Projekt 34426/02

Der Gebäudebestand steht vor einer Sanierungswelle – Dämmstoffe müssen sich den Materialkreislauf erschließen

Projektträger

ifeu Heidelberg Institut für Energie- und Umweltforschung gGmbH
Wilckensstr. 3
69120 Heidelberg
Telefon: 06221 476726

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Im Rahmen dieser Studie erfolgt eine Analyse der Verwertungswege der Dämmstoffe Stein- und Glaswolle, Expandiertes Polystyrol (EPS), Extrudiertes Polystyrol (XPS), Polyurethan (PU) sowie Holzfaserdämmstoffe. Ziel ist die Identifikation der organisatorischen, technischen und wirtschaftlichen Hemmnisse, die einer stofflichen Verwertung entgegenstehen. Dabei gewonnene Erkenntnisse und Daten wurden zudem dazu genutzt, die ökologische Bewertung der verschiedenen für die Dämmstofftypen zur Verfügung stehenden Entsorgungsoptionen neu zu bewerten und damit die Ökobilanzen aus dem vorangegangen Forschungsprojekt (DBU AZ 34426_01) ggf. fortzuschreiben. Um sich der Relevanz der Kreislaufführung von Dämmstoffen bewusst werden zu können, erfolgt zudem eine rechenmodellbasierte Prognose der zu erwartenden Dämmstoffmengen aus dem Rückbau bis 2050.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDiese Analysen erfolgen entlang der Akteurskette vom Rückbau bzw. der Anfallstelle der Dämmstoffabfälle bis zum Dämmstoffhersteller. Im engen Austausch mit den Akteuren werden Lösungsansätze herausgearbeitet und bewertet und wichtige Schnittstellen zwischen den Akteuren identifiziert.
Die Analyse erfolgt dabei „von hinten“, beginnend bei den Dämmstoffherstellern. Die für eine Rückführung in die Produktion erforderlichen Qualitäten werden erfasst und entlang der Akteurskette über Spezifikationen bis zur Baustelle weitergegeben. Die betrachteten Akteure sind: Dämmstoffhersteller, Sekundärrohstoffhersteller, Sortierer/Entsorger, Containerdienste und Rückbau-/Abrissunternehmen sowie Akteure auf Sanierungsbaustellen (Bauhandwerk, Bauwirtschaft). Die Untersuchung ist auf Baden-Württemberg ausgerichtet, wobei auch Dämmstoffhersteller einbezogen wurden, die ihre Standorte außerhalb der Landesgrenzen haben, um alle Dämmstofftypen in die Untersuchung einbeziehen zu können. Im Rahmen des Projektes wurden auch Anlagenbesuche durchgeführt. Für die Berechnungen der Ökobilanzen kommt die Software Umberto zum Einsatz. Die Mengenprognosen erfolgen durch das Gebäudemodellierungstool (GEMOD) vom ifeu.


Ergebnisse und Diskussion

Bis dato werden Dämmstoffe entweder energetisch genutzt (über Müllverbrennungsanlagen oder als Ersatzbrennstoff) oder im Falle Mineralwollen auf Deponien abgelagert. Andere mineralische Dämmstoffe, die bislang nur in kleinen Mengen zum Einsatz kommen, sind Bestandteil der Entsorgung von mineralischen Bauabfällen, haben dort aber keinen dezidierten Nutzen.

Aus ökologischer Sicht ist eine stoffliche Verwertung insbesondere von synthetischen Dämmstoffen vorteilhaft. Noch besser wäre eine Wiederverwendung. Für die in der Entsorgungswirtschaft aktuell relevanter werdenden Dämmstoffe EPS und Mineralwollen konnten erste stoffliche Verwertungswege aus dem Rückbau und der Sanierung von Gebäuden identifiziert werden.

Für in Produktion und auf Baustellen anfallende Verschnittreste bestehen für die betrachteten Dämmstofftypen stoffliche Verwertungsverfahren, die aus technischer Sicht auch für rückgebaute Dämmstoffe möglich wären, sofern die erforderlichen Reinheitsgrade und stofflichen Zusammensetzungen beachtet werden. Diese unterscheiden sich innerhalb der Dämmstofftypen.

Ein wesentliches Hemmnis ist die Verunreinigung der Dämmstoffe, die eine stoffliche Verwertung erschwert. Der Grad der Verunreinigung geht vorrangig mit der Verbauweise der Dämmstoffe einher. Dämmstoffe, die aktuell in Verbundsystemen verbaut sind, können nicht ohne Anhaftungen von Putz und Mörtel (Kleber) rückgebaut werden. Hier sind nachfolgend weitere gezielte Aufbereitungsschritte erforderlich.

Ein sortenreiner und möglichst rückstandsfreier Rückbau der Dämmstoffe ist Aufgabe der Baustellenakteure und erleichtert die anschließende Aufbereitung oder macht sie dadurch erst möglich. Auf Baustellen ist eine sortenreine Bereitstellung der Dämmstoffe trotz Platzmangel mit Zusatzaufwand möglich, wenn auf bspw. Big Bags zurückgegriffen wird und eine gute Zusammenarbeit mit Containerdiensten etabliert ist. Containerdienste können sich auch über verschiedene Containergrößen und Fahrzeuggrößenklassen flexibel auf die verschiedenen Anforderungen an Baustellen ausrichten.

Werden Dämmstoffe ab Baustelle als gemischte Bauabfälle erfasst, gelangen diese in Vorbehandlungsanlagen. Diese sind nicht immer auf eine umfassende Sortierung ausgelegt. Selbst moderne technisch gut ausgerüstete Anlagen separieren Dämmstoffe derzeit nicht, da für diese Sortierfraktionen zur stofflichen Verwertung noch kein Absatzmarkt vorhanden ist.

In der Branche werden Anlagen entwickelt und erforscht, um Dämmstoffsysteme, die nicht rückstandsfrei rückbaubar sind, bereits ab Baustelle ausreichend vorzubehandeln. Ob mobile Anlagen die erwünschten Reinheitsgrade erreichen, bleibt abzuwarten. Eine umfassende Aufbereitung u.a. von Dämmstoffen in Verbundsystemen und deren Nachsortierung kann wahrscheinlich nur bei Sortieren/Entsorgern in stationären Anlagen erfolgen.

Für die logistischen Herausforderungen etablieren sich erste Lösungen, indem Sammelstellen eingerichtet und Kooperationen zwischen Herstellern und Aufbereitern eingegangen werden. Eine Sammlung kann u.a. bei Sortierern / Entsorgern erfolgen.

Aus Sicht der Hersteller besteht ein zentrales Hemmnis für eine hochwertige stoffliche Verwertung und Rückführung in die Produktion in fehlenden Regelungen zum Abfallende. Denn selbst wenn Dämmstoffabfälle in ausreichend guter Qualität vorliegen, dürfen diese nur dann zurück in die Produktion geführt werden, wenn die Anlage über eine entsprechende immissionsschutzrechtliche Genehmigung verfügt. Bereits bei der Rücknahme von Baustellenverschnitt herrscht vereinzelt Unsicherheit bei dieser Thematik.


Fazit

Der Erfolg der stofflichen Verwertung der Dämmstoffe ist abhängig von dessen Reinheitsgrad in der Bereitstellung ab Baustelle. Selbst lose verbaute Dämmstoffe werden oftmals nicht ausreichend sauber getrennt. Hier sind Rückbauunternehmen sowie das Bauhandwerk gefordert, den gesetzlichen Pflichten gemäß GewAbfV zur Getrennthaltung nachzukommen. Eine diesbezüglich standardisierte Vergabepraxis würde deren Umsetzung unterstützen und sicherstellen, dass gesetzliche Standards im Wettbewerb nicht unterlaufen werden können. Zur Stützung der stofflichen Verwertung und Getrennthaltung ab Baustelle wäre eine Erweiterung der Abfallschlüssel nach Abfallverzeichnisverordnung hilfreich, um nach Dämmstofftypen unterscheiden zu können.

Ein großes Hemmnis ist zudem die aufwändige Rückbaubarkeit von WDVS. Hier bedarf es weiterer Forschung, die es ermöglicht, die Dämmstoffe ab Baustelle in den erforderlichen Qualitäten bereitzustellen. Ob diese Aufbereitung in mobilen Anlagen vor Ort stattfinden kann, ist abhängig vom Dämmstofftyp und der Größe der Baustelle. Zielführender scheint eine gezielte Ausrichtung der etablierten Entsorgungswirtschaft auf eine flächendeckende Aufbereitung von Dämmstoffen. Die Aufbereiter dienen damit auch als regionale Sammelstelle. Hierzu werden in der Branche und Forschung bereits erste Konzepte erarbeitet.

Die Gewinnung von Sekundärrohstoffen ist häufig mit höheren Kosten verbunden als die Gewinnung von Primärrohstoffen. Lösungen zur Aufbereitung von Dämmstoffen und die Entwicklung neuer Produkte mit Sekundärrohstoffanteil müssen unterstützt und gefördert werden. Parallel dazu sollte entsprechend den gesetzlichen Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zur Abfallhierarchie die sonstige (energetische) Verwertung oder Beseitigung der Abfallmassen nur im Ausnahmefall ermöglicht werden.

Sobald ein Absatzmarkt für Sekundärrohstoffe etabliert ist, erschließen sich für die Entsorger neue Absatzwege und regen diese zu neuen Investitionen an. Andersherum warten die Produkthersteller auf ein ausreichendes Angebot von hochwertigen Sekundärrohstoffen auf dem Markt, bevor in neue Techniken und Verarbeitungsverfahren investiert wird. Erste Kooperationen zwischen Herstellern und Entsorgern zeichnen sich ab. Diese gilt es zu unterstützen.

Dämmstoffe wie z.B. diejenigen aus nachwachsenden Rohstoffen sind erst seit vergleichsweise kurzer Zeit auf dem Markt und können daher nur auf sehr geringe Mengen an Post-Consumer Dämmstoffen als Abfallmassen zurückgreifen. Hier gilt es, weiterhin das Bewusstsein der Kreislaufführung zu stärken und bereits frühzeitig Verwertungskonzepte zu etablieren und zu prüfen, wie sich diese dann auf weitere Regionen übertragen lassen.

Schon bei Konstruktion und Bau sollte darauf geachtet werden, Dämmstoffe so zu verbauen, dass sie später möglichst zerstörungsfrei und rückstandsfrei rückgewonnen werden können.

Die verschiedenen Akteure in der gesamten Verwertungskette müssen über neue Entwicklungen und Lösungsansätze informiert werden und ein gegenseitiges Verständnis entwickeln. Sich etablierende gute Praxisbeispiele zur stofflichen Verwertung von rückgebauten Dämmstoffen sollten kommuniziert werden.

Übersicht

Fördersumme

41.287,00 €

Förderzeitraum

28.01.2021 - 31.12.2021

Internet

www.ifeu.de

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter