Projekt 35992/01

Kunststoffbasiertes modulares System zur Anbindung und gleichzeitiger Entkopplung zwischen zueinander unverträglichen Baustoffsystemen

Projektträger

Materialforschungs- und -prüfanstalt an der Bauhaus-Universität Weimar
Coudraystr. 9
99423 Weimar
Telefon: 03643/564-181

Zielsetzung

Gipsgebundene Mauerwerkssysteme weisen innerhalb der historischen Bausubstanz eine deutlich stärke Verbreitung auf, als bis vor wenigen Jahren angenommen. Die Probleme beim Einsatz ungeeigneter Materialien für die Instandsetzung geschädigten gipshaltigen Mauerwerks sind hinlänglich bekannt. Die dafür oft eingesetzten Mörtel mit hydraulischen Bindemitteln bilden im Kontakt mit gipshaltigem Material und Feuchteeinwirkungen Treibmineralien, die zu extremen Bauteilschäden bis hin zur vollständigen Zerstörung eines Bauwerkes führten.
Im Rahmen von baulichen Instandsetzungen, die meist mit Umnutzungen verbunden sind, werden an historische Bauwerke und Baustrukturen aber oft neue, erhöhte Anforderungen gestellt (bspw. höhere statische Belastungen). Mauerwerk und Baustrukturen unter Verwendung gipshaltigen Materials müssen dafür entsprechend angepasst werden. In diesen Fällen ist oft der Einsatz hydraulisch gebundener Mörtelsysteme unumgänglich.
Projektziel ist die Entwicklung und Anpassung eines Mehrkomponentensystemes, welches gleichzeitig Entkopplungs- und Anbindungseigenschaften aufweist und daher in die Lage versetzt, in Bauwerken / Bauteilen zueinander unverträgliche Mörtelsysteme einzusetzen, wenn dies aus instandsetzungstechnischen Erfordernissen notwendig ist.
Im Unterschied zu bisherigen Ansätzen sollen die neuen Mehrkomponentensysteme multifunktional sein und neben einer räumlichen Entkopplung gleichzeitig weitere Anforderungen erfüllen. Diese sind beispielsweise die Verhinderung der Migration von gelösten Substanzen zueinander unverträglicher Baustoffsysteme bei gleichzeitiger konstruktiver Anbindung sowie eine Verringerung der Rissneigung durch thermoplastisches Verhalten.
Die Validierung der im Labor- und Demonstratormaßstab entwickelten Systeme und Technologien soll im Rahmen des Projektes an zwei Bauwerken mit geeigneten Anwendungsfällen und Instandsetzungsbedarf erfolgen.

Arbeitsschritte

Innerhalb des Forschungsprojektes sind die nachfolgenden Arbeitsschritte relevant:
Vorbereitende Arbeiten: Hierunter fallen u.a. die Recherche zu bereits vorliegenden Ansätzen für die materialtechnischen Entwicklungen, das Erarbeiten von Anforderungsprofilen für die zu entwickelnden Entkopplungssysteme sowie das Formulieren von Prüfungen und Testreihen.
Erfassen der aktuellen Situation an den Modellobjekten: Die beiden im Rahmen des Forschungsprojektes ausgewählten Modellobjekte, die Burg Winterstein und die Kirchhofmauer in Kleinbrembach, mit für das Projekt relevanten Mauerwerksstrukturen (Kalkstein / Gipsmörtel bzw. Gipsstein / Lehmmörtel) und Schadbildern (Schädigungspotential durch Grenzflächenreaktionen sulfatischer und hydraulischer Bindemittelsysteme) werden untersucht. Ziel ist dabei ein Erkenntnisgewinn bezüglich des Mauerwerksaufbaus sowie zur Schädigungssituation.
Entwicklung von Materialien im Labormaßstab: Auf Basis der am Modellobjekt gewonnenen Erkenntnisse werden die stofflichen und technologischen Randbedingungen für die Entkopplungsschichten präzisiert. Die notwendigen Ausgangsmaterialien werden getestet, Rezepturen erarbeitet, modifiziert und verschiedenen Untersuchungen unterzogen, um Erkenntnisse beispielsweise zum Wasseraufnahmeverhalten, der Dichtigkeit, zum Verbundverhalten bzw. der Beständigkeit gegenüber bestimmten Belastungssituationen (Salz- und Feuchteexposition, thermische und hygrische Beeinflussungen) zu gewinnen. Insbesondere sollen Möglichkeiten der Entwicklung eines bitumenfreien Abdichtungs- und Entkopplungssystems untersucht werden. Dies erfolgt mit einem Hersteller für Spezialprodukte für das Bauwesen, mit welchem eine assoziierte Projektpartnerschaft besteht.
Verifizieren der im Labor entwickelten Produkte und Technologien im Demonstratormaßstab: Die unter Laborbedingungen entwickelten Entkopplungsvarianten werden unter Praxisbedingungen an Mauerwerkskörpern getestet. Diese werden realitätsnah exponiert und einem regelmäßigen Monitoring über den gesamten Projektzeitraum unterzogen.
Anlegen von Musterachsen an den Modellobjekten: Die Erfahrungen beim praxisnahen Einsatz der Entkopplungssysteme an den Mauerwerkskörpern werden an den beiden Modellobjekten umgesetzt. Der Eigentümer der Burg Winterstein, die Stadt Waltershausen, ist als Projektpartner an diesen Arbeiten beteiligt, beispielsweise durch Gerüststellung und Unterstützung bei der Realisierung der Musterachsen. Zum Projektende erfolgen gezielte Mauerwerksöffnungen, um für die Praxis relevante Parameter, wie Beständigkeit, Verbundverhalten und die Verhinderung der Migration gelöster Salze zu ermitteln.

Ergebnisse

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes zeigen, dass eine wirksame Entkopplung zueinander unverträglicher Mauerwerkssysteme möglich ist. Für das Entkopplungssystem wurde ein in der Baupraxis bewährtes Abdichtungssystem auf Basis einer Bitumen-Acrylat-Dispersion adaptiert und für die zusätzlichen Anforderungen angepasst.
Im Zuge des Projektes wurde ein weiteres, bitumenfreies Entkopplungsmaterial getestet, welches eine Neuentwicklung des assoziierten Projektpartners darstellt.
Perspektiven für die Anwendung einer solchen Entkopplung werden in erster Linie im Zusammenhang mit der Sanierung von Mauerkronen gesehen, aber auch in der Verbindung von Bestandsmauerwerk zu neu geschaffenen Bauteilen. Eine Anbindung der entkoppelten Mauerwerksstrukturen ist prinzipiell über die Haftzugeigenschaften der Entkopplungsschicht gegeben, sollte aber, insbesondere bei höheren statisch-konstruktiven Anforderungen, durch zusätzliche Maßnahmen gesichert werden. Hier sind beispielsweise Zugankerverbindungen, die die Entkopplungsschicht durchdringen, denkbar. Diesbezügliche Untersuchungen erfolgten allerdings im Projektrahmen nicht. Als großer Vorteil des gewählten Entkopplungssystems erweist sich dagegen dessen thermoplastisches Verhalten, welches eine Abdichtungswirkung auch bei beträchtlichen thermisch oder hygrisch induzierten Mauerwerksbewegungen beibehält.
Bezüglich der Ausbildung der Entkopplung im Bereich von Mauerkroneninstandsetzungen sind – je nach den Wasseraufnahmeeigenschaften des Mauermaterials – sowohl flächige Entkopplungen als auch Abdichtungen im Bereich der Stoßfugen möglich. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile: Eine flächige Abdichtung weist deutlich weniger Schwachstellen gegenüber einer Migration von Wasser und darin gelöster Bestandteile auf, fungiert jedoch gleichzeitig als Sperre und möglicherweise als konstruktive Schwächezone. Durch Entkopplungen in der Fugenebene wird Letzteres vermieden, aber um den Preis eventuell höherer Anfälligkeit für eine Ionenmigration bei Feuchtebelastung. Zudem ist hier entsprechend dichtes Steinmaterial Voraussetzung für die Wirksamkeit.
Wesentlich für die Dauerhaftigkeit und Funktionsfähigkeit der Entkopplung ist die Einhaltung einer Mindestschichtdicke. Im Falle der bitumenfreien Variante ist die Mindestschichtdicke sogar von noch größerer Bedeutung: Die Erfahrungen haben gezeigt, dass ein Durchbrechen der Feuchtesperre bei zu geringer Schichtdicke hier noch eher möglich erscheint als bei der bitumenhaltigen Variante der Entkopplungsschicht.
Der Anwendungsfall „Entkopplung von Putzflächen vom Mauerwerk“ wird prinzipiell als realisierbar erachtet, jedoch wird dadurch der Feuchtehaushalt des Gesamtsystems Mauerwerk - Oberfläche stark verändert. Daher sind hier die Einsatzmöglichkeiten im Vorfeld einer solchen Anwendung genau zu prüfen.
Abschließend kann festgestellt werden, dass die im Projektantrag gestellten Ziele erreicht wurden. Durch die dargestellte und in der Praxis erprobte Entkopplung zueinander unverträglicher Mauerwerkssystem ist eine Nutzung vorhandener Baustruktur bei veränderten Anforderungen aufgrund von Umnutzungen bzw. Erweiterungen möglich. Gleichzeitig wird damit eine Möglichkeit dargestellt, vorhandene Mauerwerkssysteme wirksam zu schützen und damit zum Erhalt bestehender baulicher Strukturen beizutragen.

Öffentlichkeitsarbeit

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes wurden in einem Abschlussbericht zusammengefasst, der über die website der Deutschen Bundesstiftung Umwelt allgemein zugänglich ist.
Im April 2023 fand ein wissenschaftliches Kolloquium statt, welches sich dem Thema „Gipshaltiges Mauerwerk – Sanierungsprobleme und -strategien“ widmete und auf dem u.a. die Ergebnisse des Forschungsprojektes vorgestellt wurden. Die Vorträge des Kolloquiums sind in einem Band innerhalb der Schriftenreihe der Berichte des Institutes für Steinkonservierung e.V. (Bericht Nr. 64) enthalten.
Die im Forschungsprojekt erarbeitete und praktisch erprobte Technologie wird in der Baupraxis vorrangig spezialisierten Unternehmen im Bereich Sanierung vorbehalten bleiben, da es sich um den Bereich der Ertüchtigung historischer Bausubstanz handelt. In diesem Bereich spezialisierten Planern und Ausführungsunternehmen soll diese Anwendung auch im Rahmen der Arbeit der MFPA Weimar bekannt gemacht werden.

Fazit

Das Forschungsprojekt hat gezeigt, dass es möglich ist, unter realen Bedingungen am Bauwerk zueinander unverträgliche Mörtelsysteme zu entkoppeln, wenn dies aus Gründen von Instandsetzungen, Modernisierungen und geplanten Umnutzungen unumgänglich ist. Damit existiert eine Instandsetzungsmethode, die vor allem auf die Anwendung im Bestandserhalt hinzielt. Das System hat sich bereits in seiner Ausgangskonstellation am Bau praktisch bewährt und kann auch dort eingesetzt werden, wo der Fokus mehr auf einer Abdichtung und weniger auf eine Entkopplung zueinander unverträglicher Mörtelsysteme liegt.

Übersicht

Fördersumme

118.730,00 €

Förderzeitraum

31.08.2020 - 31.03.2023

Internet

ww.mfpa.de

Bundesland

Thüringen

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik