sicherung geschädigter Malschichten auf Glasmalereien. Eine Außenschutzverglasung, die möglichst mit integriertem UV-Schutz kombiniert ist, wird nicht nur das Objekt, sondern auch die Lebensdauer der Beschichtung verlängern. Auch für die flächige Stabilisierung craquelierter Gläser in Bleiverglasungen kam das Glas-ORMOCER® bereits zum Einsatz oder zur Festigung glasierter Ziegel bzw. als Glasurersatz im Außenraum.

Übersicht

Fördersumme

62.339,00 €

Förderzeitraum

12.10.2020 - 31.12.2022

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter