Projekt 33326/01

Entwicklung und Erprobung von Methoden zur Konservierung umweltgeschädigter, historisch wertvoller Putz- und Steinoberflächen sowie zur Mauerwerksertüchtigung unter dauerfeuchten Bedingungen und mikrobiellen Belastungen an der Mikwe in Worms

Projektträger

Institut für Steinkonservierung e. V.
Große Langgasse 29
55116 Mainz
Telefon: +49 6131 2016 500

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Am Beispiel der Mikwe in Worms, gemeinsam mit anderen Beispielen des jüdischen Kulturerbes (SchUM-Städte) auf der Tentativliste zur Anerkennung als UNESCO-Weltkulturerbe, sollten innovative und modellhafte Möglichkeiten zur Wahrung eines in sehr komplexer Weise und extremem Ausmaß geschädigten Kulturdenkmals entwickelt und erprobt werden. Ziel war die Entwicklung eines Maßnahmenkonzeptes zur restauratorischen Sicherung des Bauwerks in enger Verzahnung mit den Ergebnissen mikrobiologischer und raumklimatischer Untersuchungen und unter Berücksichtigung der Möglichkeit zur weiteren sporadischen rituellen Nutzung des Bades. Verschiedene Einzelmaßnahmen wurden zunächst in kleinen Musterflächen und anschließend in einer größeren Musterachse erprobt. Die Entwicklung einer Methodik zur statischen Sicherung wurde vor Projektbeginn aus dem Projekt ausgegliedert.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenEin besonderes Merkmal der Wormser Mikwe ist die Tatsache, dass hier einige Reste der bauzeitlichen Putze einschließlich ihrer dekorativen Elemente (Putzritzungen, Spuren von Farbfassungen) erhalten sind. Zur Konservierung der Putzreste in der feuchten Raumschale der Mikwe wurden sowohl konventionelle als auch neue Festigungsmittel auf Basis von Kieselsäureester (KSE) erprobt.
Alle Baustoffe der Wandoberflächen sind in unterschiedlichem Ausmaß durch bauschädliche Salze be-lastet. Zur Konservierung der umweltgeschädigten Sandsteine wurden Maßnahmen zur Salzreduktion mittels Kompressen und zur Festigung mittels KSE erprobt. Zur Reinigung der gipsbelasteten Putzoberflächen wurden verschiedene Lasergeräte getestet.
Die Wandoberflächen sind auch von einem intensiven mikrobiellen Bewuchs befallen. Dieser wurde intensiv untersucht und es wurden verschiedene Versuche zur Reduzierung des Befalls durchgeführt. Zu nennen sind die Anwendung der Photokatalyse bei UV-A-Beleuchtung, eine Raumbeleuchtung mit speziellen Wellenlängen und die Bestrahlung mit UV-C zur Grunddesinfektion.
Zur Beurteilung der raumklimatischen Bedingungen wurden Raumklimamessungen durchgeführt. Vergleichende Messungen wurden in den Mikwen Friedberg, Speyer und in reduziertem Umfang auch in Andernach vorgenommen, da in diesen Mikwen das Raumklima durch ganz unterschiedliche bauliche Maßnahmen beeinflusst wird. Zeitweilig wurde die Gittertür der Wormser Mikwe durch eine dichte Bautür ersetzt und die Veränderung des Raumklimas sowie der mikrobiellen Belastung kontrolliert.
Zur Vergleichszwecken wurden die Mikwen von Friedberg, Speyer, Offenburg, Andernach und Erfurt besucht. Die dort zuletzt durchgeführten baulichen Maßnahmen der letzten Jahrzehnte wurden recherchiert und in die Bewertung des angetroffenen Zustands einbezogen.


Ergebnisse und Diskussion

Im Rahmen des Projektes konnten die wenigen noch vorhandenen Putzreste im Rahmen einer Musterachse
konserviert werden. Zur Putzfestigung wurde Nanokalk verwendet. Das parallel erprobte Produkt
auf Basis einer KSE-Mikroemulsion (s. Projekt 28983/01), brachte an einer kleinen Musterfläche vergleichbare Ergebnisse, wurde aber wegen der aufwändigen Herstellung und begrenzten Haltbarkeit bei
der größeren Musterachse nicht berücksichtigt. Anböschungen von Putzkanten wurden mit einem baustellengemischten Kalkmörtel vorgenommen. Die Reinigung der Putzoberflächen mit dem Laserverfahren
brachte ein in ästhetischer Hinsicht zufriedenstellendes Ergebnis. Allerdings verbleibt dabei ein Teil
der Gipsbelastung im Putz, sodass mittelfristig weitere Maßnahmen notwendig werden. Die Analyse bauschädlicher Salze weist auf vielfältige Salzquellen hin: Die Einwirkung von Luftschadstoffen
(Gipskrusten), die frühere Zweckentfremdung als Abwasserschacht (Nitrate), ungeeignete Reparaturmörtel und –betone früherer Instandsetzungsmaßnahmen (Natriumsulfat). Die daraus resultierende,
komplexe, räumlich variierende, anthropogene Schadsalzbelastung ist äußerst problematisch, da sie auf Änderungen des Raumklimas mit schädigenden Kristallisations- und Lösungsprozessen reagiert, wie
thermodynamische Modellierungen zeigten (Programm RUNSALT/ECOS). Versuche zur Reduktion der Salzbelastung in Sandsteinen lieferten unbefriedigende Ergebnisse. Ursächlich ist die geänderte Zusammensetzung der Kompressen, aus denen der Zelluloseanteil entfernt wurde, um eine Schimmelbildung
im feuchten und mikrobiell kontaminierten Milieu der Mikwe zu vermeiden. Mikrobiologische Untersuchungen zeigten, dass Grünalgen und Cyanobakterien verantwortlich für die
starke Vergrünung der dem Licht ausgesetzten Flächen sind. Hinzu kommt starker Schimmelbefall. Die
Belastung der Raumluft durch Luftkeime lag zu Projektbeginn auf lufthygienisch unbedenklichem Niveau. Ein zeitweiliges Schließen des Eingangs führte jedoch zu einem starken Anstieg der Luftkeimbelastung,
weshalb die temporär eingebaute, dichte Bautür wieder durch die ursprüngliche Gittertür ersetzt wurde.
Versuche zur Reduzierung des Grünbewuchses mittels Photokatalyse waren teilweise erfolgreich. Mit
stark verdünnten Mischungen aus Anatas und Kieselsäureester konnte photokatalytisch aktives Titandioxid auf Steinoberflächen aufgebracht werden, ohne augenfällige Farbveränderungen zu bewirken. Die
photokatalytische Reaktion wurde durch nächtliche Bestrahlung mit UV-A Strahlung angeregt. In den
meisten Testflächen wurde aufgrund zu geringer Strahlungsleistung kein signifikanter Effekt erzielt. Bei
kurzen Abständen zwischen Lampe und Steinoberfläche war das Verfahren jedoch sehr wirkungsvoll. Für eine effektive Anwendung müsste die Strahlungsleistung deutlich erhöht werden.
Probeweise wurde für die Beleuchtung zu Tageszeiten grünes Licht eingesetzt. Laborstudien belegen,
dass damit das Wachstum von Grünalgen vermindert, aber nicht vollständig unterbunden werden kann.
Tests zur Desinfektion von Wandoberflächen mit UV-C-Strahlung waren auf Sandstein erfolgreich, nicht
aber auf Putzoberflächen mit starker Oberflächenmorphologie und offenporigem Gefüge.
Aus dem mikrobiologischen Befall und den Salzbelastungen ergeben sich widersprüchliche Anforderungen an das Raumklima. Zur Reduzierung der mikrobiellen Belastung wären trockenere Bedingungen
sinnvoll, zum Unterbindung der Salzkristallisation hingegen wären konstant hohe Luftfeuchten wünschenswert.
Die vergleichenden Messungen der Raumklimata in den Mikwen Worms, Speyer und Friedberg
zeigten für Worms und Speyer ähnliche, aber für Speyer etwas günstigere Ergebnisse. Beide Mikwen
sind durch verwandte Konstruktionsweisen geprägt, in Speyer verhindert jedoch ein Schutzdach
den zusätzlichen Eintrag von Niederschlagswasser. In Friedberg ist die Eingangstür geschlossen und
der Luftaustausch über den Lichtschacht stark reduziert. In der Folge herrschen hier nahezu konstante Klimaverhältnisse auf sehr hohem Feuchtigkeitsniveau. Die Vergrünung ist hier auf die unmittelbare Umgebung
der Lampen begrenzt, eine nennenswerte Belastung durch Luftkeime liegt nicht vor. In Andernach
wird das Raumklima durch eine Be- und Entlüftungsanlage geprägt, die zur Reduzierung der CO2-Belastung eingebaut wurde. Eine Lüftungsanlage könnte das Raumklima auch in Worms verbessern.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die wichtigsten Projektergebnisse wurden in Worms präsentiert. Eine Tagung des IFS war an das Fachpublikum adressiert, eine Abendveranstaltung der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz
wandte sich an die Öffentlichkeit. Die Ergebnisse wurden in einem IFS-Bericht publiziert, der gleichzeitig
als Abschlussbericht fungiert. Eine Fachpublikation in englischer Sprache ist in Arbeit.


Fazit

Die Projektziele konnten zum großen Teil erreicht werden. Im Rahmen von Musterflächen und einer größeren Musterachse konnten Methoden zur Reinigung und Konservierung der Reste historischer Bauzier
erfolgreich entwickelt und erprobt werden. Wichtige Aspekte zum Raumklima sowie zur mikrobiologischen
Belastung von Wandflächen und Raumluft wurden herausgearbeitet. Offene Fragen betreffen die Entfernung von Grünalgen von Putzoberflächen (Voraussetzung für Putzfestigung), die Optimierung der Entsalzungsmaßnahmen und die Entwicklung einer technischen Lösung zur Regulierung des Raumklimas. Die Grundlagen hierfür wurden im Rahmen des Projektes geschaffen.

Übersicht

Fördersumme

241.025,00 €

Förderzeitraum

06.12.2016 - 31.01.2020

Bundesland

Rheinland-Pfalz

Schlagwörter

Klimaschutz
Kulturgüter
Umweltforschung
Umwelttechnik