Projekt 32837/01

Gewässerentwicklung erheblich veränderter Fließgewässersysteme im norddeutschen Tiefland Entscheidungsunterstützung für die Umsetzungspraxis der WRRL anhand hochaufgelöster Daten des hydrochemischen und biologischen Gewässerzustands (EUfMAa)

Projektträger

Westfälische Wilhelms-Universität Münster Institut für Landschaftsökologie AG Angewandte Landschaftsökologie/Ökologische Planung
Heisenbergstr. 2
48149 Münster
Telefon: 0251 - 8330104

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL; 2000/60/EG) und ihre nationale Umsetzung in Deutschland gibt als grundsätzliches Ziel für unsere Gewässer den „guten ökologischen Zustand“ (GÖZ) sowie einen „guten chemischen Zustand“ vor; diese sollten ursprünglich bis zum Jahr 2015 hergestellt sein. Konzeptionell wurde in Nordrhein-Westfalen das „Strahlwirkungs- und Trittsteinkonzept“ entwickelt, welches nicht mehr 100% der Gewässerstrecke für Entwicklungsmaßnahmen vorsieht, sondern für Fließgewässer mit einem Einzugsgebiet von mind. 10 km² Abschnitte unterschiedlicher Priorität festlegt. Für sogenannte „erheblich veränderte Fließgewässer“ (HMWB-Gewässer) gilt das gute ökologische Potenzial. Bisher sind diese Ziele insbesondere für die Gewässer des Flachlandes höchstens punktuell erreicht. Dies kann u. a. daran liegen, dass Maßnahmen nicht umgesetzt wurden, die strukturelle Verbesserung nicht ausreichte, das Wiederbesiedlungspotenzial gering war oder kleinräumige hydrochemische Belastungen die Ansiedlung möglicherweise störten. Der chemische Zustand ist flächendeckend nicht im guten Bereich. Das kann daran u. a. liegen, dass chemische Stoffe aus Kläranlagen und der Landwirtschaft die Gewässer belasten, Schwermetalle aus Oberflächenabfluss in Siedungsräumen die Gewässer kontaminieren oder Nährstoffzuflüsse aus der landwirtschaftlichen Düngung, des Eintrages aus der Luft durch Verbrennungs- und Verkehrsemissionen oder diffusen Quellen (Kleinkläranlagen) die Gewässer eutrophieren.
Das Forschungsprojekt setzt an den beschriebenen Problemen an, um anhand des Einzugsgebietes der Münsterschen Aa exemplarisch aufzuzeigen, wie die Entscheidungen der Akteur*innen für die Gewässerentwicklung im Norddeutschen Tiefland unterstützt werden können. Besonders auch Gewässerentwicklungsmaßnahmen geringerer Dimension (sogenannte kleine Maßnahmen wie Einbau von Totholz, Aufweitungen, Einbringen von Strukturelementen), welche als Trittsteine genutzt werden können, evaluiert das Projekt.
Die Münstersche Aa ist ein Gewässer zweiter Ordnung und gehört mit ihren Nebengewässern zum Einzugsgebiet der Ems. Potenzial für differenzierte und übertragbare wissenschaftliche Erkenntnisse lag auch in dem heterogenen, für das Münsterland recht typischen Verlauf der Aa, mit einem intensiv landwirtschaftlich genutzten Oberlauf, einem Staubereich und einer stark urban geprägten Fließstrecke im Stadtgebiet, sowie einem durch Abwasser aus der Hauptkläranlage Münster geprägten Unterlauf. Das vergleichsweise kleine EZG von 172 km² bot außerdem bereits eine ganze Reihe von Umsetzungsmaßnahmen mit alten oder jungen Entwicklungszeiträumen.
Das Projekt ging von folgenden Hypothesen aus:
• Trotz vorherrschend schlechter Strukturgüte, weisen die HMWB-Gewässer des EZG der Münsterschen Aa gewisse biotische Potenziale auf, die in einem angepassten Maßnahmenportfolio und mit Hilfe des „Strahlwirkungs- und Trittsteinkonzept“ verbessert werden können.
• Der Einfluss von hydrochemischen Stressfaktoren ist unklar und muss durch ein intensives Dauermessprogramm (Sampler) geklärt werden.
• Die (Dauer-)Monitoringmessstellen der Landesverwaltung sind nicht repräsentativ für das gesamte Gewässersystem. Eine höhere zeitliche und räumliche Auflösung des Monitorings verbessert die Qualität der Monitoringdaten.
• Die Bedeutung von nicht leitbildkonformen Ersatzstrukturen für die Fauna (z. B. Steinschüttungen als Ersatz für Totholz) muss auch naturschutzfachlich eingeschätzt werden (FFH-Arten).
• Für die Implementierung des „Strahlwirkungs- und Trittsteinkonzepts“ müssen die negativen Wirkungen von Degradationsstrahlwege abschnittsweise und in Bezug auf die Qualitätskomponenten (Fische, MZB) überprüft werden.

Daraus ergaben sich folgende Zielsetzungen:
• Kooperative Entwicklung einer Umgebung für die Entscheidungsunterstützung in der Umsetzungspraxis der Wasserrahmenrichtlinie an HMWB Gewässern der WRRL auf Einzugsgebietsebene für erheblich veränderte Tieflandbäche.
• Ableitung eines passgenaueren Monitorings zur Darstellung der Trends in der Gewässerentwicklungspraxis für erheblich veränderte Tieflandbäche.
• Klärung von Kausalbeziehungen zwischen den biotischen und hydrochemischen Qualitätskomponenten.
• Anpassung und Implementierung des Strahlwirkungskonzeptes in die Umsetzungspraxis.

Speziell wurde folgenden Forschungsfragen nachgegangen:
• In welchem Zustand befinden sich die hydrochemischen Qualitätskomponenten im EZG der Münsterschen Aa?
• In welchem Zustand befinden sich die ökologischen Qualitätskomponenten im EZG der Münsterschen Aa?
• Bringt ein zeitlich sowie räumlich höher aufgelöstes Stichprobennetz ein genaueres Bild des Zustandes des EZG?
• Lassen sich ausgewiesene (potenzielle) Strahlursprünge belegen und finden sich ggf. noch weitere?
• Ist eine ausreichende Strahlwirkung mit der aktuellen Planung gegeben?
• Haben kleinere Maßnahmen einen positiven Effekt auf die ökologischen Qualitätskomponenten?
• Welche Faktoren – chemisch oder strukturell – sind entscheidend für die Zusammensetzung der Fisch- und Makrozoobenthosgemeinschaft im EZG?



Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenUntersuchungen der biologischen Qualitätskomponenten: Makrozoobenthos und Fische
Faunistische Daten wurden in Untersuchungsstrecken mit Wiederbesiedlungspotenzial und/oder Gewässerentwicklungsmaßnahmen sowie in Abschnitten mit unterschiedlichen hydrochemischen Prägungen erhoben. Das Makrozoobenthos wurde an 24 Stellen in der Aa und ihren Zuflüssen mittels des Multi-Habitat-Samplings beprobt und mittels PERLODES bewertet. Die Fischfauna wurde an 38 Stellen jährlich über 3 Jahre hinweg durch Elektrobefischungen untersucht. Hierbei wurden Wat-, Treidel- und Bootsbefischungen durchgeführt (MULNV NRW 2009) erfasst. Die Methodik zur fischfaunistischen Datenerhebung sowie der konkreten Festlegung der Untersuchungsabschnitte wurde dem „Handbuch zu fiBS“ (VDFF, 2009) und dem „Leitfaden Monitoring Oberflächengewässer“ (MULNV NRW, 2009) entnommen. Zusätzlich wurden die Habitate kartiert.

Untersuchung der Sohlstruktur
Als Grundlage für die Sohlstruktur wurde die Gewässerstrukturgütekartieranleitung des LANUV verwendet. Die Sohle eines Gewässers bietet die Möglichkeit von kleineren Eingriffen und Aufwertungen ohne große Umstrukturierungen. Die Bewertungskriterien wurden an die vorherrschenden Fischgewässertypen (FiGt_05, FiGt_06 und FiGt_25) angepasst. Aufgenommen wurden zum einen Angaben zum Gewässer (Bsp. Gewässertyp, Linienführung und Wasserstand) und die Gewässerstruktur. Diese war unterteilt in Sohlsubstrat (mineralische und organische Substrate), Substratdiversität, Sohlverbau und besondere Strukturen (Bsp. Pool, Schnelle und Kolke). Die Substrate wurden in den Kategorien dominierend, regelmäßig wiederkehrend und vereinzelt aufgenommen. Ein zu bewertender Abschnitt bestand immer aus 100 m und orientierte sich an der Stationierung des LANUV. Zuzüglich wurden die Querbauwerke innerhalb eines Abschnitts samt ihrer Höhe aufgenommen.

Hydrochemische Untersuchungen
Im Projektverlauf wurden insgesamt fünf Stichtagsprobenahmen durchgeführt. Dazu wurden an 35 Probenahmestellen im EZG Proben entnommen, Vor-Ort-Parameter gemessen und im Labor Anionen (Ionenchromatografie (IC)), Kationen (Optische Emissionsspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma (ICP-OES)) sowie organische Spurenstoffe (Target- und Non- Target- Analyse mittels High - Performance Flüssigchromatografie - Hochauflösende Massenspektrometrie (HPLC-HRMS)) bestimmt.
Für ein zeitlich hoch aufgelöstes Monitoring wurden an zwei Probenahmestellen im EZG automatisierte Probensammler installiert. Durch die Probensammler wurden stündlich etwa 15 ml Probe entnommen und in 4 x 1 L Flaschen pro Kalenderwoche gesammelt und später analysiert. Die Vor-Ort Parameter pH-Wert, elektrische Leitfähigkeit, Sauerstoffgehalt und Redoxpotenzial wurden während der Stichtagsprobenahmen mit dem WTW Multi 3430 Set gemessen. Der Gehalt an Hydrogencarbonat wurde durch Titration mit 0,1 M HCl bis zu einem pH-Wert von 4,3 bestimmt. Anionen (Fluorid (F- ), Chlorid (Cl- ), Bromid (Br- ), Nitrit (NO2 - ), Nitrat (NO3 - ), Phosphat (PO4 3- ) und Sulfat (SO4 2- )) wurden gemäß DIN EN ISO 10304-1 mit einer Metrosepp A Supp 4 Säule mittels IC (Metrohm AG, Schweiz) nach Filtration (0,45 µm) bestimmt. Für die Messung der Kationen (Natrium, Kalium, Calcium, Magnesium, Eisen (Fe2+), Mangan (Mn2+), Strontium, Silizium und Aluminium) mittels ICP-OES (Spectro Analytical Instruments) gemäß DIN EN ISO 11885 wurden die Proben mit Salpetersäure (69%) angesäuert und innerhalb von 48 Stunden gemessen. Die organischen Spurenstoffe (über 150) wurden mit HPLC-HRMS analysiert.



Ergebnisse und Diskussion

Ergebnisse
Die Bewertungsergebnisse anhand des fischbasierten Bewertungssystems (fiBS) zeigen noch ein hauptsächlich mäßiges ökologisches Potenzial der beprobten Gewässerabschnitte mit vereinzelt besseren und schlechteren Abschnitten. Bei den Fischbestandserhebungen konnten teils dichte Bestände der Leitarten Gründling (Gobio gobio), Dreistachliger Stichling (Gasterosteus aculeatus), Schmerle (Barbatula barbatula) und Groppe (Cottus gobio) erfasst werden. Letztere ist Leitart neben dem Steinbeißer (Cobitis taenia) und im FFH-Anhang II gelistet. Entsprechend der Roten Liste NRW gilt der Steinbeißer im Tiefland als „gefährdet“; die Groppe befindet sich auf der Vorwarnliste.
Die Bewertungsergebnisse anhand des Makrozoobenthos zeigen noch ein hauptsächlich unbefriedigendes ökologisches Potenzial der beprobten Gewässerabschnitte. Lediglich im Nebengewässer Schlautbach sind sehr gute sowie gute Ergebnisse zu finden. Er weist somit potenzielle Quellpopulationen für Wiederbesiedlungen auf. Für die Artengemeinschaften sind sowohl die Habitate als auch die Gewässerchemie von Relevanz. Es zeigte sich ein großer Einfluss der Habitate Argylall (Lehm, Ton) und Akal (Kies) sowie der chemischen Stoffe Nitrat und Chlorid auf Fische sowie Makrozoobenthos. Auffallend ist, dass besonders im Oberlauf der Einfluss von Nitrat dominiert, während im Unterlauf Chlorid vermehrt relevant ist.
Insgesamt wurden 519 Proben für die Wasserchemie analysiert. Die hohen Nitratkonzentrationen (bis zu 73 mc NO3/L und -frachten korrelierten mit hohen Abflüssen. d18O and d15N-Isotopenanalysen zeigten, dass landwirtschaftliche Düngemittel die Hauptquelle des Nitrats darstellten, während der Einfluss von Kläranlagen vernachlässigbar war. Die hohen Nitratkonzentrationen im Oberlauf hängen mit dem höheren Anteil an landwirtschaftlicher Fläche als im Unterlauf zusammen. Bei extremen Niedrigwasser im Sommer 2019 bestand das Aawasser aus bis zu 100% Kläranlagenabläufen mit hohen Chlor-, Natrium- und Kaliumkonzentrationen. Die Stressoren sind sehr von den Jahreszeiten abhängig und es kann erwartet werden, dass sich diese Effekte mit dem Klimawandel weiter verschärfen.

Diskussion
Es lässt sich sagen, dass das Einzugsgebiet der Münsterschen Aa trotz Implementierung des Strahlwirkungs- und Trittsteinkonzeptes noch immer nicht das gute ökologische Potenzial erreicht hat. Die ökologischen Qualitätskomponenten Fische und Makrozoobenthos befinden sich zumeist in einem unbefriedigenden oder mäßigen Zustand. Vereinzelt wurden gute Bewertungen gefunden, welche auf ein Wiederbesiedlungpotenzial insbesondere im Schlautbach sowie Kinderbach schließen lassen. Daher konnte die Bedeutung der Nebengewässer für ein Monitoring bestätigt werden. Die Kartierung der Sohlstrukturen zeigt jedoch hier auch mannigfaltige Defizite aber auch Quellpopulationen von geschützten Arten, die ohne diese detaillierte Betrachtung möglicherweise übersehen worden wären.
Die überaus starke Belastung der Münsterschen Aa mit Nährstoffen, welche vor allem im Hochwasserfall aus den Flächen des Einzugsgebietes eingespült werden und einer sehr großen Anzahl an Mikroschadstoffen, welche vor allem im Niedrigwasserfall eine Rolle spielen, bildet eine diffuse Hintergrundbelasstung, welche mit verantwortlich ist für den schlechten Zustand der Qualitätskomponenten. Ein kausaler Zusammenhang zwischen Hydrochemie und Biologie konnte nicht eindeutig hergeleitet werden, da zuvorderst die Gewässerstruktur defizitär ist. Dies hebt jedoch gleichzeitig hervor, dass kleine Maßnahmen, z. B. im Rahmen der Gewässerunterhaltung durchaus positive Wirkungen für die Gewässerentwicklung haben.
Bisher durchgeführte, kleinere Renaturierungen weisen eine positive Wirkung auf, sind jedoch in der Fläche zu wenige, um eine größere Verbesserung zu bewirken. Degradationsstrahlwege sind mit diesen kleinen Vorhaben noch nicht überbrückbar. Zusätzlich liegen die ausgewiesenen Strahlursprünge zu weit auseinander und konnten zumeist auch nicht mit guten bis sehr guten Bewertungen belegt werden. Eine Aufwertung dieser ist zunächst notwendig.
Als besonders relevant für die verfehlte Strahlwirkung wurde die Gewässerstruktur identifiziert. Alle drei hierbei untersuchten Parameter (Sohlstruktur, Beschattung, Uferrandstreifen) weisen Defizite auf und könnten in einem guten Zustand zu einer verbesserten Strahlwirkung beitragen. Besonders die Sohlstrukutur kann durch geeignete kleinere Maßnahmen aufgewertet werden und so neue Habitatstrukturen zur Verfügung stellen. Ein geeignetes Entscheidungsunterstützungsystem wurde erarbeitet und online zur Verfügung gestellt.

Neue Forschungsschwerpunkte und Fragestellungen
Im Verlauf des Projektes ergaben sich jedoch neue Forschungsschwerpunkte und Fragestellungen, welche zu Beginn des Projektantrages noch nicht ersichtlich waren. Diese sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.
Einen großen Einfluss auf die Probenahmen und Ergebnisse hatten die Extremwetterjahre 2019, 2020 und 2021 mit starker Hitze und dem Trockenfallen großer Teile der Gewässerabschnitte. Diese Phänomene sind mit Zunahme der Erderwärmung in immer kürzeren Abständen zu erwarten und werden das Bild des Einzugsgebietes der Münsterschen Aa prägen. Obwohl die erfolgten Renaturierungsmaßnahmen – kleine sowie große – positive Effekte aufwiesen, können sie das Trockenfallen eines Gewässerabschnittes nicht ausgleichen. Der Wasserrückhalt besonders in Extremjahren wird daher in naher Zukunft von immer größerer Bedeutung sein. Die Kartierung der Querbauwerke lässt darauf schließen, dass diese eine solche Funktion bieten können. Gleichzeitig verhindern sie jedoch die Wanderung von Arten und eine erfolgreiche Strahlwirkung in den Unterlauf. Eine weitere möglicher Speisung der Gewässer liegt in Form von Kleinkläranlagen vor. Daher wird dringender Forschungsbedarf darin gesehen, inwiefern man eine ganzjährige Wasserführung auch in extremen Jahren bei zeitgleicher ungehinderter Wanderung gewährleisten kann.
Mit Blick auf das sich ändernde Wasserregime stellt sich ebenfalls die Frage, ob und inwiefern die Analysewerkzeuge fibs und PERLODES geändert werden müssten, um die sich verändernden Umweltparameter wiederzugeben. Sind die Referenzen der Fisch- sowie Makrozoobenthoszönosen vor dem Hintergrund dieser Veränderungen noch aktuell?
Ein Fokus sollte vor diesem Hintergrund auch auf Kleinkläranlagen gelegt werden, welche die Gewässer auch während extremer Hitze zu speisen scheinen. Mit dem Kläranlagenwasser werden allerdings auch Spurenstoffe und Pharmazeutika eingespült, welche die Wasserqualität reduzieren. Fragen über die Wichtigkeit, den Einfluss und die Auswirkungen dieser (Klein)Kläranlagen sollten dringend beantwortet werden. Ganz generell ist die Frage der Mikroschadstoffe nach wie vor gleichermaßen aktuell wie ungelöst.
Des Weiteren zeigen die Ergebnisse der Gewässerchemie einen Eintrag von Schadstoffen trotz implementierter Gewässerrandstreifen. In Kombination mit der Gewässerstrukturgütekartierung, welche ebenfalls die Einleitungen einschloss, ergibt sich die Frage, ob ein Gewässerrandstreifen mit darunter liegenden Drainagen und Einleitungen überhaupt einen Rückhalteeffekt aufweist. Eine Untersuchung der Chemielast dieser Drainagen und einer möglichen Verringerung dieser, wird daher dringend angeraten.




Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation


Zum Ziel des Projektes gehörte es, die gewonnenen Ergebnisse und Erkenntnisse allgemein zugänglich zu machen und entscheidungsunterstützende Elemente und Materialien für die Akteur*innen bereitzustellen. In Nordrhein-Westfalen obliegt die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie den Bezirksregierungen, also der höheren Wasserbehörde. Vor Ort sind es jedoch vor allem die Akteur*innen in den Gemeinden, Baulastträgern und Wasser- und Bodenverbänden, die für das Erreichen der Ziele verantwortlich zeichnen. Hinzu kommen zivilgesellschaftliche Stakeholder aus der Land- und Fischereiwirtschaft, die sowohl als Privatpersonen agieren, als auch in Verbänden organisiert sind. Daher wurde ein Projektbegleitender Beirat ins Leben gerufen, über den kontinuierlich die Probearbeit begleitet wurde.
Neben Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften wurde ein Webauftritt gestaltet. Dieser wird die Grundlage für die weiteren Umsetzungsaktivitäten sein.
Mit dem Internetauftritt https://tieflandbaecheaufwerten.de wurden die Ergebnisse und das Entscheidungsunterstützungssystem für Praxispartner*innen sowie interessierte Bürger*innen öffentlich gemacht.
Das Entscheidungsunterstützungssystem ist webbasiert aufbereitet. Die einfache Anwendung über die EUfMAa-Webseite ermöglicht eine Nutzung durch die Öffentlichkeit und durch die Gemeinden und Verbände ohne die Installation eines Programmes. Diese Aufbereitung ermöglicht es außerdem, die Informationen über einen langen Zeitraum zur Verfügung zu stellen sowie einen Weiterausbau und einfache Aktualisierung bei Bedarf.
Das EUS wird durch zwei große Module, die untereinander verknüpft sind, bereitgestellt. Zum einen bietet es Unterstützung für die Renaturierung von Tieflandbächen im Allgemeinen und zum anderen für die Aufwertung der Münsterschen Aa. Für die allgemeine Entscheidungsunterstützung wurden Basisinformationen zu wichtigen Planungsschritten und Kataloge ausgearbeitet. Als erstes Teilmodul informiert der Abschnitt „Priorisierung der Maßnahmen“ die Nutzer*innen über wichtige Teilbereiche der Renaturierung, wodurch wichtige Planungsschritte unterstützt werden und die Nutzung der Kataloge angeleitet wird. Durch die Informationen zu verschiedenen Nutzungsansprüchen und Restriktionen, den Ökosystem- und Strukturdefiziten und dem Strahlwirkungskonzept können sich auch weniger fachkundige Zielgruppen wie beispielsweise Gemeinden oder Fischereiverbände das geeignete Wissen aneignen, um die Kataloge effektiv zu nutzen. Ist ausreichend Expertise vorhanden, kann dieser Teilabschnitt übersprungen werden.
Das zweite Teilmodul umfasst drei Kataloge zu den Leitarten von sandgeprägten Tieflandbächen und Renaturierungsmaßnahmen. Bei der Aufwertung von Tieflandbächen müssen die Leitarten berücksichtig werden, um eine möglichst effiziente und zielführende Auswahl an Maßnahmen zu treffen. Das Beiratstreffen mit entsprechenden potenziellen Nutzer*innen hat gezeigt, dass Informationen zu den Habitatansprüchen bewertungsrelevanter Arten nicht immer ausreichend bekannt ist. Die zwei Leitartenkataloge zu Fischen und Makrozoobenthos stellen diese wichtigen Informationen bereit. Sie sollen anleiten, Gewässer entsprechend den Ansprüchen gewässertypischer Leitarten aufzuwerten. Über die Kataloge gelangen die Nutzer*innen zu Profilen der einzelnen Leitarten. Diese beinhalten die Habitatansprüche und geeignete Maßnahmen für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arten.
Das zweite Modul des EUS beinhaltet die Aufbereitung der Ergebnisse des Projektes der Münsterschen Aa. Zentrum dieses Moduls ist eine interaktive Karte des Einzugsgebietes der Münsterschen Aa. Für die Aufbereitung der spezifischen Entscheidungshilfe wurden vier Abschnitte ausgewählt, die sich als Schlüsselstellen für eine ganzheitliche Aufwertung des Tieflandbaches herausstellten. Zu den Abschnitten gelangen die Nutzer*innen über das Anklicken dieser auf der interaktiven Karte des Einzugsgebietes der Münsterschen Aa. Auf den Profilen der Abschnitte werden die Ergebnisse des EUfMAa-Projektes durch Texte und Karten präsentiert.

Publikationen
Ergebnisse für die Hydrochemie wurden in der nachfolgenden Studie publiziert:

Buss, J., C. Achten (2021): Spatiotemporal variations of surface water quality in a mediumsized river catchment (Northwestern Germany) with agricultural and urban land use over a five-year period with extremely dry summers. Science of the Total Environment.



Fazit


Die im Projekt zu Grunde liegenden Hypothesen und Ergebnisse können zusammenfassend wie folgt kommentiert und eingeordnet werden:
• Trotz vorherrschend schlechter Strukturen, weisen die HMWB-Gewässer im Münsterland gewisse biotische Potenziale auf. Das gilt auch für die Münstersche Aa allerdings sind diese Potenziale gering und liegen meist in den von den Planer*innen der WRRL-Umsetzung nicht betrachteten Nebengewässern. So besteht durchaus die Gefahr, dass diese wertvolleren Bereiche übersehen werden. Das DBU-Projekt konnte daher in diesem Punkt einen wichtigen Beitrag leisten, in dem angeraten wird, v. a. die Strecken mit einer guten Gewässerstruktur bevorzugt zu betrachten. Da der Hauptstrom der Münsterschen Aa – wie ebenfalls auch andere Strecken u. a. von Berkel, Dinkel, Vechte etc. – weitgehend ausgebaut und strukturarm ist, kann davon ausgegangen werden, dass dieser Befund übertragbar ist. Ein essentielles Augenmerk ist auf die Fachkunde der Betriebsingenieur*innen der Wasser- und Bodenverbände zu legen. Von ihnen wird es abhängen, ob diese verborgenen biotischen Potenziale genutzt werden oder „aus Versehen“ z. B. durch unsachgemäße Gewässerunterhaltung verloren gehen. Das Webbasierte Entscheidungsunterstützungssystem (EUfMAa) kann hier eine Hilfestellung liefern.
• Die Messstellen an der Münsterschen Aa, die für das (Dauer-)Monitoring des LANUV ausgewählt wurden, zeigen prinzipiell gute Ergebnisse für den Gesamtzustand der Qualitätskomponenten. Für die Hydrochemie gilt das sogar noch stärker, da herausgearbeitet werden konnte, dass die Stofffrachten sehr stark vom Abfluss abhängen. Allerdings ist gerade bei Niedrigabflüssen von höchster Bedeutung, an den Kläranlagenabläufen qualitätskontrollierende Messungen vorzunehmen. Wie zuvor bereits angedeutet, liegen nicht unwichtige Potenziale in den Nebengewässern, sodass das Messnetz erweitert werden sollte. Auch werden die positiven Effekte von kleineren Maßnahmen mit geringer Reichweite nicht erfasst, da die Degradationsstrahlwege deren Effekte im Unterstrom schon nach kurzer Fließstrecke zunichtemachen.
• Die Bedeutung von nicht leitbildkonformen Strukturen für die Fauna (z. B. Steinschüttungen als Ersatz für Totholz) muss auch naturschutzfachlich eingeschätzt werden (FFH-Arten): Es konnte beobachtet werden, dass naturschutzfachlich bedeutsame Arten (Groppe) in Strukturen vorkommen, die nicht dem Leitbild entsprechen. So ist bei Maßnahmen am Gewässer stets naturschutzfachliche Kompetenz gefragt. Insbesondere bei der Gewässerunterhaltung muss ein Umdenken stattfinden. Hier sehen wir das größte kurzfristig zu mobilisierende Potenzial für eine Verbesserung an den Gewässern, da sich gezeigt hat, dass der Flächendruck auf die Landwirtschaft so groß geworden ist, dass Maßnahmen am Gewässer, für die zusätzliche Fläche benötigt wird, kaum mehr umzusetzen sind. Dies wird die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie weiter verzögern. Inwieweit die neuen Verordnungen zur Pestizidausbringung und die Gesetze zu Gewässerrandstreifen hier Verbesserungen bringen, bleibt abzuwarten. Wir sehen, dass die fehlende Bereitschaft, Gehölze zu entwickeln und die Akribie Gewässerrandstreifen mit Graseinsaaten und Mahd kurz zu halten, für die Qualitätskomponenten im Gewässer (Fische und MZB) eher negativ sind.
• Für die Implementierung des Strahlwirkungs- und Trittsteinkonzepts müssen die negativen Wirkungen von Degradationsstrecken abschnittsweise überprüft werden: Die Umsetzung des Strahlwirkungskonzeptes kann – zumindest bei der Münsterschen Aa – als gescheitert angesehen werden. Die Strahlursprünge entsprechen nicht den Anforderungen und enthalten nicht die Arten, die sie enthalten müssten. Es ist sogar so, dass entlang des Hauptstromes der Münsterschen Aa zwar Strahlursprünge ausgewiesen wurden, aber de Fakto kein einziger existiert. Gerade durch die extremen Niedrigwasser in 2019, 2020 und 2022 hat die Biozönose vermutlich stark gelitten. Die Auswirkungen sind derzeit nicht einzuschätzen. Wir konnten beobachten, dass eine große Renaturierungsmaßnahme keine Effekte zeigte. Es muss hierbei beachtet werden, dass sich Erfolge bei Renaturierungen in der Vergangenheit immer erst verzögert eingestellt haben. Ob sich dies angesichts der Änderungen im Abfluss an der Münsterschen Aa bestätigen lässt, muss abgewartet bzw. weiter untersucht werden.
• Der Einfluss von hydrochemischen Stressfaktoren muss geklärt werden: In den trockenen Sommern resultierte fast der gesamte Abfluss in der Münsterschen Aa aus Ablauf der Kläranlagen. Es konnte eine Vielzahl an Stoffen nachgewiesen werden, deren Wirkung auf die biotischen Komponenten nicht klar belegt werden konnten. Dies lag u. a. auch an der schlechten Strukturgüte der Gewässer. Hier besteht weiterhin Forschungsbedarf. Hinzu kommt die sehr hohe Nitrat- und Phosphatlast, welche fast ausschließlich aus landwirtschaftlichen Quellen stammt. Es konnte nachgewiesen werden, dass regenarme Sommer das Nitrat zunächst zurückhalten. In der Folge werden in niederschlagsreichen Wintern diese Reservoirs wieder aktiviert und mangels Vegetationsbedeckung über die Gewässer abtransportiert.
• Maßnahmen der Bodenbewirtschaftung im Einzugsgebiet müssen auf ihre Wirksamkeit hin untersucht werden: Die Bodenordnung im Einzugsgebiet ist daher die Schlüsselgröße, mit der auch die Qualität der Gewässer verbessert werden kann. Die neue GAP 2023 hat mit der Einführung der GLÖZ ergänzend zu den Zielen der WRRL sicher einen bedeutenden Wechsel hervorgebracht. Neben dem weiteren Monitoring der kleinen Maßnahmen am Gewässer, der Begleitung der Umsetzung der GLÖZ halten wir in Teilen eine gewässerorientierte Flurbereinigung zur Schaffung von Renaturierungsstrecken, den Einbau einer vierten Reinigungsstufe an den Kläranlagen und eine weitere Sensibilisierung der Landwirt*innen sowie die deutliche Reduzierung der Nährstofffrachten im Einzugsgebiet für erforderlich, um die Ziele der WRRL zu erreichen.

Übersicht

Fördersumme

273.335,00 €

Förderzeitraum

01.01.2018 - 31.08.2022

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umwelttechnik