Projekt 35813/01

Das Oddy-torium – Test von Restaurierungsmaterialien auf atmosphärische Korrosivität zum Schutz wertvoller Kulturgüter vor anthropogenen Luftschadstoffen

Projektträger

Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Lehrstuhl für Archäometrie und Konservierungswissenschaften
Am Weissenhof 1
70191 Stuttgart
Telefon: +49 711 28440261

Zielsetzung

Es ist die Aufgabe von Restaurator*innen, Kunst- und Kulturgüter zu erhalten. Dazu gehört auch, die Objekte vor schädlichen Einwirkungen zu schützen. Die Anreicherung von Schadstoffen in der Umgebung von Objekten sollte grundsätzlich vermieden werden. Grund für die Freisetzung und Ansammlung von Schadstoffen in der Raumluft können unterschiedlichste Materialien sein, beispielsweise Baustoffe, Vitrinen- oder Verpackungsmaterialien, aber auch die Objekte und die Restaurierungsmaterialien selbst können dafür verantwortlich sein. Baumaterialien für Vitrinen in Museen oder Materialien zur Präsentation in Ausstellungen werden längst systematisch mittels eines einfachen, beschleunigten Korrosionstests nach Oddy geprüft. Bei Bestehen des Oddy-Tests kann die Emission relevanter korrosiver Luftschadstoffe mit hoher Sicherheit ausgeschlossen werden.
Neu ist der im Vorfeld des Oddy-toriums aufgebrachte Gedanke, dass die Restaurator*innen selbst durch ihre Maßnahmen wie Klebungen, Festigungen und Retuschen dazu beitragen, dass Materialien eingebracht werden, die das Objekt schädigen können. Daher müssen auch Restaurierungsmaterialien wie z.B. Klebstoffe, Schutzlacke, Retuschier- und Festigungsmittel emissionsfrei sein, da sie im Objekt verbleiben und mit diesem ebenso in dichte Vitrinen gelangen oder sich, in mit Schutzverglasung versehenen Gemälden, anreichern können. Überraschenderweise wurden aber viele dieser Materialien bisher gar nicht getestet. Stichproben einiger viel verwendeter Produkte aus dem Fachhandel erwiesen sich sogar als deutlich korrosiv. Daher sollen im Projekt „Das Oddy-torium. Test von Restaurierungsmaterialien“ systematisch alle gängigen Restaurierungsmaterialien getestet werden. Ziel des Massen-Screenings von Restaurierungsmaterialien ist es, Restaurator*innen und dem Fachhandel eine informierte Auswahl der eingesetzten Produkte zu ermöglichen, ein entscheidender Schritt zur Verbesserung der Restaurierungsqualität.

Arbeitsschritte

Das im Forschungsprojekt „Das Oddy-torium"angewandte Verfahren des Oddy-Tests wurde in Grundzügen bereits in den 1970er Jahren von W. Andrew Oddy am British Museum entwickelt und ist seither mehrfach überarbeitet worden (Korenberg et al. 2018: 2). Das Hauptanwendungsgebiet des Oddy-Tests liegt in der Überprüfung eventuell belasteter Materialien aus dem Ausstellungs- und Aufbewahrungsbereich im konservatorischen Kontext und dem Austellungsbetrieb in Museen.
Die Schadgase werden dabei durch korrodierende Indikatormetalle (Blei, Kupfer und Silber) angezeigt Außerdem wurde bei der Beschreibung des Standardverfahrens von Green und Thickett (1995) 100% relative Luftfeuchtigkeit, 60 °C und eine Laufzeit von 28 Tagen als Parameter festgelegt (Green und Thickett 1995: 145-146). Das Einhalten eines detailliert standardisierten Ablaufs des Oddy-Tests ist notwendig, damit die Testergebnisse der unterschiedlichen Institutionen weltweit verlässlich und vergleichbar sind. Das aktuelle Standardprotokoll wurde von Korenberg et al. am British Museum entwickelt und 2018 publiziert. Die Oddy-Tests, die im Rahmen dieses Projektes durchgeführt werden, werden alle streng nach diesem aktuellen Standardprotokoll ausgeführt (vgl. Korenberg et al. 2018: 2).Besteht das Material den Test nicht, weiß man aber noch nicht, woran das liegt. Hier hat sich in Stuttgart die routinemäßige Untersuchung der gebildeten Korrosionsprodukte mittels Ramanspektroskopie als hilfreich erwiesen: Die Entwicklung nitroser Gase aus Cellulosenitrat ließ sich z. B. durch die Bildung basischer Kupfernitrate erkennen, Spuren von Ethylacetat in einem Lackfilm führten zur Bildung von Bleiacetat (Ziegler 2013). Dazu ergänzend kann in Stuttgart bei Materialien unbekannter Zusammensetzung deren Hauptkomponenten mittels FTIR-Spektroskopie untersucht werden. In Einzelfällen wurde auch auf die direkte Luftanalytik in Expositionskammern mittels Gaschromatographie zurückgegriffen, um emittierte Schadstoffe chemisch zu charakterisieren und zu quantifizieren. Dazu wurde eine Kooperation mit der Bundesanstalt für Materialforschung- und -prüfung (Dr. Wolfgang Horn, Prof. Dr. Oliver Hahn, Referat 4.5 Kunst- und Kulturguterhaltung) etabliert, die mit dem BEMMA-Verfahren (Bewertung von Emissionen aus Materialien für Museums-Ausstattungen) einen internationalen Standard zur Untersuchung entsprechender Fragestellungen entwickelt haben (BAM 2020).

Ergebnisse

Im Forschungsprojekt „Das Oddy-torium -Test von Restaurierungsmaterialien auf atmosphärische Korrosivität zum Schutz wertvoller Kulturgüter vor anthropogenen Luftschadstoffen“ wurden mehr als 250 gängige Restaurierungsmaterialien aus über 70 Jahren systematisch mit Hilfe des Oddy-Tests auf ihr Schadpotential untersucht. Als einzige Methode ermöglicht er solch ein Massen-Screening. Beim Oddy-Test handelt es sich um ein valides, allgemein anerkanntes und einigermaßen preiswertes Untersuchungssetup, welches im Rahmen des Projektes in Details weiter verbessert werden konnte. Dabei erwies sich, dass mehr als die Hälfte (!) aller Materialien Schadgase unter den Bedingungen des Oddy-Tests emittieren können. Diese Produkte sollten nach Möglichkeit nicht mehr verwendet werden. Damit ist erstmals eine wissenschaftliche Grundlage für eine Auswahl sicherer Restaurierungsmaterialien für den täglichen Bedarf gelegt. Ebenso kann in Restaurierungsakten danach gesucht werden, ob sehr stark emittierende Materialien bei historischen Konservierungsmaßnahmen eingebracht worden sind und das Objekt selbst oder die umgebenden Objekte dadurch stärker gefährdet sind. Die Ergebnisse zu den Materialien wurde unter anderen auf einer Objektwebseite open source publiziert. Da auch Lösemittelreste wie z.B. Acetatester, die noch lange aus applizierten Stoffen ausgasen können, korrosiv sein können, wurde das Protokoll des Oddytests für Lösungsmittel-basierte Produkte verbessert.
Der Zeit- und Kostenplan wurde eingehalten. Die Laborarbeiten wurden mit größter Sorgfalt mit Mikromengen durchgeführt und alle Chemikalien sachgerecht entsorgt.

Oddytorium Projektwebseite

Öffentlichkeitsarbeit

Im Rahmen des Projektes wurde der Öffentlichkeitsarbeit sehr große Aufmerksamkeit gewidmet. Eine umfangreiche eigne Webseite wurde konzipiert und im Laufe des Projektes immer wieder aktualisiert (https://www.abk-stuttgart.de/forschung/forschungs-projekte/konservierung-und-restaurierung-von-kulturgut/standard-titel.html). Da sich aus dem Projekt heraus immer wieder neue Forschungsideen zum Thema ergeben, sollen diese in die Projektwebseite auch nach Projektende weiter bestehen und n aktuelle Forschungen eingearbeitet werden. Die Fachwelt wurde in verschiedensten Tagungen, Fachpublikationen und Webseiten (https://www.restauratoren.de/das-oddy-torium-neues-von-den-celluloseethern/) und der Webseite der Zeitschrift RESTAURO (https://www.restauro.de/das-oddy-torium-test-von-restaurierungsmaterialien/urde) informiert. Auf einen in Heritage Science (https://doi.org/10.1186/s40494-022-00688-4) publizierten Artikel zu Celluloseethern wurde über 6000-mal (Januar 2024) zugegriffen, was auf großes Interesse bei der Restauratorenschaft bezeugt. Weitere aus dem Projekt hervorgegangene Forschungsergebnisse werden Auch nach Projektende publiziert.

Fazit

Kulturgüter müssen nicht nur vor der Auswirkung der ubiquitären Umweltbelastung und Schadstoffen aus der Umgebung geschützt werden, sondern auch vor Emissionen aus durch Restaurierungsmaßnahmen eingebrachten anthropogenen Materialien.Im Projekt wurden über 250 gängige Restaurierungsmaterialien aus über 70 Jahren systematisch mit Hilfe des Oddy-Tests auf ihr Schadpotential untersucht. Als einzige Methode ermöglicht er solch ein Massen-Screening. Der Forschungsansatz und die Zusammenarbeit mit den Projektpartnern hat sich vollumfänglich bewährt.

Übersicht

Fördersumme

124.912,00 €

Förderzeitraum

16.08.2020 - 31.10.2023

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter