Projekt 35171/01

Ziel erreicht? Mahdgutübertragung in der Renaturierungspraxis

Projektträger

Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) Professur für Landschaftsökologie und Landschaftsplanung
Heinrich-Buff-Ring 26 - 32
35392 Gießen
Telefon: +49 641 9937162

Zielsetzung

Naturschutzfachlich wertvolle Grünlandgesellschaften sind durch Intensivierung der Landwirtschaft oder Nutzungsaufgabe zunehmend gefährdet, sodass ihre Wiederherstellung im Fokus einer Vielzahl von Forschungs- und Naturschutzprojekten steht. Im Rahmen dieser Projekte wurde zur Überwindung der Ausbreitungslimitierung die Übertragung von samenreichem Mahdgut von pflanzenartenreichen Restbeständen der Zielartengemeinschaften erprobt. Da eine langfristige Beobachtung der Entwicklung der so renaturierten Flächen jedoch in vielen Projekten nicht möglich ist, sind der langfristige Erfolg und die dafür relevanten Faktoren weitgehend unbekannt. Mahdgutübertragung wird häufig in der Renaturierungspraxis angewendet. Da jedoch oft nur wenig Austausch zwischen den Anwendern sowie zwischen Wissenschaft und Praxis besteht, sind die vorhandenen Erfahrungen sehr häufig nicht der breiten Praxisöffentlichkeit zugänglich.
Das Ziel des Projekts war es daher, auf Grundlage einer umfassenden Datenanalyse Mindeststandards für das Verfahren der Mahdgutübertragung zur Artanreicherung in Grünlandgesellschaften abzuleiten, deren Anwendung das Risiko des Scheiterns zukünftiger Renaturierungsprojekte minimiert. Dabei sollten sowohl eigene Renaturierungsprojekte als auch Praxisprojekte ohne wissenschaftliche Begleitung mit einem standardisierten Monitoring über Lebensräume hinweg betrachtet werden. Weiterhin sollten die Erfahrungen von Praktikern aus Verwaltung, Umweltplanung, Umsetzung und Landwirtschaft einbezogen werden.

Arbeitsschritte

Das Projekt umfasste drei Arbeitspakete:
AP1: Renaturierte Stromtalwiesen und zugehörige Spenderflächen am hessischen Oberrhein wurden 13-16 Jahre nach der Mahdgutübertragung vegetationskundlich sowie hinsichtlich Boden- und Biomasseeigenschaften untersucht. Die Daten wurden ausgewertet und es wurde ein Manuskript ausgearbeitet, das nach einem Begutachtungsprozess in dem internationalen Fachjournal „Frontiers in Ecology and Evolution“ veröffentlicht wurde.
AP2: Es wurde mit Hilfe von Interviewpartnern ein Flächenpool aus Praxisprojekten zusammengestellt, um lebensraumübergreifende Faktoren für erfolgreiche Mahdgutübertragungen zu untersuchen. Renaturierungsflächen und zugehörige Spenderflächen wurden vegetationskundlich untersucht sowie Boden- und Biomasseproben genommen. Im Rahmen der Vorbereitung eines wissenschaftlichen Fachartikels zu AP2 laufen zum Berichtszeitpunkt noch tiefergehende Auswertungen.
AP3: Es wurden Interviews mit Praktikern der Mahdgutübertragung durchgeführt und transkribiert. Mittels qualitativer Inhaltsanalyse wurden Erfolgsfaktoren der Mahdgutübertragung vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Studienlage abgeleitet. Ein Artikel zu AP3 wurde im internationalen Fachjournal „Global Ecology and Conservation“ publiziert.

Ergebnisse

AP1: Die meisten Zielarten auf den renaturierten Flächen sind in ihrer Vorkommenshäufigkeit stabil geblieben oder haben zugenommen. Die landwirtschaftliche Nutzbarkeit der Renaturierungsflächen war nicht negativ beeinflusst, die Erträge der Renaturierungsflächen lagen über denen der Spenderflächen. Die Mahdgutübertragung hatte langfristig eine moderate Anreicherung von Zielarten zur Folge, unabhängig von der Bodenvorbereitung. Hohe Produktivität, enge C/N-Verhältnisse im Boden sowie häufige Überflutung waren mit niedrigerem Renaturierungserfolg assoziiert. Wir empfehlen, Mahdgutübertragung bei Grünlandrenaturierungsprojekten mit der gezielten Einsaat schwer zu etablierender Arten zu kombinieren. Langfristiges Monitoring ist sinnvoll, um den Erfolg abzusichern sowie die sich durchsetzenden Erfolgsfaktoren zu identifizieren. Daher empfehlen wir die standardmäßige Durchführung von Begleituntersuchungen, die etwa durch die Einrichtung von Dauerbeobachtungsflächen frühzeitig vorbereitet werden sollte.
AP2: Die untersuchten Flächen decken ein breites Spektrum hinsichtlich der Ziellebensräume und des Alters der Maßnahmen ab. Die Auswertungen ergaben höhere Renaturierungserfolge bei trockenen Grünlandgesellschaften im Vergleich zu den übrigen Grünlandtypen. Ein Grund könnte sein, dass die Empfängerflächen bei den trockenen Lebensräumen zum Zeitpunkt der Mahdgutübertragung oft Rohböden aufwiesen. Der geringste Erfolg wurde bei Flächen mit vielen Wechselfeuchtezeigern festgestellt. Vermutlich standen aufgrund der kleinräumig wechselnden hydrologischen Bedingungen auf den Empfängerflächen nur eingeschränkt geeignete Kleinstandorte für die Etablierung der Zielarten zur Verfügung.
AP3: Die befragten Praktiker der Mahdgutübertragung sahen verschiedene Faktoren als bedeutsam an, z. B. die standörtliche Eignung der Empfängerflächen, intensive Flächenvorberereitung oder eine angepasste Folgepflege. Diese Erfolgsfaktoren wurden in den betrachteten wissenschaftlichen Studien weitgehend untersucht. Darüber hinaus spielen nach Ansicht der Praktiker weitere Faktoren eine entscheidende Rolle, u.a. eine gute Koordination der Arbeitsschritte, wertschätzende Kommunikation und Vertrauen zwischen den Projektbeteiligten. Deswegen sollte ein besonderes Augenmerk auf die Identifikation wichtiger Stakeholder und den Aufbau vertrauensvoller Beziehungen gelegt werden. Vonseiten der Wissenschaft sollten neben technischen und ökologischen auch verstärkt soziale Aspekte betrachtet werden.

Öffentlichkeitsarbeit

Es wurde eine Projektbeschreibung auf der Internetseite der Universität Gießen veröffentlicht. Neben der Erstellung wissenschaftlicher Veröffentlichungen und der Vorstellung der Ergebnisse auf wissenschaftlichen Tagungen wurde im August 2023 ein Projektworkshop durchgeführt. In dessen Rahmen wurden die Projektergebnisse vorgestellt, Vertreter aus Renaturierungspraxis, Landwirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft tauschten sich zu Herausforderungen und Zielen der Renaturierung per Mahdgutübertragung aus. Die Projektergebnisse wurden im Rahmen mehrerer eingeladener Vorträge vorgestellt und finden so Eingang in unterschiedliche Projekte und Praxisleitfäden. Ein Fact-Sheet zum Thema „Monitoring von Renaturierungsmaßnahmen“ wird aktuell finalisiert.

Fazit

Das Projekt konnte zielgerecht und erfolgreich abgeschlossen werden. Die durchgeführten Gelände-Erhebungen decken ein breites Spektrum an Renaturierungsprojekten, Lebensräumen und durchführenden Akteuren ab. Dadurch konnten wir Einblicke in lebensraumübergreifende Erfolgsfaktoren bei der Grünlandrenaturierung gewinnen. Im Rahmen der durchgeführten Interviewstudie konnte eine Vielzahl an Akteuren erreicht werden, die meisten Interviewpartner haben sich zudem aktiv an der Netzwerkbildung im Projekt beteiligt. Der Projekterfolg war vor allem durch die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Projektbeteiligten möglich. Dies erhöht maßgeblich den Austausch zwischen Renaturierungsprojekten und unterschiedlichen Akteuren aus Naturschutz, Landwirtschaft, Behörden und der Wissenschaft und kann als Beispiel für weitere praxisnahe Forschungsprojekte zur Renaturierung dienen. Wir konnten zudem zeigen, dass Langzeitmonitoring einen wichtigen Bestandteil der Bewertung des Renaturierungserfolg darstellen sollte, da sich bei langfristiger Betrachtung sowohl der Renaturierungserfolg als auch treibende Faktoren verändern können. Dies zeigt, dass Langzeitmonitoring in Zukunft stärker bei der Förderung von Renaturierungsprojekten berücksichtigt werden sollte. Das Projekt bildet so eine maßgebliche Grundlage, um den Erfolg von Grünland-Renaturierungsprojekten in Zukunft langfristig zu erhöhen.

Übersicht

Fördersumme

212.850,00 €

Förderzeitraum

01.04.2020 - 31.12.2023

Bundesland

Hessen

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz