Projekt 33408/01

Entwicklung einer innovativen Regelung von Hammeranlagen in der Massivumformung zwecks Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz

Projektträger

Industrieverband Massivumformung e. V.
Goldene Pforte 1
58093 Hagen
Telefon: 02331/958832

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die Branche Massivumformung mit ihren ca. 250 meist mittelständischen Unternehmen verarbeitet jährlich ca. 2.400.000 Tonnen Stahl zu Stückgut. Ein signifikanter Anteil davon wird auf Hammerumformanlagen verarbeitet, die zu der Gruppe der energiegebundenen Maschinen gehören.
Umformhämmer haben den großen Vorteil, dass mit relativ geringen Investitionskosten sehr große Umformkräfte erreicht werden können.
Zur Herstellung eines Umformbauteils sind allerdings mehrere Schläge erforderlich, eine definierte Werkzeugendlage ist nur durch Aufprallflächen an den Werkzeugen erreichbar.
Um auch bei nicht vermeidbaren Prozessstreuungen die gewünschte Endlage zu erreichen, muss dem Prozess mehr Energie zugeführt werden, als im Idealzustand erforderlich wäre. Die Überenergie wird dann beim s.g. Prellschlag über die Umformwerkzeuge, das Maschinengestell, die Feder/Dämpfer-Einheiten sowie die Bauteildicke abgebaut.
Die Überenergie (auch Prellschlagenergie) führt zu überhöhtem Energiebedarf, zu höherem Werkzeugverschleiß, häufigen Maschinenschäden und infolgedessen zu häufigeren Maschinenstill-ständen sowie zur Qualitätsminderung der gefertigten Bauteile.
Die Energieeinstellung durch den Bediener ist heute zu einem wesentlichen Teil subjektiv beeinflusst.

Ziel des Projektes ist die Entwicklung und modellhafte Validierung eines Steuerungskonzeptes für Hammeranlagen, mit dem durch Messung, Auswertung und Musterinterpretation der Signale für Weg, Geschwindigkeit, Beschleunigung und Körperschall des Maschinen- und Werkzeugsystems auf die aktuell benötigte Umformenergie eines jeweiligen Umformteils zurückgeschlossen und die Anlage damit so ausgeregelt wird, dass der Prellschlag deutlich reduziert, im Grenzfall gänzlich vermieden wird. Durch die damit erreichbare Primärenergie- und CO2-Reduzierung wird ein erheblicher Beitrag zur Umweltentlastung geleistet.




Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie grundlegende Arbeitshypothese des Vorhabens geht davon aus, dass in den Signalen für Weg, Geschwindigkeit und Beschleunigung alle für den Energiehaushalt bedeutsamen Prozessparameter eines Umformprozesses einschließlich deren Streuungen als implizites Muster enthalten sind. Weg, Geschwindigkeit und Beschleunigung sind sozusagen die Antwort auf die gerade vorherrschenden Prozessbedingungen, und jede energieverzehrende Änderung der Prozessparameter finden sich in diesen Signalen wieder.
In einem ersten Schritt erfolgt der Aufbau eines rechnerinternen Ersatzsystems, welches auf Basis von Simulationsrechnungen Sensitivitätsanalysen für Störgrößen/-signale und die Entwicklung geeigneter Regelmodelle ermöglicht.
Für die Umsetzung der theoretischen Erkenntnisse werden im Laborumfeld Mess-/Auswertetechniken, Sensoren und Analysemethoden getestet und bewertet.
Die Umsetzung und Validierung der Laborergebnisse erfolgt auf Betriebsebene unter Serienbedingungen. Hierbei werden u. a. Applikationskonzepte für Sensoren unter rauen Randbedingungen und Regelmodelle getestet und angepasst.

Die geplanten Arbeiten im Einzelnen:
AP 1 Theoretische Vorarbeiten
AP 2 Umsetzung auf Laborebene
AP 3 Umsetzung auf Betriebsebene
AP 4 Technische, wirtschaftliche und ökologische Bewertung
AP 5 Verallgemeinerung und Übertragung




Ergebnisse und Diskussion

Zu AP1: Das auf Basis der Mehrkörpersimulation erstellte Ersatzsystem weist durchaus Potentiale zur Lösung der beschriebenen Problemstellungen auf. Die Komplexität des Gesamtsystems erfordert jedoch noch umfangreiche, weiterführende Untersuchungen und software-technische Anpassungen/Erweite-rungen des Ersatzsystems. Der hierzu notwendige Aufwand würde nach derzeitigem Erkenntnisstand ein eigenständiges Projekt erfordern und ist im Rahmen dieses Vorhabens als einzelner Arbeitspunkt nicht zu leisten.
Dieser Arbeitspunkt, die Erstellung eines rechnerinternen Ersatzsystems, wurde daher nicht weiter-bearbeitet.

Zu AP2+3: In praxisrelevanten Laboruntersuchungen und Betriebsanwendungen mit einer ersten Bauteilgruppe wurden für die Identifikation von Prellschlägen 3 geeignete Verfahren und die dazu erforderlichen Sensoren ermittelt.
Die für eine Regelung des Hammersystems notwendige Erfassung der Intensität der Prellschläge wird von dem Messverfahren Beschleunigung (ein-axial) mit der Sensorposition „Schabotte“ am besten umgesetzt. Die Validierung der Ergebnisse mit einer zweiten Bauteilgruppe mit wesentlich schwereren Bauteilen führte unerwartet zu deutlich abweichenden Ergebnissen. Die Höhe der Beschleunigungswerte ist demnach eventuell kein zuverlässiges Erkennungsmerkmal für Prellschläge! Damit würde das Messverfahren entfallen, welches nach bisherigem Erkenntnisstand die besten Ergebnisse für die Messung der Prellschlagintensität darstellte, denn ohne zuverlässige und genaue Messung der Prellschlagintensität ist keine Regelung des Umformprozesses bezüglich der Prellschlagenergie möglich! Im weiteren Vorgehen des Vorhabens war geplant, ergänzende Untersuchungen mit schweren Bauteilen durchzuführen. Diese Untersuchungen konnten aus verschieden Gründen (COVID-19-Pandemie, Lieferkettenkrise und Bauteilabrufe, Produktionsplanung, Laufzeitende des Vorhabens) nicht durchgeführt werden.
Die offenen Fragestellungen der Arbeitshypothese konnten daher im Rahmen dieses Vorhabens nicht geklärt werden.

Zu AP4+5: Eine technische, wirtschaftliche und ökologische Bewertung ist zum Abschluss des Vorhabens nur eingeschränkt möglich, da die hierzu notwendigen Untersuchungen nicht fertiggestellt werden konnten. So ist zum Beispiel noch nicht endgültig geklärt, welche Sensoren für den Aufbau einer Regelstrecke notwendig sind.
Die Umsetzung der erzielten Erkenntnisse auf andere Aggregattypen, wie Gegenschlaghammer und Spindelpresse, erscheint realistisch. Alle im Betriebsversuch eingesetzten Sensoren erwiesen sich im Rahmen der Untersuchungen als sehr robust und konnten ohne großen maschinellen Aufwand appliziert werden.




Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

• In 2019 erfolgte die Präsentation der Ergebnisse in der IMU-Faktendatenbank.
• Jahrestagung „Massivumformung“ des IMU, Juni/2019
• In 2023 ist die Verbreitung der Vorhabensergebnisse in nachfolgender Weise vorgesehen: Fachaufsatz in der Zeitschrift massivUMFORMUNG.




Fazit

Die Arbeitshypothese, die besagt, dass Weg, Geschwindigkeit und Beschleunigung des Werkzeugsystems und der resultierende Körperschall Antwortgrößen auf die gerade vorherrschenden Prozessbedingungen sind, und dass der Umformprozess durch Messung/Auswertung dieser Signale ausgeregelt werden kann, konnte weder schlüssig belegt noch ausgeschlossen werden.
Die Umsetzung eines anwendbaren und für Lösungskonzepte einsetzbaren rechnerinternen Ersatzmodells kann mit dem geplanten Aufwand nicht erreicht werden. Mit dem erarbeiteten Mehrkörpermodell konnten keine zufriedenstellenden Ergebnisse im Vergleich zu realen Werten erzielt werden, sodass hier weitere Arbeiten auf diesem Gebiet erforderlich sind. Im Laufe des Vorhabens wurde aber deutlich, dass ein solches Ersatzmodell für die Beantwortung grundlegender Fragestellungen fast zwingend notwendig ist, da ansonsten eine große Anzahl aufwendiger Betriebsuntersuchungen (mit all deren Unwägbarkeiten) durchgeführt werden müssen.
Die in den Labor- und Betriebsuntersuchungen ermittelten Verfahren ermöglichten eine eindeutige Identifikation der Prellschläge. Bei weiterführenden Untersuchungen zur Feststellung der Intensität der Prellschläge, welche für eine Regelung des Prozesses zwingend notwendig sind, wurde in einem Betriebsversuch ein von den bisherigen Erkenntnissen abweichendes Verhalten der Prellschlagmessung ermittelt, welches auch die bisherigen Ergebnisse teilweise in Frage stellte.
Diese Unstimmigkeiten konnten aus verschieden Gründen (COVID-19-Pandemie, Bauteilabrufe, Produktionsplanung, Laufzeitende des Vorhabens) im Rahmen dieses Vorhabens nicht mehr geklärt werden.
Das Prozesswissen um den hochdynamischen, komplexen Umformvorgang beim Hammerschmieden wurde im Rahmen dieses Vorhabens jedoch wesentlich erweitert. Die erstellte Arbeitshypothese hat weiter Bestand, die Bestätigung und Umsetzung erfordert noch weiterführende Untersuchungen.

Übersicht

Fördersumme

203.522,00 €

Förderzeitraum

01.01.2019 - 31.12.2022

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik