Projekt 34554/01

Schimmelbefall an Orgeln in Kirchenräumen – Entwicklung und modellhafte Erprobung von innovativen Strategien zur Prävention und Bekämpfung am Beispiel national wertvoller Kulturgüter

Projektträger

Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM)
Michaelisstr. 39
99084 Erfurt
Telefon: 0361/51800573

Zielsetzung

Viele Orgeln sind von Schimmelbefall betroffen. Die Pilze besiedeln Instrumente von Silbermann, Trost, Hildebrandt, Ladegast und anderen berühmten Orgelbauern, auch moderne Orgeln.
In dem auf die Ursachenforschung orientierten Projekt „Schimmelbefall an Orgeln in Mitteldeutschland (OSCHI, 2014-2018)“ wurden Einflussfaktoren identifiziert, die den Schimmelbefall an Orgeln begünstigen oder hemmen. Dabei hat sich gezeigt, dass natürliche und anthropogene Faktoren zusammenwirken und sich teilweise überlagern.
Ziel des im Oktober 2018 begonnenen Vorhabens war es, praktikable Strategien gegen einen Schimmelbefall an Orgeln zu entwickeln und zu erproben, die an den Ursachen des Pilzbefalls ansetzen, um auf Fungizid-Behandlungen wie auch auf kostspielige Umbaumaßnahmen künftig möglichst verzichten zu können. Die Zielgrößen solcher Eingriffe sollten präzisiert werden. Allgemeine Empfehlungen für die Prävention von Schimmelbildung an Orgeln in Kirchen sollten formuliert werden. Diese dürften auch auf andere sporadisch genutzte Innenräume (mit und ohne Orgeln) übertragbar sein.

Arbeitsschritte

Im ersten Arbeitsschritt wurden Modellobjekte ausgewählt und besucht, dabei Klimadatenlogger installiert, bauliche Gegebenheiten erfasst wie auch bereits getroffene Maßnahmen gegen Schimmel: z. B. Ozonbehandlungen, lokale Temperierung, technische Entfeuchtung, luftfeuchtegesteuerte Heizung/Lüftung. Die Arten und die Aktivität der vor Ort angetroffenen Pilze wurden bestimmt.
Im zweiten Arbeitsschritt wurden Laborversuche angestellt, um die Abhängigkeit der Isolate gegenüber Substraten, Klimaeinflüssen, Luftströmungen wie auch gegenüber anthropogenen Luftschadstoffen und unterschiedlichen Bioziden zu erkunden. Der Einfluss unterschiedlicher Behandlungsansätze auf „Orgel-Materialien“ wie Holz, Leder, Metall wurde untersucht. Außerdem fanden Versuche mit Ventilation, lokaler Temperierung und Luftentfeuchtung statt.
Im dritten Arbeitsschritt wurden an ausgewählten Objekten modellhafte Versuche ausgeführt: Auslage von Probekörpern mit "Schimmelhemmern" (SO2, Jod, Silber usw.). Zielwerte für Heizung/Lüftung wurden auf der Basis der Simulation der jeweils an Ort und Stelle gegebenen Wachstumsbedingungen festgelegt. Mobile Anlagen zur konservatorischen Temperierung, technischen Luftentfeuchtung wurden erprobt wie auch eine passive Dämmung des Orgelgehäuses bzw. der Wand, vor der die Orgel steht.
Das vierte Arbeitspaket beinhaltete die Auswertung der Daten und die Interpretation der Ergebnisse aus mikrobiologischer, bauklimatischer, restauratorischer und denkmalpflegerischer Perspektive wie auch aus der Sicht des beteiligten Orgelbauers. Die Ergebnisse wurden im Abschlussberichts zusammengefasst, der auch den „Werkzeugkasten“ enthält.

Ergebnisse

Ausgehend von den Ergebnissen des Projektes OSCHI, in dem nach den Ursachen des Schimmelbefalls an Orgeln gesucht wurde, wurden im Projekt SCHIK im Rahmen von Versuchen im Labor und an Modellobjekten Eingriffsmöglichkeiten erprobt.
Dabei zeigte sich, dass nur auf der Grundlage eines sorgfältigen und langfristigen Klimamonitorings konkrete Ableitungen hinsichtlich der Beeinflussung der mikrobiologischen Wachstumsbedingungen am jeweiligen Objekt getroffen werden können. Dem Klimamonitoring kommt somit eine zentrale Bedeutung zu.
Als wirksame Maßnahmen zur Vermeidung von Schimmelbefall erwiesen sich die Optimierung der Heizungssteuerung mit dem Ziel einer Absenkung der rel. Luftfeuchte in der Orgel auf Werte < 60–65%, eine passive Dämmung der Rückseite der Orgel bzw. der Wand, vor der die Orgel steht, die konservatorische Temperierung des Orgelinneren oder/und die technische Entfeuchtung desselben.
In enger Zusammenarbeit der beteiligten Mikrobiologen und Klimafachleute gelang die Entwicklung eines Computerprogramms zur Simulation der mikrobiologischen Wachstumsbedingungen in Abhängigkeit von den örtlich gegebenen Klimabedingungen. Dieses Programm erlaubt auch die Prognose der Wirksamkeit von geplanten Eingriffen.
In einem Folgeprojekt könnten diese Ansätze, die zu vielversprechenden Prototypen geführt haben, verfeinert und zur „Marktreife“ geführt werden, was hinsichtlich der Vielzahl der betroffenen Instrumente wünschenswert erscheint.

Zu den Projektergebnissen gehört auch der an zwei Objekten erhobene Befund, dass eine automatische Lüftung zur Abfuhr von Feuchtigkeit aus dem Innenraum der Kirche nach außen hinsichtlich der Schimmelvermeidung weniger wirksam sein kann, als angenommen, was die Forderung unterstreicht, etwaige Eingriffe nur auf der Basis solider Klimadatenerhebungen zu konzipieren und umzusetzen und auch die Wirksamkeit getroffener Maßnahmen mittels eines Klimamonitorings zu überprüfen.
Die Bekämpfung der Ursachen des Schimmelbefalls standen im Mittelpunkt des Projektes, weshalb die Wachstumsbedingungen der im Allgemeinen an den Orgeln angetroffenen Pilze im Labor weiter erkundet wurden, insbesondere die minimal time of wettness (minimale Keimdauer). Im Blick auf eventuell zu er-greifende flankierende Maßnahmen wurde die Ausrüstung gefährdeter Oberflächen mit verschiedenen Hemmstoffen untersucht. Als erfolgversprechend erwies sich insbesondere die Ausrüstung mit Jod + Laccase wie auch mit Zimtsäure. Auch diese Resultate müssten unter Realbedingungen am Objekt überprüft werden.
Als Empfehlung für betroffene Eigentümer, Bauverwaltungen, Orgelbauer, Denkmalpfleger und Ingenieure wurden ein „Werkzeugkasten“ zusammengestellt und der optimale Ablauf von der Diagnose über die Ursachenermittlung bis zu Behandlung und Nachsorge beschrieben.

Öffentlichkeitsarbeit

Im Januar 2019 berichtete der Mitteldeutsche Rundfunk in einem Fernsehbeitrag über das Vorhaben. Das Projekt wurde auf der Tagung „Klimazone Kirche. Präventive Konservierung der Ausstattung“ der HAWK Hochschule Hildesheim/ Holzminden/Göttingen vorgestellt (Hildesheim, 16. - 18. Januar 2019), siehe Loether et al. 2019.
In der Zeitschrift Denkmalpflege in Sachsen-Anhalt (DiSA) 2019, H. 1, S. 81–85 erschien der Beitrag „Forschungsprojekt zu Schimmelbefall an Orgeln in Kirchen: Prävention und Bekämpfung (SCHIK)“, (Hennen et al. 2019).
Zur VOD-Tagung in Erfurt fand am 12.06.2019 ein Workshop für Orgelsachverständige statt, an dem ca. 50 Personen teilnahmen. Der auf der Basis der Ergebnisse des Projektes OSCHI entwickelte Forschungsansatz wurde vorgestellt, in die Mess- und die Testverfahren eingeführt. In der Marienkirche Bad Berka wurden Nebelversuche vorgeführt, Klimamesstechnik vorgestellt und Möglichkeiten der Simulation der Wachstumsbedingungen präsentiert. Die Probennahme vor Ort und die mikroskopische Bestimmung der Pilze wurden demonstriert.

Das Projekt wird beim „Tag der Wissenschaft 2022“ in Wittenberg vorgestellt.
Im Rahmen der Denkmalmesse 2022 in Leipzig wird ein Kolloquium vorbereitet, um die Projektergebnisse zu präsentieren.
Der Abschlussbericht soll bis dahin publiziert werden.

Fazit

Ein sorgfältiges Klimamonitoring ist eine unabdingbare Voraussetzung zur Einschätzung des Schimmelrisikos und damit ein wichtiger Schritt zur Vermeidung von Schimmelbefall. Das Monitoring in der Orgel, im Kirchenraum und außen über wenigstens ein Jahr sollte deshalb auch allen Eingriffen in das Raumklima vorausgehen. Seitens der Projektbeteiligten wird die standardmäßige Ausrüstung von Kirchenräumen mit Klimadatenloggern empfohlen, da auch andere Ausstattungsstücke Schädigungen erfahren, die aus dem jeweiligen Klimabedingungen resultieren. Alle Eingriffe zur Senkung des Schimmelrisikos sollten schrittweise erfolgen, die Wirkung der einzelnen Maßnahme untersucht und bewertet werden, bevor weitere Schritte unternommen werden. Dadurch wird u.U. der Bauablauf verlängert, andererseits lassen sich nur so unnütze bauliche Eingriffe vermeiden.
In einem Folgeprojekt könnte das SCHIK-Simulationsprogramm im Sinne der Abschätzung des Schimmelrisikos unter veränderten Raumklimabedingungen zur Marktreife gebracht werden. Die im Projekt erprobten Maßnahmen gegen den Schimmelbefall der Orgeln – passive Dämmung, lokale Temperierung, technische Entfeuchtung – sollten auch unter energetischen Gesichtspunkten und im Blick auf andere gefährdete Ausstattungsstücke optimiert werden.

Übersicht

Fördersumme

119.894,00 €

Förderzeitraum

15.10.2018 - 31.12.2021

Internet

www.ekmd.de

Bundesland

Thüringen

Schlagwörter

Klimaschutz
Kulturgüter
Umweltforschung