Projekt 35720/01

Kollaborativ die Umweltwirkungen entlang der Lieferkette messen – Berechnung von lieferketten-spezifischen Produkt-Fußabdrücken über die Cloud

Projektträger

sustainabill GmbH
Im Mediapark 5
50670 Köln
Telefon: *49 221 29191 940

Zielsetzung

Um eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist ein Wandel der heutigen Produktions- und Konsummuster dringend erforderlich. Jedoch ist die Debatte um nachhaltiges Wirtschaften und nachhaltigen Konsum immer noch wenig faktengetrieben. Zum einen fehlt es Unternehmen an Fakten, um die Nachhaltigkeit ihrer Geschäftsfelder und Produkte zu managen, zum anderen mangelt es Konsument/innen an Fakten, um nachhaltige Kaufentscheidungen treffen zu können. Lag dieser Umstand in der Vergangenheit mitunter noch daran, dass bei Unternehmen und Konsument/innen Nachhaltigkeit nicht im Fokus war, hat sich die Situation heute geändert: Immer mehr Unternehmen setzen sich Ziele, um die Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren und Produkte nachhaltiger herzustellen. So haben sich allein in 2020 über 300 globale Konzerne absolute Reduktionsziele im Rahmen der Science Based Targets (SBTi) gesetzt. Auch die verbraucherseitige Nachfrage nach Transparenz und Nachhaltigkeit steigt zunehmend (Straube 2016).

Dennoch wissen die meisten Unternehmen auch heute nicht, welche genauen Umweltauswirkungen mit ihren Produkten verbunden sind. Sie können somit weder proaktiv managen noch Ziele messen oder Fakten an Konsument/innen kommunizieren.
Aus der fehlenden Transparenz und Belastbarkeit von Umweltbewertungen resultiert, dass Konsument/innen sich bei ihren Kaufentscheidungen mangels quantitativer Kennzahlen und Fakten, die eine bessere Vergleichbarkeit von Produkten ermöglichen würden, auf eine verwirrende Vielzahl von Labels verlassen müssen. Die Labels werden nach qualitativen oder lediglich semi-quantitativen Maßstäben vergeben und erlauben meist keine Vergleichbarkeit zwischen gelabelten Produkten. Das führt wiederum dazu, dass Lieferanten, Produzenten und Hersteller lediglich die Mindestkriterien der Labels erfüllen, aber keine Motivation haben, über einen Mindeststandard hinaus Verbesserungen zu erzielen, zumal dies für Endkund/innen nicht transparent wird.

Vor diesem Hintergrund war das Ziel dieses Projektes, die Machbarkeit und die Praxisanwendung einer automatisierten Software-Lösung für die oben geschilderten Herausforderungen zu entwickeln und zu evaluieren. Die Software-Lösung setzt auf Ergebnisse des EU FP7-Forschungsprojekts myEcoCost auf, in dessen Rahmen ein Konzept für eine Ermittlung von Umweltwirkungen entlang der Produkt-Wertschöpfungskette angelehnt an die finanzielle Buchhaltung entwickelt wurde. Ermöglicht werden soll ein Netzwerk in der Cloud, das für alle Unternehmen der Lieferkette einen Mehrwert bietet: Lieferanten können wesentliche Nachhaltigkeitsdaten ohne Expertise einfach und schnell verwalten und die Daten mit anderen Unternehmen in der Lieferkette teilen. Retailer und OEMs (Original Equipement Manufacturers) können den Fußabdruck der gesamten Lieferkette und den Beitrag der Umweltauswirkungen einzelner Lieferanten-Standorte und Materialien zu ihren jeweiligen Produkten erfassen, gezielt Maßnahmen einleiten, überwachen und die Ergebnisse an ihre Kund/innen weitergeben.

Arbeitsschritte

Das Projektvorhaben setzt auf eine bestehende Software, die sustainabill Cloud-Plattform auf. Die Plattform wurde entwickelt, um Unternehmen eine bessere Einsicht in ihre Lieferkette mit dem Fokus auf Nachhaltigkeitsrisiken zu ermöglichen. Die Plattform bietet eine effiziente Kooperation aller Akteure entlang der Lieferkette, indem alle beteiligten Standorte, von der Farm bis zum Händler, untereinander vernetzt werden und die Lieferbeziehungen der jeweiligen Produkte und Zutaten anhand der GPS-Koordinaten der betreffenden Standorte abgebildet werden.
Der Aufbau des Lieferketten-Netzwerks basiert auf der Annahme, dass meistens der Handel oder Lieferanten, die weiter am Ende der Lieferkette positioniert sind, Interesse daran haben, ihre Lieferkette besser zu kennen. Zunächst werden die direkten Lieferanten eingeladen, sich auf der Plattform zu registrieren, ihre Daten zu hinterlegen und mit dem Kunden zu teilen.
Diese Abfrage wird anschließend vom Lieferanten an den Vorlieferanten gesendet. Somit besteht immer bereits ein Geschäftsverhältnis zwischen dem anfragenden Unternehmen und dem Lieferanten. Die Anfrage wandert so von Knoten zu Knoten der Lieferkette bis zum Ursprung der Rohstoffe. Dieses Vorgehen wird auch „Supply Chain Mapping“ genannt. Im Rahmen des Mappings werden die Lieferbeziehungen automatisch digital abgebildet. Zahlende Nutzer/innen können die jeweils eigene vorgelagerte Lieferkette dann visualisieren und analysieren, Lieferanten können ihre eigenen Daten mit verschiedenen Kunden teilen, managen und die Daten ihrer direkten Lieferanten einsehen.
Die sustainabill Cloud-Plattform unterstützt damit bereits bei der Lösung eines zentralen Problems, das sich Unternehmen beim Bewerten der Umweltauswirkungen ihrer Lieferkette stellt: Es wird möglich, die Vorlieferanten zu identifizieren, zu kontaktieren, weitere Daten abzufragen sowie diese Daten über die gesamte Lieferkette auszuwerten. In dem Projekt wurde als Bestandteil der sustainabill Cloud-Plattform eine Lösung für die zweite Hürde – hoher Aufwand und Komplexität beim Management von CO2-Emissionen entlang der Lieferkette – erarbeitet.
Den Ablauf der Umsetzung erfolgte in fünf Schritten. Zunächst wurden im ersten Schritt Anforderungen identifiziert und im zweiten Schritt die grundlegenden Prozesse sowie die erforderlichen Daten spezifiziert und die sogenannte User Journey anhand von Mockups dargestellt. Datenanforderungen wurden unter anderem aus der Zusammenarbeit mit verschiedenen Unternehmen identifiziert.
Zusätzlich wurden bestehende Standards und Frameworks betrachtet. Basierend auf den so identifizierten Anforderungen wurde der Proof of Concept (PoC) als Teil der bestehenden sustainabill Cloud-Plattform implementiert. Im dritten Schritt wurde die Software zunächst intern getestet und dann – nach Veröffentlichung auf dem Produktiv-System von sustainabill – Feedback von Anwender/innen eingesammelt. Darauf basierend erfolgte im vierten Schritt eine Überarbeitungsschleife. Abschließend wurden im letzten Schritt die finalen Ergebnisse in einem Evaluierungsworkshop vorgestellt und im Zusammenhang mit den aktuellen Entwicklungen bestehender Standards und Frameworks mit Vertreter/innen aus Industrie und Praxis diskutiert.

Ergebnisse

Als Anforderungen wurden zum einen freiwillige und verpflichtende Standards sowie Gesetze identifiziert, die Nachhaltigkeitsanforderungen an die Lieferkette umfassen. Darunter die Global Reporting Initiative, das GHG Protocol und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.
Basierend auf den Anforderungen wurden die entsprechenden Prozesse spezifiziert, die anschließend in der Software umgesetzt wurden.
Wie zuvor beschrieben wurde der Prozess als Teil einer bestehenden Lösung umgesetzt. Daher sind Teile der beschriebenen Prozesse bereits vor dem Vorhaben umgesetzt, werden aber hier –der Vollständigkeit halber und um den gesamten Prozess abzubilden – ebenfalls dargestellt.

Der Prozess, um die Daten für die Lieferanten zu erfassen, umfasst folgende Schritte:
1. Einladen der Lieferanten
2. Status Quo-Bewertung
3. Umfassende Transparenz
4. Auswertung und Reporting

Die Lieferanten erhalten über die sustainabill Cloud-Plattform eine Verbindungs-Anfrage via Mail. Sind die Lieferanten noch nicht auf der Plattform registriert, können Sie sich in einem einfachen, vierstufigen Prozess durch Eingabe der Unternehmens- und Standortdaten registrieren.
Nach der Registrierung wird der Lieferant dazu aufgefordert, das Unternehmensprofil mit Daten anzureichern, um den Status Quo aufzuzeigen. Dadurch kann eine Einschätzung erfolgen, wo der Lieferant beim Thema Klimaschutz steht. Je nachdem, welche Informationen dem Lieferanten vorliegen und welcher Umfang an Daten angestrebt wird, gibt es unterschiedliche Ebenen, wie Daten erfasst werden können. Alle Lieferanten werden direkt nach der Registrierung dazu aufgefordert, eine Selbst-Einschätzung durchzuführen.
Gibt ein Lieferant in der Selbsteinschätzung an, dass er bereits Treibhausgase nach dem GHG Protocol erfasst, erhält er automatisch die Aufforderung, diese Daten im Unternehmensprofil zu hinterlegen.
Im Anschluss an eine Status Quo-Bewertung kann ein Unternehmen entscheiden, ob bzw. an welcher Stelle die Transparenz auch für die vorgelagerte Lieferkette geschaffen werden sollte. Diese Informationen können dazu dienen, einen spezifischen PCF zu berechnen und zu kommunizieren oder CO2-Risiken entlang der gesamten Lieferkette besser einzuschätzen und zu adressieren. Um die Transparenz zu erhöhen, wird auf die bestehende Supply Chain Mapping-Funktion der sustainabill Cloud-Plattform zurückgegriffen.
Zur Datenauswertung wurde im Rahmen des Förderprojektes eine Auswertung von Lieferanten-Standorten nach Höhe der Scope1,2-Emissionen umgesetzt sowie eine Auswertung der Produkt-Emissionen nach Gewicht oder Stückzahl.

Öffentlichkeitsarbeit

Zur Evaluierung des Ansatzes wurde zum Projektende ein digitales Expertengespräch veranstaltet. An der Veranstaltung haben insgesamt 23 Vertreter/innen aus Wissenschaft und Praxis teilgenommen. Auf dem Workshop wurde vorgestellt, welche Herausforderungen in Bezug auf das Erfassen von CO2-Emissionen entlang der Lieferkette bestehen, welche Standards es gibt und wie der Lösungsansatz mit der sustainabill Cloud-Plattform aussieht. Im Rahmen des Workshops konnte der entwickelte Ansatz validiert werden.

Fazit

Im Rahmen des Projekts konnte ein PoC erfolgreich umgesetzt und in die bestehenden Prozesse der sustainabill Cloud-Plattform integriert werden. Während des Projektverlaufs konnte sustainabill weitere Kunden gewinnen. Inzwischen sind mehrere tausend Lieferanten auf der Plattform registriert.
Die sustainabill Cloud-Plattform hat Modellcharakter, indem sie zeigt, dass eine Kollaboration entlang der Lieferkette mit dem Ziel, Nachhaltigkeitsinformationen zu ermitteln und zu Auswirkungen reduzieren, mit einer technischen Lösung für Unternehmen pragmatisch umsetzbar ist. Dies gibt damit auch politischen Bemühungen um verstärkte regulatorische Maßnahmen wie dem EU-Lieferkettengesetz Rückenwind.
Als Cloud-Plattform lässt sich sustainabill schnell und einfach skalieren: Mehr Lieferanten auf der Plattform verringern den Aufwand für neue Kunden, da ihre Lieferanten potenziell schon registriert sind und Daten schon für andere sustainabill-Kunden eingegeben und geteilt wurden. Somit können gerade KMUs profitieren, wenn große Unternehmen mit entsprechender Marktmacht vorangehen und die Informationen von Lieferanten bereits eingefordert haben.
Insgesamt zeigt die Erfahrung im Rahmen von Verkaufsgesprächen, dass das Thema Klimaschutz in der Lieferkette bei fast allen deutschen Unternehmen noch am Anfang steht. Der Treiber, sich mit Nachhaltigkeit in der Lieferkette auseinanderzusetzen, ist derzeit primär die Vorbereitung auf das ab 1.1.2023 bzw. 1.1.2024 geltende Lieferkettengesetz. Die überwiegende Zahl der Unternehmen, die sich mit Klimaschutz befassen, fokussieren sich derzeit noch auf die Emissionen an den eigenen Standorten (Scope1 und 2). Darüber hinaus gibt es einen anhaltenden Trend, CO2-Emissionen zu kompensieren und sich dadurch als klimaneutrales Unternehmen darzustellen, was durchaus kritisch zu sehen ist (Kreibicha und Hermwille 2021).
Die steigenden Reporting-Anforderungen im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive der EU sowie der aktuelle Vorschlag zum EU-Lieferkettengesetz zeigen aber, dass sich Unternehmen zukünftig vermehrt mit CO2-Emissionen ihrer Lieferkette auseinandersetzen müssen. Die sustainabill Cloud-Plattform kann Unternehmen dann entsprechend die Informationen liefern, die sie für die gezielte Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen entlang der Lieferkette benötigen.

Übersicht

Fördersumme

124.995,00 €

Förderzeitraum

31.08.2020 - 28.02.2022

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter