Projekt 33297/01

Regulierung von Massenvorkommen des Jakobs-Greiskrautes (Senecio jacobaea L.) durch natürliche Antagonisten

Projektträger

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Institut für Natur- und Ressourcenschutz Abteilung Landschaftsökologie
Olshausenstr. 75
24118 Kiel
Telefon: 0431 880 1198

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

In extensiv genutzten, naturschutzfachlich wertvollen Grünlandbeständen ist seit Mitte der 2000er-
Jahre deutschlandweit eine starke Ausbreitung des Jakobs-Greiskrautes (syn. Jakobs-Kreuzkraut,
„JKK“, Jacobaea vulgaris Gaertn., Senecio jacobaea L.) zu beobachten. Aufgrund der von dieser
Pflanzenart produzierten Fraßgifte (Pyrrolizidin-Alkaloide, „PAs“) ist von einer potenziellen
Gesundheitsgefährdung für Menschen und Tiere auszugehen. Pyrrolizidin-Alkaloide können vom
Menschen beispielsweise über Honig aufgenommen werden, von Tieren in der Regel über
Futterkonserven (Heu, Heulage oder Silage). Durch die potenzielle Vergiftungsgefahr gefährden
Jakobs-Greiskraut-Massenvorkommen die Nutzbarkeit und Akzeptanz naturschutzfachlich wertvoller,
artenreicher extensiv genutzter Grünlandbestände. Klassische Verfahren zur Bekämpfung wie
Nutzungsintensivierung, Umbruch und Herbizideinsatz beschränken sich in ihrer Wirkung nicht auf das
Jakobs-Greiskraut und gefährden somit die schützenswerte artenreiche Grünlandvegetation.
Neben vermutlich naturschutzfachlich vertretbaren mechanische Bekämpfungsstrategien wie Mähen
und Mulchen ist eine weitere Option der Einsatz von in hohen Initialdichten ausgebrachter herbivorer
Antagonisten. Bisher liegen Erfahrungen zum Erfolg dieser Maßnahme aber nur aus Ländern vor, in
denen Jakobs-Greiskraut und dessen Antagonisten nicht heimisch sind. Im natürlichen
Vorkommensgebiet erscheint der gezielte Einsatz natürlicher Antagonisten insbesondere auf Flächen
sinnvoll, die aufgrund ihres Mikroreliefs, fortgeschrittener Verbuschung oder hoher
Bodenwassergehalte schlecht oder nicht befahrbarer sind; auf Flächen mit mechanischen
Regulierungsmaßnahmen könnte der zusätzliche Einsatz von Antagonisten die Regulierung der
Jakobs-Greiskraut-Bestände verbessern. Ziel des Forschungsprojektes war es daher zu untersuchen,
welche Möglichkeiten natürliche Antagonisten zur Regulierung der Jakobs-Greiskraut-Bestände bieten, von welchen Rahmenbedingungen (z.B. Landschaftsstruktur) der Erfolg der Maßnahme
beeinflusst wird und ob es neben den bereits bekannten Arten noch weitere vielversprechende
Antagonisten gibt. Am Ende sollen den Nutzern extensiv bewirtschafteten Grünlands wirkungsvolle,
naturschutzkonforme Maßnahmen zur Regulierung der Jakobs-Greiskraut-Bestände an die Hand
geben werden



Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIn AP 1 wurden mit Stand 2019 insgesamt 15 Studienflächen identifiziert und auf diesen Flächen Dauerquadrate zur jährlichen Vegetationserfassung installiert. Auf zehn der Flächen wurde Tyria jacobaeae in zwei verschiedenen Dichten (jährlich 50 oder einmalig 500 Raupen) ausgebracht, fünf Flächen mit natürlichem Vorkommen von T. jacobaeae dienten als Vergleichsgruppe. Die Anzahl und Deckung der Jakobs-Greiskraut-Pflanzen sowie das Vorkommen verschiedener Antagonistenarten auf den Flächen wurden jährlich erfasst. Von Longitarsus jacobaeae standen aufgrund von Schwierigkeiten bei der Vermehrung nicht genügend Tiere für Aussatzversuche zur Verfügung. Da die Art auf allen Studienflächen bereits natürlicherweise vorkommt, wurde stattdessen eine Bestandserfassung mittels Bodenfallen durchgeführt und mithilfe eines allgemeinen Regressionsmodells der Einfluss verschiedener Umweltfaktoren auf die Abundanz des Flohkäfers untersucht.
In AP 2 wurde ein Käfigversuch durchgeführt, in dem das Wachstum der Jakobs-Greiskraut-Pflanzen unter verschiedene Kombinationen von Mahdterminen und Tyria-Raupen getestet wurde. Außerdem wurde in einem Freilandversuch untersucht, wie sich die Mahd mittels Mulcher beziehungsweise Balkenmäher auf die Tiere auswirkt. Hierzu wurde jeweils die Anzahl Tyria-Raupen vor sowie zwei Stunden nach der Mahd aufgenommen und zwischen beiden Methoden verglichen.
In AP 3 wurde das Vorkommen verschiedener weiterer Antagonistenarten erfasst und anhand dieser Daten vier Arten identifiziert, die ab 2018 in Käfigexperimenten an Jakobs-Greiskraut getestet werden sollten. Diese vier Arten sind Aphis jacobaeae, Haplothrips senecionis, Contarinia jacobaeae und Botanophila seneciella. Während die beiden letztgenannten Arten nicht vermehrt werden konnten, wurden A. jacobaeae und H. senecionis in zwei Käfigexperimenten auf ihr Potenzial zur biologischen Kontrolle von Jakobs-Greiskraut untersucht. Hierzu wurden JKK-Pflanzen in Gazekäfigen separiert und mit verschiedenen Dichten der beiden Gegenspieler beimpft. Als Kontrolle dienten Pflanzen ohne Insektenbefall. Im Rahmen einer CAU-internen Kooperation mit der AG Biochemische Ökologie und Molekulare Evolution (Prof. Dr. Dietrich Ober) wurde außerdem der PA-Gehalt der Versuchspflanzen bestimmt.
In AP 4 wurden in einem Umkreis von 1000 m um die Studienflächen Biotoptypen und Jakobs-Greiskraut-Vorkommen kartiert. Diese Daten wurden mittels einer GIS-basierte Landschaftsanalyse ausgewertet, um Einflüsse der Landschaft auf das Vorkommen von Tyria jacobaeae zu identifizieren.



Ergebnisse und Diskussion

In AP 1 war die Ansiedelung des Blutbären auf den Studienflächen bis auf einzelne Ausnahmen erfolgreich. Durch das Verfahren konnte in einzelnen Jahren bzw. auf einzelnen Flächen eine Reduktion der Jakobs-Greiskraut-Bestände erreicht werden. Gleichzeitig nahm aber in allen drei Versuchsgruppen die mittlere Individuenzahl des Jakobs-Greiskrautes zu. Hierbei wurden auch die Auswirkungen des Hitzesommers 2018 sichtbar, der vielerorts zur vermehrten Bildung von Offenbodenstellen und dadurch einer verstärkten Keimung des Jakobs-Greiskrautes im Folgejahr führte. In Bezug auf L. jacobaeae zeigte sich, dass die Art in Schleswig-Holstein weit verbreitet ist. Temperatursummen, Niederschlag sowie die Verfügbarkeit von Nahrungspflanzen (Rosetten und generative Jakobs-Greiskraut-Pflanzen) korrelierten deutlich positiv mit den Abundanzen des Flohkäfer. Zudem zeigte sich eine negative Korrelation der Flohkäfer-Abundanzen mit der Anzahl an Keimlingen des Jakobs-Greiskrautes, die möglicherweise auf Störereignisse des Bodens zurückzuführen ist.
In AP 2 stellte sich der Balkenmäher als die für Tyria jacobaeae deutlich verträglichere Methode dar und es wurden im Vergleich zum Mulcher signifikant mehr Raupen wiedergefunden.
In AP 3 stellte sich Aphis jacobaeae als bemerkenswert effizienter Gegenspieler des Jakobs-Greiskrautes heraus. Eine Dichte von 25 Blattläusen / Pflanze war ausreichend für eine rasche Vermehrung der Tiere und konnte das Pflanzenwachstum im Vergleich zur Kontrolle signifikant reduzieren, teilweise auch Pflanzen zum Absterben bringen. Warme, trockene Witterung förderte erwartungsgemäß die Vermehrung der Tiere. Haplothrips senecionis vermehrte sich nicht im gleichen 4
Maße und schädigte auch in hohen Dichten die Pflanzen weniger stark als erwartet. Begleitende Analysen zum PA-Gehalt der Pflanzen zeigten eine hohe inter- und intraindividuelle Variation im PA-Spektrum. Contarinia jacobaeae und Botanophila seneciella erscheinen aufgrund ihrer schlechten Vermehrbarkeit unter Laborbedingungen als zur biologischen Kontrolle wenig geeignet.
Die in AP 4 durchgeführte Landschaftsanalyse zeigte, dass natürliche Tyria-Massenbestände zum einen mit mehr, jedoch kleineren Jakobs-Greiskraut-Beständen im 1000 m-Radius assoziiert waren als Flächen ohne natürliche Tyria-Vorkommen. Zusätzlich wurden signifikant mehr Einzelpflanzen sowie ein leicht höherer Flächenanteil von Hecken und Knicks im Umkreis der Tyria-Massenbestände gefunden. In Bezug auf die Landschaftskomposition wurden keine Effekte gefunden.



Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Ergebnisse des Projektes werden in enger Kooperation mit der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein und dem Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) in Schleswig-Holstein im Rahmen gemeinsamer Publikationen öffentlich zugänglich gemacht. Im Juli 2017 wurde hierzu das Projekt während eines Pressetermins den Vertretern verschiedener Medien vorgestellt. Außerdem wurde das Projekt während des von der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein organisierten Treffens der JKK-Projektarbeitsgemeinschaft (23.11.2017) sowie bei einem Workshop der NABU-Naturschutzstation Münsterland e.V. (08.11.2018) präsentiert. Erste Ergebnisse wurden auf den internationalen Fachtagungen Ecology Across Borders (11.12.-14.12.2017 in Gent) sowie auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Ökologie (10.09.-14.09.2018) in Wien dargestellt. Derzeit werden die Daten für die Publikation in wissenschaftlichen Fachzeitschriften aufbereitet. Zudem wurde ein Praxisleitfaden zur Vermehrung und Ansiedlung der Blutbären erstellt, der in Kürze auf der Homepage der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein veröffentlicht werden wird.


Fazit

Aufgrund der weiten Verbreitung von L. jacobaeae in Schleswig-Holstein kann davon ausgegangen werden, dass die Art in der Lage ist, neue Jakobs-Greiskraut-Bestände zügig und ohne menschliche Hilfe zu besiedeln. Wegen der aufwendigen Vermehrung des Flohkäfers stellt ein zusätzliches Ausbringen dieses Gegenspielers in wirkungsvollen Dichten keine effiziente Maßnahme dar. Die Blattlaus Aphis jacobaeae erscheint im Käfigversuch als effizienter Gegenspieler, es fehlen entsprechende Erfahrungen aus dem Freiland. Hingegen war die Ansiedlung des Blutbären Tyria jacobaeae in Massenbeständen des Jakobs-Greiskrautes in den meisten Fällen erfolgreich und führte teilweise auch zu einer Reduktion der Jakobs-Greiskraut-Bestände. Es erscheint sinnvoll, im ersten Jahr zunächst eine größere Anzahl Raupen auszusetzen und dann in den Folgejahren bei Bedarf weitere Tiere nachzusetzen, bis sich ein stabiler Bestand etabliert hat. Ein Zeitrahmen von mindestens drei Jahren ist auch seitens der Biologie des zwei- bis mehrjährigen Jakobs-Kreuzkrautes angebracht. Gegebenenfalls sind jedoch weitere, umweltverträgliche Maßnahmen, wie etwa eine regelmäßige Mahd der Jakobs-Greiskrautbestände mit dem Balkenmäher, ergänzend in Betracht zu ziehen.

Übersicht

Fördersumme

203.224,00 €

Förderzeitraum

24.06.2016 - 28.02.2021

Bundesland

Schleswig-Holstein

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz