Projekt 35223/01

Entwicklung eines ganzheitlichen Konzepts zur Erfassung, Aufbereitung und nachhaltigen stofflichen Verwendung bisher nicht nutzbarer Sekundärfaserquellen (1. Phase)

Projektträger

TBP Future GmbH
Fischerstr. 6 A
85368 Moosburg
Telefon: +49 8761 7181332

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Der Substitution von Plastikprodukten durch nachhaltige und rezyklierbare Faser- bzw. Papier basierte Produkte wird insbesondere im Verpackungsbereich eine hohe Priorität eingeräumt. Vor diesem Hintergrund würde die stoffliche Nutzung bisher nicht erschlossener Altpapierquellen für die Produktion von umweltkompatiblen und problemlos zu entsorgenden Verpackungslösungen zweifelsfrei einen erheblichen Beitrag zur Reduktion gravierender Umweltbelastungen durch Plastikmüll leisten können.
Grundlage für einen nachhaltigen und effizienten Ressourceneinsatz ist ein funktionierender und möglichst geschlossener Stoffkreislauf, der auf mehrfach rezyklierbare Sekundärrohstoffe beruht und somit weitestgehend auf Primärressourcen verzichtet. In dieser Hinsicht kann sich die Papierindustrie zu Recht als Vorbild einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft bezeichnen, denn schließlich wird kaum ein anderes Produkt häufiger stofflich wiederverwertet als Papier. In Deutschland z. B. ist Altpapier mit einer Einsatzquote von ca. 79 % der mit Abstand wichtigste Rohstoff für die Papierherstellung. Mit dieser hohen Recyclingquote und der Ver-wendung nachwachsender Rohstoffe ist die Papierindustrie bereits heute Vorreiter auf dem Weg zur Bioökonomie.
Doch obwohl eine weitere Schließung der Stoffkreisläufe durchaus möglich und ökonomisch sowie ökologisch wünschenswert wäre, hat sich die Menge an rezyklierbarem Altpapier einem Grenzwert angenähert und Experten gehen davon aus, dass die Altpapiereinsatzquote nicht mehr deutlich über 80 % gesteigert werden kann. Diese Limitierung beruht zwar zu einem Teil auf Papierprodukte, die entweder archiviert oder gezielt vernichtet bzw. durch ihren bestimmungsgemäßen Gebrauch so verändert werden, dass sie für die stoffliche Verwertung grundsätzlich nicht mehr in Frage kommen (Hygieneprodukte). Neben diesen nicht mehr nutzbaren Produkten existiert jedoch noch ein ernstzunehmender Anteil, der stofflich durchaus verwertbar wäre, aber nach dem gegenwärtigen Stand der Technik nicht aufbereitet werden kann, da es sich um sogenannte schwer rezyklierbare Produkte handelt, wie zum Beispiel nassfeste Spezialpapiere (Etiketten, Banknoten- und Sicherheitspapiere usw.). Aus diesem Grund dürfen viele Papierprodukte auch nicht im Altpapier entsorgt werden, weshalb ohne eine entsprechende Aufbereitungstechnologie auch noch kein Markt existiert oder geschaffen werden kann, auf dem sie erfolgreich gehandelt und schließlich rezykliert bzw. stofflich weiterverarbeitet werden könnten.
Daraus resultiert der Anlass des Projektes neue Aufbereitungsmöglichkeiten zu entwickeln, die in der Lage sind genau die genannten Sekundärrohstoffquellen aufzubereiten und damit nutzbar zu machen.



Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten Methoden
Die Projektidee besteht deshalb in der Entwicklung von neuen Konzepten und geeigneten technologischen Lösungen, um diese schwer zerfaserbaren und derzeit nicht rezyklierbaren Materialien zu erfassen und einer geeigneten stofflichen Nutzung zuzuführen. Zu diesem Zweck soll eine Rohstoffplattform entwickelt werden, die in der Lage ist, Anfallquellen für schwer zerfaserbare Produkte von Erzeugern, Verarbeitern, Verbrauchern und Entsorgern zu identifizieren, zu erfassen und zu charakterisieren, um deren Nutzungs- und Wiedereinsatzmöglichkeiten zu analysieren sowie deren Aufbereitung und die erneute stoffliche Verwertung zu organisieren. Dazu gehört auch die Erfassung der Bedingungen für die Zerfaserbarkeit und der Trennung faseriger von nichtfaserigen Anteilen nach der Trockenzerfaserung. Diese Rohstoffplattform soll dynamisch und allgemein zugänglich sein.
Die Projektidee basiert auf der Erfahrung, dass die hier interessierenden Produkte unter den aktuellen Gegebenheiten weder durch das etablierte Altpapiersammel-system erfasst werden können noch geeignete Aufbereitungstechnologien existieren, weshalb sie in der Regel keiner stofflichen Verwertung zugeführt werden. Da-für ist es notwendig die verschiedenen Faserquellen, die wahrscheinlich sehr unter-schiedliche Charakteristika aufweisen, zunächst zu identifizieren und in eine über-schaubare Zahl klar definierter Kategorien einzuteilen. Dies setzt natürlich einerseits voraus, dass die Produkte schonend vereinzelt werden können und ohne Qualitätseinbußen lager- und transportfähig sind, da oftmals nicht die Produkte selbst, sondern der aufbereitete Faserstoff bereitgestellt werden soll. Darüber hinaus gilt es entsprechende Methoden zu entwickeln, mit denen die Faserstoffe ausreichend charakterisiert werden können, um das Faserpotenzial zur Ableitung besonders geeigneter Einsatzmöglichkeiten zu bestimmen. Der Handel der aufbereiteten Fasern soll dann über eine internetgestützte Plattform erfolgen, über die sich Abnehmer und Kunden verständigen.
Aufgrund der Komplexität und des hohen Entwicklungsbedarfs des ambitionierten Vorhabens haben wir uns auch auf Anraten der DBU dazu entschieden das Projekt in zwei Phasen durchzuführen und dementsprechend auch zu beantragen. Zentrales Anliegen der Phase I war die Entwicklung der notwendigen neuen Aufbereitungstechnologien (AP1) sowie die Entwicklung von Analyse- und Bewertungsmethoden zur zuverlässigen Charakterisierung der trocken aufgeschlossenen Fasern und der Bewertung des Faserreaktivierungs- und Bindungspotenzials zur Ableitung von besonders geeigneten Einsatzmöglichkeiten (AP2).
Die Technologieentwicklung des AP1 umfasst dabei schwerpunktmäßig die trockene Einzelfaserzerlegung der im Nassprozess nicht zerfaserbaren Papierprodukte und der dafür erforderlichen Konzeptionierung der Prozesskette inkl. der notwendigen Peripherie und Schnittstellen. Neben der Einzelfaserzerlegung stand auch die Grundlagenentwicklung von möglichen Trockensortierprozessen zur Abtrennung unerwünschter Teilfraktionen auf der Agenda des Forschungsvorhabens. Besonderer Fokus lag jedoch auf die Entwicklung einer technologischen Prozesskette zur Einzelfaserzerlegung und dem erfolgreichen Aufbau einer Technikumsversuchsanlage im industriellen Maßstab. Demgegenüber waren für die Sortierung nur Versuche im Technikumsmaßstab vorgesehen. Im Hinblick auf die erzielbare Faserqualität standen v.a. Untersuchungen zur Bewertung der allgemeinen Einflüsse der Prozess- und Produktparameter auf das Zerfaserungsergebnis im Mittelpunkt sowie Methoden zur Charakterisierung der Trockenfasern.
Gemäß den genannten Schwerpunkten wurden die folgenden Meilensteine im Vorfeld der Vorhabensdurchführung zur Kontrolle der Zielerreichung formuliert:
Übersicht der Meilensteine und wann diese erreicht sind:

M 1-1 Erfolgreicher Aufbau und Test einer Technikumsversuchsanlage für die Trockenzerfaserung
M 1-2 Erfolgreicher Aufbau und Test einer Technikumsversuchsanlage für die Sortierung
M 2 Erfolgreiche Kopplung der Teilprozesse Zerfaserung und Sortierung zu einer kontinuierlichen Prozesskette und Tests mit realen Produkten
M 3 Erfolgreiche Entwicklung von Methoden zur Charakterisierung trocken aufbereiteter Faserstoffe, einschließlich Schnelltest
M 4 Zuverlässige Bewertung des Faserreaktivierungs- und Bindungspotenzials
Die nachfolgende Ergebnisdarstellung orientiert sich an den genannten Meilensteinen, wobei aus Gründen der Übersichtlichkeit und entsprechend der Gewichtung der Zielstellungen des Forschungsvorhabens die Meilensteine M 1-2 + M 2 sowie M 3 + M 4 zu jeweils einem Untergliederungspunkt zusammengefasst wurden. Zur besseren Verständlichkeit und um den Leser besser mit dem Kernthema der Trockenaufbereitungstechnologie vertraut zu machen, werden darüber hinaus zunächst die allgemeinen Einflüsse der relevanten Prozess- und Produktparameter auf das Trockenzerfaserungsergebnis dargestellt, bevor anschließend die entwickelte Prozesskette und konkrete Anwendungsbeispiele vorgestellt werden. Danach erfolgt eine detaillierte Charakterisierung der Trockenfasern im Vergleich zu nass aufbereiteten Faserstoffen und eine Bewertung des Faserreaktivierungs- und Bindungspotenzials. Es folg eine ausführliche Betrachtung der Sortierung des trocken aufbereiteten Faserstoffs zur Abtrennung unerwünschter Störstofffraktionen. Zum Schluss folgt eine abschließende ökologische, technologische und ökonomische Bewertung der Vorhabensergebnisse im Abgleich mit dem Stand der Technik sowie eine Darstellung der geplanten Maßnahmen zur Fortführung des Projekts (Phase II) sowie geplanter Veröffentlichungen der Projektergebnisse.
- Einfluss der Anlagen- und Prozessparameter auf das Zerfaserungsergebnis und Methoden zur Produkt- und Faserstoffbewertung
- Aufbau einer Prozesskette zur Trockenzerfaserung im industriellen Maßstab und Technikumsversuche mit realen Produkten und Testbetrieb in Papierfabriken
- Charakterisierung von Trockenfasern und Bewertung des Faserreaktivierungs- und Bindungspotenzials sowie Vergleich mit nass aufbereiteten Faserstoffen
- Entwicklung von Sortierprozessen im Technikumsmaßstab und Kopplung mit der Zerfaserung zur Abtrennung von unerwünschten Fraktionen am Beispiel von ausgewählten, praxisrelevanten Produkten
- Abschließende ökologische, technologische und ökonomische Bewertung der Vorhabensergebnisse im Abgleich mit dem Stand der Technik
- Darstellung der geplanten Maßnahmen zur Fortführung des Projekts (Phase II) sowie geplanter Veröffentlichungen der Projektergebnisse




Ergebnisse und Diskussion

Im Ergebnis der Phase I des zweigeteilten F&E-Projekts konnte eine mobile Anlage zur Trockenzerfaserung im Industriemaßstab aufgebaut werden, wobei durch zahl-reiche Tests und Papiermaschinenversuche die Praxistauglichkeit der Aufbereitungstechnologie nachgewiesen werden konnte. Ferner war es durch die Kopplung mit nachgeschalteten Sortierverfahren möglich die Störstofffraktionen von belasteten Produkten zu entfernen und so auch solche Produkte wieder stofflich zu verwerten. Durch die Ableitung geeigneter Reaktivierungsmaßnahmen konnte zudem das Festigkeitspotenzial von trocken aufbereiteten Faserstoffen auf das Niveau von Zellstoff erhöht werden. Damit ermöglicht die Trockenzerfaserung die stoffliche Nutzung von mindestens 1.000.000 t/a Sekundärfaserquellen, die nach dem aktuellen Stand der Technik nicht aufzubereiten sind. Der damit einhergehende Verzicht auf Primärfasern, zum Beispiel bei der Papierherstellung, stellt einen erheblichen Beitrag zur Umweltschonung und zur nachhaltigen Nutzung wertvoller Ressourcen da. Darüber hinaus ermöglicht das Trockenaufbereitungsverfahren auch das Recycling von faserbasierten Verpackungsprodukten, die als Alternativen zu Kunststoffverpackungen verstärkt auf den Markt drängen und mit den konventionellen Nassaufbereitungstechnologien nicht oder nur stark eingeschränkt aufbereitet werden können. Dies stellt einen weiteren wichtigen umweltrelevanten Beitrag zur Stärkung und Ausweitung der zirkulären Bioökonomie dar.
Um das skizzierte Potenzial voll ausschöpfen zu können sollen in Phase II in Zusammenarbeit mit einem Recyclingunternehmen die weiteren Schritte zum Aufbau der Rohstoffplattform vorangetrieben werden. Wesentliche Kernziele der Phase II sind die Lokalisierung der Quellen, die Untersuchung der erforderlichen Aufbereitungsschritte und die Ableitung geeigneter produktspezifischer Verwertungsmöglichkeiten.



Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation


Artikel im Wochenblatt für Papierfabrikation
Rohstoffkosten senken, Produkteigenschaften verbessern
o Ausgabe 10/2020, S. 508-511

Artikel im Professional Papermaking
How to reduce raw material costs and improve product properties
o Ausgabe 2/2020, S. 48-51

Artikel in der Sächsischen Zeitung
Wie Wolle ein Müllproblem löst
o Ausgabe vom 25.01.2021, S. 12

Online-Vortrag auf der eREC Konferenz
Dry Pulping: Stoffliche Nutzung bisher nicht nutzbarer Faserquellen
o Mai 2021

Online-Vortrag auf der Cepi 4evergreen Veranstaltung
Dry Pulping
o Juni 2021

Online-Vortrag auf einer Veranstaltung des Innovationsnetzwerk „Gebäude O.K.“
Impulsvortrag im Juni 2021

Vortrag auf der Biorefinery Conference in Graz
Raw Material Costs Reduction and Energy-Saving by Dry Pulping - A Field Report from Paper Mills
o Graz, 19.05.2022

Vortrag auf dem IMPS (Internationales Münchner Papiersymposium)
Industrielle Erfahrungen mit der Trockenzerfaserung bei der Papierherstellung
o München, 23.-25. Mai 2022

Vortrag auf dem Technischen Ausschuss des VNOP (Verband Nord- und Ostdeutscher Papierfabriken
Erfahrungen mit der Trockenzerfaserung im Industrieeinsatz
o Osnabrück, 24./25. Mai 2022

Vortrag auf dem Symposium der Papieringenieure 2022
20. bis 22. Oktober 2022 im AlpenCongress Berchtesgaden

Abschließend möchten wir auf unsere Homepage www.tbp-future.com aufmerksam machen.




Fazit

Mit dem erfolgreichen Aufbau einer Versuchsanlage zur Trockenzerfaserung konnte ein Aufbereitungsprozess entwickelt werden, mit dem gemäß den Zielstellungen der Phase I bisher nicht nutzbare Sekundärfaserquellen schonend in Einzelfasern zerlegt und bei Bedarf auch Nicht-Faserbestandteile und Störstoffe abgetrennt werden können. In Labor- und Technikumsversuchen wurde der Nachweis erbracht, dass der trocken aufbereitete Faserstoff uneingeschränkt für die erneute Papierherstellung oder die Herstellung anderer faserbasierter Produkte wie Biokomposite oder Dämmmaterialien verwendet werden kann. Zudem konnten Möglichkeiten zur Faserreaktivierung und zur Steigerung des Bindungspotenzials abgeleitet werden, so-dass die Trockenfasern auch als vollwertiger Zellstoffersatz eingesetzt werden können. Damit trägt der Trockenaufbereitungsprozess zur Sicherung der Rohstoffversorgung der Papierindustrie oder anderer Altpapier- bzw. Faserstoff verarbeitender Industriezweige bei. Die stoffliche Nutzung der bisher nicht nutzbaren Sekundärfaserquellen und die damit einhergehende Einsparung von Primärrohstoffen stellt damit auch einen erheblichen Beitrag zur Umweltschonung und zur nachhaltigen Nutzung wertvoller Ressourcen dar.
Auf Basis des entwickelten Trockenaufbereitungsprozesses konnten mobile Testanlagen im Industriemaßstab umgesetzt werden, die bereits in zahlreichen Papierfabriken im industriellen Einsatz erfolgreich getestet werden konnten. Dabei konnten bereits mehrere hundert Tonnen Trockenfasern hergestellt und auf unterschiedlichsten Papiermaschinen eingesetzt werden. Die Phase I ist damit außerordentlich erfolgreich verlaufen und es konnte die erforderliche technologische Basis und Grundvoraussetzung für die Schaffung der anvisierten Rohstoffplattform in Phase II gelegt werden, welche planmäßig direkt im Anschluss beginnen soll.
Kernziele der Phase II sind die Lokalisierung der Quellen, die Untersuchung der erforderlichen Aufbereitungsschritte (Trockenzerfaserung und ggf. vor- und nachgeschaltete Sortierung) und die Ableitung geeigneter produktspezifischer Verwertungsmöglichkeiten. Darüber hinaus stehen noch verfahrenstechnische Optimierungsarbeiten des Trockenzerfaserungsprozess aus. Durch eine Dosiervorrichtung mit vorgeschaltetem Puffer soll die Vorzerkleinerung von der Einzelfaserzerlegung entkoppelt und damit der Gesamtprozess am optimalen Arbeitspunkt, d.h. beim minimalen spezifischen Energieeinsatz, betrieben werden. Die Aufbereitung der bisher ungenutzten Faserquellen, die in vielen Fällen eine Abtrennung der Störstoffe beinhaltet, soll in einem spezialisierten Aufbereitungszentrum stattfinden. Ein solches Aufbereitungszentrum ist neben der Rohstoffplattform das zentrale Element für die umfangreiche stoffliche Nutzung der bisher nicht nutzbaren Sekundär-faserquellen, da nur im Zusammenspiel der vollständigen Erfassung und der jeweils erforderlichen produktspezifischen Aufbereitung die aufgezeigten Potenziale zur Umweltschonung und Ressourceneinsparung ausgeschöpft werden können.

Übersicht

Fördersumme

337.385,00 €

Förderzeitraum

01.02.2020 - 31.03.2022

Bundesland

Bayern

Schlagwörter

Ressourcenschonung
Umwelttechnik