Projekt 35553/01

Perennierende Pflanzen für innerstädtische Versickerungsmulden. Low-Tech-Konzepte mit Stauden zur Versickerung und zur Förderung der Biologischen Vielfalt

Projektträger

Technische Universität Berlin FG Vegetationstechnik und Pflanzenverwendung
Königin-Luise-Str. 22
14195 Berlin
Telefon: +49 30 314 71275

Zielsetzung

Anlass
Städtische Agglomerationen leiden besonders unter den Auswirkungen des Klimawandels. Den schon bestehenden Urban Heat Island Effect verstärken immer höhere Durchschnittstemperaturen, was Urban Heat Waves zu Folge haben kann. Aber auch Starkregen und in der Folge Überflutungen werden häufiger. Solche extremen und gegensätzlichen Wetterphänomene, wie Dürreperioden und Starkregen, stellen Städte und ihre Bewohner*innen vor neue Herausforderungen. Somit sind Klimaadaptionsstrategien gefragt, die ausgleichend wirken, um an heißen Tagen zu kühlen und bei heftigen Regen überschüssiges Wasser aufzunehmen und es vor Ort zu versickern.

Die Vegetation trägt durch ihre aktive Rolle (Verdunstung, Rückhalt, Speicherung, Reinigung) entscheidend zur Pufferung von Wasser-Extremsituation auf Freiflächen bei. Deshalb wird ein gezielter Einsatz von Pflanzen weiter an Bedeutung zunehmen. Grüne Infrastruktur leistet somit einen entscheidenden Beitrag zum Wasserhaushalt der Stadt. Insbesondere linearere Resträume, wie Vegetationsstreifen entlang von Wegen, Straßen und anderen Trassen können genutzt werden, um Maßnahmen des integrierten Regenwassermanagements umzusetzen. Solche dezentralen Regenwasseraufnahmebereiche zeichnen sich hinsichtlich Funktion, Herstellung und Wartung durch Einfachheit und Robustheit (Low-Tech Prinzip) aus. Bei Versickerungsmulden wird Regenwasser oberflächlich eingeleitet, kurzfristig zwischengespeichert (maximale Einstauhöhe 30 cm) und dann versickert. Bislang wurden solche Mulden fast ausschließlich mit Rasen bepflanzt. Doch sie bieten ein großes Potential, um das städtische Umfeld aufzuwerten und die Biodiversität zu fördern. Allerdings ist über eine geeignete Auswahl an Pflanzen nur wenig bekannt. Auch weiß man nicht, wie sich diese auf die Tierwelt, insbesondere die Bestäuber, auswirkt.

Zielsetzung
Ziel ist es Erkenntnisse über die Entwicklung und Dynamik von Stauden in Versickerungsmulden zu sammeln. Der Stand des Wissens ist auf internationaler Ebene verstärkt auf hydraulische und hydrologische Fähigkeiten der Mulde ausgelegt und beschäftigt sich nur am Rande mit der Vegetation selbst, obwohl diese eine Schlüsselfunktion einnimmt. Gerade durch tiefgehende oder intensive Wurzeln ist die Vegetation in der Lage die Leistung der Versickerungsmulde zu verbessern. Es kann mehr Niederschlag aufgenommen, sowie auch mehr verdunstet werden, was der Umgebung zur Kühlung der Quartiere zu Gute kommt. Außerdem fördern artenreiche Pflanzungen die Biodiversität und können die Lebensqualität in Städten verbessern. Dies gelingt nur, wenn die Pflanzen an diesem extremen Standort vital sind. Es ist eine große Herausforderung, da die Pflanzen sehr gegensätzlichen Stressfaktoren ausgesetzt sind: sie müssen (mitunter sehr lange) Trockenperioden überdauern aber auch tolerant gegen zeitweise bzw. länger anhaltende Überstauung durch Wasser (nach Regelwerk max. 24h) sein. Deshalb gibt es bislang eine große Unsicherheit im Umgang mit solchen Standorten.
Üblicherweise werden Versickerungsmulden mit Rasen bepflanzt. In Berlin existieren einige wenige Bepflanzungen mit Bäumen und Sträuchern, nicht aber mit Stauden. Solche Gehölze sind in Versickerungsmulden zwar aus stadtklimatischer Sicht erwünscht, in Berlin und anderen Städten aber bis 2021 nicht erlaubt gewesen. Zudem wird es nicht immer möglich sein, Bäume zu setzen (geringer Platz, geringe Bodenauflage, Problem der Verschattung). Daher existiert ein großes, stadtweites und städteübergreifendes Potential für die Verwendung von Stauden in Versickerungsmulden.

Fachgebiet Vegetationstechnik udn Pflanzenverwendung / ForschungBerliner Regenwasseragentur / Versickerungsmulden

Arbeitsschritte

Im Rahmen dieser Förderung werden auf zwei unterschiedlichen Modellstandorten Versickerungsmulden mit einem identischen Aufbau für eine Staudenmischung bestehend aus 17 Arten und zwei unterschiedlichen Oberbodengemischen realisiert. Der Versuch wird auf dem Forschungsgelände des Fachgebiets Vegetationstechnik und Pflanzenverwendung in Berlin-Dahlem und in Berlin-Rummelsburg an einem urbanen Standort durchgeführt.
Dahlem: Auf dem Forschungsgelände sind es standardisierte Versickerungsmulden, um die Entwicklung der Pflanzen ohne Fremdeinwirkung untersuchen zu können. Die Pflanzen werden gemischt über die Fläche verteilt (12 Stk./m²), die einfließenden Wassermengen werden entsprechend der tatsächlichen Niederschläge simuliert. Um das Verhalten der Einzelarten und ihre Strategien bezüglich der Stressphänomene noch genauer verstehen zu können, werden die ausgewählten Arten zusätzlich in einem Reinbestand mit je 4 Stück pro Wassertonne gepflanzt. Auch hier werden die entsprechenden Umweltbedingungen simuliert.
Rummelsburg: Für die Pflanzungen im Stadtraum wird eine bestehende 120m² Mulde umgestaltet, indem die Rasensode abgetragen, das alte Substrat ausgetauscht und mit der identischen Pflanzenmischung wie sie auf den Forschungsflächen in Dahlem vorzufinden ist, bepflanzt wird. Die ausgewählte Versickerungsmulde im Stadtraum liegt in einem Wohnumfeld im Alice-und-Hella-Hirsch-Ring wird von den Berliner Wasserbetrieben unterhalten.
Entwicklung der Pflanzung/Pflegemanagement
Nach der Anwachsphase erhalten die bepflanzten Versickerungsmulden keine zusätzliche Bewässerung mehr (ggf. im ersten Sommer nach 3-wöchiger Dürre mit einer Notbewässerung). Als Pflege sind mehrere Durchgänge in denen Unkraut entfernt wird vorgesehen. Zudem werden die Pflanzungen im zeitigen Frühjahr (Ende Februar/ Anfang März) zurückgeschnitten.
Identische Datenerhebung auf der TU Versuchsfläche und im Stadtraum
Nach der Erfassung des Anwachserfolgs wird über die gesamte erste und zweite Vegetationsperiode die Vitalität der Pflanzung, Performance der einzelnen Arten und deren Blütenanzahl ermittelt. Am Ende der Vegetationsperiode im September wird der Deckungsgrad der Pflanzung (projektive Bodenbedeckung) geschätzt und die Ausbreitung der Einzelpflanzen festgehalten. Bei der Mischung in den Versickerungsmulden erfolgt eine getrennte Kartierung und Datenerfassung der Böschungssituationen und der Sohle. Die Installation von mehreren Tensiometern in unterschiedlichen Tiefen dient der Erfassung des pflanzenverfügbaren Bodenwassergehalts im Jahresverlauf, der während der gesamten Versuchszeit ausgelesen wird. Am Ende der zweiten Vegetationsperiode bzw. am Ende der Messungen und Beobachtungen der gesamten Forschung erfolgt zusätzlich eine Messung der ober- und unterirdischen Trockenmasse (Wurzellänge und Durchmesser) einzelner Pflanzen (3-5 Arten).
Zudem ist eine abschließende und vergleichende Bodenanalyse des Oberbodensubstrates der Stadtmulde in Lichtenberg und Forschungsmulde in Dahlem interessant, um den Schadstoffgehalt in den oberen 10cm festzuhalten.

Akzeptanzerhebung der Versuche im Stadtraum
Die Akzeptanz der Bepflanzung der neu bepflanzten Versickerungsmulde und deren Etablierung wird im Stadtraum getestet. Hierfür werden zu unterschiedlichen Jahreszeiten an der bereits benannten und vorgesehenen Versickerungsmulde die Entwicklung der Mischpflanzung mit Fotos dokumentiert. Diese werden zur Befragung der Bevölkerung genutzt, um Aufschluss über die Akzeptanz und Erlebbarkeit von divers bepflanzten Versickerungsmulden zu geben.

Biodiversitätserfassung auf der TU Versuchsfläche und im Stadtraum
In Zusammenarbeit mit Insektenexpert*innen wird die Interaktion zwischen bestäubenden Insekten (z. B. Honig- und Wildbienen, Schwebfliegen, Tagfalter) und Pflanzen untersucht. Dabei werden Blütenbesuche mit einem standardisierten Verfahren gezählt und bestimmten Kategorien zugeordnet. Zudem wird eine Gesamteinschätzung der Bestäuberdiversität erfolgen. Anhand der Daten wird die Habitatqualität der Bepflanzung für bestäubende Insekten ausgewertet.

Auswertung der Ergebnisse
Die Erhebung der Daten findet an drei Zeitpunkten während der Vegetationsperiode statt. Die Datenaufbereitung und Auswertung erfolgen jeweils nach der Vegetationsperiode in den Wintermonaten. Im Zentrum der Untersuchung steht die Entwicklung/Performance der Bepflanzung unter den jeweiligen gegebenen realen Konditionen. Durch den Vergleich der Stadt- und Forschungsmulden können Aussagen über die Standortbedingungen und Rückschlüsse auf den Einfluss von Schadstoffeinträgen gemacht werden, die insbesondere durch die Aufnahme der Vitalitäten beobachet werden können.

Öffentlichkeitsarbeit

Der Wissenstransfer in Wissenschaft, Praxis und Zivilgesellschaft soll in Form von Veröffentlichungen in einschlägigen Fachzeitschriften und Vorträgen sichergestellt werden. Zudem werden die Forschungsergebnisse über die „Berliner Regenwasseragentur“ Verbreitung finden.
Der Stand des Wissens sowie erste Erkenntnisse potentieller Pflanzen für Versickerungsmulden wurden bereits auf dem Galabau-Symposium in Wilsdruff 2019, an der Hochschule Osnabrück innerhalb des Forschungskolloqiums und im Arbeitskreis Pflanzenverwendung (Forschungsbereich Bund deutscher Staudengärtner) vorgestellt. Weitere Fachtagungen für die Zukunft sind angedacht.
Für die zentrale Vorstellung der Ergebnisse und dem Abschluss des Forschungsprojektes ist eine Fachtagung an der Technischen Universität Berlin in Kooperation mit der Regenwasseragentur geplant. In diesem Kontext können auch die Untersuchungsstandorte vor Ort besucht werden und ein praxisnaher Austausch mit Interessierten stattfinden.

Übersicht

Fördersumme

124.247,00 €

Förderzeitraum

28.10.2020 - 31.10.2024

Bundesland

Berlin

Schlagwörter

Klimaschutz
Umweltforschung