Projekt 32732/01

Förderinitiative Nachhaltige Pharmazie 3: Minimierung des Umwelteintrages von Tierarzneimitteln und antibiotikaresistenten Mikroorganismen durch neue Technologien

Projektträger

Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover Institut für Pharmakologie, Toxikologie und Pharmazie
Bünteweg 17
30559 Hannover
Telefon: 05119538730

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Es ist das Ziel des Projekts, einen Beitrag zur Minderung der insgesamt eingesetzten Mengen antibakteriell wirksamer Stoffe in der Nutztiermedizin gemäß dem Antibiotika-Minimierungskonzept und damit zu einer Verminderung der Umweltbelastung und einer Verbesserung der Resistenzsituation zu leisten.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenZunächst wurden neuartige submikrone Arzneimittelformulierungen (verwendeter Wirkstoff: Trimthoprim) entwickelt, welche in sich anschließenden In-vitro-Untersuchungen (Stabilität der Formulierungen, Biofilmbildung, Resistenzentwicklung und physikalische Interventionsmöglichkeiten) als auch in In-vivo-Untersuchungen an Schweinen eingesetzt werden. Hierbei wurden die Bioverfügbarkeit verschiedener Formulierungen, die Resistenzentwicklung kommensaler Keime, sowie die Umweltbelastung im Tierstall untersucht. Der in Tränkesystemen bestehenden Problematik der Biofilmbildung, die sowohl die Wirkstoffverfügbarkeit negativ beeinflussen als auch zur Ansiedlung resistenter Bakterien beitragen kann, soll parallel mit Hilfe einer physikalischen Methode begegnet werden.


Ergebnisse und Diskussion

Bei der Herstellung der submikronen Partikel kamen Sprühtrocknung, Wirbelschichtgranulation und Hochenergiegranulation zur Anwendung. Eine Kombination von Natriumdodecylsulfat und Hydroxypropylcellulose erwies sich als geeignet, um die kolloidale Stabilität der zerkleinerten Wirkstoffpartikel zu gewährleisten. Die hergestellten Wirkstoffsuspensionen wiesen eine enge Partikelgrößenverteilung im submikronen Größenbereich auf. Es fiel auf, dass Trimethoprim in saurem pH (Magen) umkristallisiert; es entsteht eine stäbchen- bzw. nadelartige Struktur, wohingegen im basischen Bereich eine kompakte Kristallform vorliegt. Um einer Umkristallisation vorzubeugen, wurde zusätzlich ein magensaftresistentes Coating verwendet. In vitro konnte gezeigt werden, dass aus allen Granulaten durch Auswahl passender Formulierungs- und Prozessparameter die zuvor eingesetzten submikronen Wirkstoffpartikelgrößen wieder redispergierbar waren. Die Freisetzung des Trimethoprims und des in Kombination vewendeten Sulfadiazins wird insbesondere durch die Granulatgröße beeinflusst Für die Bestimmung von Sulfadiazin und Trimethoprim wurden chromatographische Nachweisverfahren etabliert und validiert (HPLC-UV, HPLC-MS). Die Wirkstoffe wiesen eine hohe Stabilität (untersucht über 70 Versuchstage) auf. Unter ameisensauren Bedingungen konnte nach 5 Tagen ein neuer Peak detektiert werden, der bis zum 70. Versuchstag auf 4 % – mit und ohne Lichteinfluss – anstieg.

In den mit den Testformulierungen aus den jeweiligen Herstellungsprozessen durchgeführten Experimenten an Schweinen konnten unter den gegebenen Versuchsbedingungen hinsichtlich der Bioverfügbarkeit und der Umweltbelastung über Stäube keine Vorteile der auf submikronen Partikeln basierenden Formulierungen festgestellt werden. In keinem der Versuchsdurchgänge konnte Trimethoprim in luftgetragenem Staub (Polycarbonatfilter) oder im Plasma unbehandelter Sentinel-Schweine detektiert werden. Sulfadiazin wurde lediglich in dem Versuchsdurchgang, in welchem mit Wirbelschichtgranulat behandelt wurde, in der Stallluft (Aerosolstaub) nachgewiesen. Im Sedimentstaub lagen die für Trimethoprim nach der Behandlung mit den Testformulierungen ermittelten Werte stets unterhalb der Quantifizierungsgrenze. Sulfadiazin konnte hingegen im Sedimentationsstaub nachgewiesen werden.

Das Coating erwies sich hinsichtlich des Ziels des Projekts, durch eine verbesserte Wirkstoffverfügbarkeit eine Reduzierung der zu verabreichenden Dosis zu erreichen, als nicht zielführend, da die erreichten Sulfadiazinkonzentrationen niedriger waren. Da bei den kommensalen intestinalen E. coli der Schweine, die in den einzelnen Versuchsabschnitten eingesetzt wurden, bereits eine Sulfonamidresistenz vorlag, konnten keine Aussagen zur Beeinflussung des Resistenzgeschehens in vivo gemacht werden. In einem In-vitro-Ansatz zeigte sich, dass das 19:1-Verhältnis von Sulfonamid zu Trimethoprim geeignet ist, eine Resistenzentwicklung zu minimieren.

Im zweiten Projektteil wurden zunächst die Biofilmentstehung sowie das Verhalten des Biofilms während einer antibiotischen Exposition untersucht, um als nächsten Schritt ein von der Bauer Solutions GmbH (Beckum) vertriebenes Gerät hinsichtlich einer Verminderung der Keimbelastung und der Biofilmbildung in Tränkwassersystemen und eines Effekts auf dem Wasser zugesetzte Wirkstoffe (Stabilität) zu überprüfen. Durch die Untersuchungen zur Biofilmentstehung konnte festgestellt werden, dass die mit Tränkwasser üblicherweise verabreichten Konzentrationen von Sulfadiazin und Trimethoprim keine Auswirkungen auf die Keimgehalte von Polykultur-Biofilmen in PVC-Rohren unter nährstoffarmen Bedingungen bei 20 °C hatten. Bezüglich des Sulfadiazingehalts im flüssigen Medium konnten nach einer Stunde Exposition Konzentrationsunterschiede zwischen dem Biofilm- und dem Kontrollrohr bestimmt werden. Zudem konnte Sulfadiazin in der Flüssigkeit der vorherigen Waschschritte und in der PBS-Biofilm-Lösung quantifiziert werden. Der Wirkstoffgehalt in der PBS-Lösung mit Biofilm lag sechs- bis achtfach höher als im Kontrollrohr. Die Wirkstoffdiffusion in oder -adsorption an den Biofilm kann insofern bestätigt werden. Ferner lässt sich vermuten, dass die Dichte des Biofilms einen Einfluss auf die Aufnahmemenge von Sulfadiazin haben könnte. Bei einem geringeren KbE-Gehalt pro cm² könnte auch weniger Sulfadiazin in den Biofilm eindringen. Was man bisher nicht abschätzen kann, ist ein möglicher Einfluss der extrazellulären Substanzen (EPS), die einen Großteil eines Biofilms ausmachen; so könnte bei einer geringeren KbE-Dichte weniger EPS produziert werden.
Sulfadiazin kann beim Autoklavieren unter SO2-Verlust zu Sulfadiazinex umgewandelt werden. Diese SO2-Extrusion ist bei Sulfonamiden auch als Photolysereaktion beschrieben. Die Summenformel „C12H12N4O“ von SDZex wurde mittels hochauflösender Massenspektrometrie bestätigt. Bisher ist wenig bekannt über Stabilität und biologische Wirkung dieser Transformationsprodukte, die möglicherweise in der Umwelt gebildet werden können. Sulfadiazinex zeigte sich als sehr stabil in Methanol sowie in wässrigen Lösungen bei pH 4, 7 und 10. Insofern könnte die Photolyse eine wichtige Reaktion für die Inaktivierung von Sulfonamiden – möglicherweise auch in der Umwelt – darstellen.
Mit Hilfe von Pseudomonas fluorescens konnte Sulfadiazinex durch den Modellbiofilm in ein Transformationsprodukt umgewandelt werden. Dabei entstand ein acetyliertes Produkt an der endständigen Amino-Gruppe, welches durch die Bestimmung der exakten Masse und des Fragmentmusters identifiziert werden konnte. Die Transformation von Sulfadiazinex durch den Modellbiofilm zeigt, dass dieser auch metabolisch aktiv ist. Interessant ist zusätzlich, dass der Biofilm das Transformationsprodukt Sulfadiazinex acetylieren kann. Sulfadiazinex hat keine antimikrobielle Aktivität, Sulfadiazin hingegen schon. Somit bleibt die spannende Frage offen, warum Sulfadiazin nicht acetyliert wird.

Es ergab sich bei den Untersuchungen mit dem Bauer-System, dass eine Behandlung des Wassers in handelsüblichen Tränkleitungssystemen unter den verwendeten Bedingungen langfristig keinen reduzierenden Effekt auf den kultivierbaren Keimgehalt im Wasser oder auf die Biofilmbildung hatte. Die Expositionsversuche der verwendeten Indikatoren zeigten weder auf die Membranaktivität noch auf die Aggregationsfähigkeit der Bakterien Effekte durch die elektromagnetische Behandlung. Auch wenn keine direkte Wirkung auf die verwendeten Keime und gezüchteten Biofilme in den Modellsystemen gezeigt werden konnte, kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass Ablagerungen auf Tränkeleitungen in Praxisbetrieben durch das System beeinflusst werden und somit ein indirekter Effekt auf Keimzahlen gegeben sein könnte.
Ferner konnte anhand der Ergebnisse festgestellt werden, dass das Bauer-Gerät mittels elektromagnetischer Felder keine Antibiotika-Reduktion in betriebsüblichen Tränkeleitungen unter den eingestellten Versuchsbedingungen zeigte. Demnach ist der Einsatz des Bauer-Geräts für die Tränkmedikation mit Sulfonamiden und Trimethoprim unbedenklich. Im Verlauf der Arbeiten ergaben sich verschiedene grundlegende Aspekte, die im Sinne einer Reduzierung der Umweltbelastung weiterverfolgt werden sollten. Dies betrifft beispielsweise die Minimierung der Belastung der direkten Tierumgebung und damit letztlich der Umwelt durch verabreichte Wirkstoffe oder die Interaktion des verwendeten Sulfonamids im Biofilm.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Über die durchgeführten Studien wurden verschiedene Vorträge auf Fachtagungen gehalten. Die Ergebnisse des Projekts sollen in Fachzeitschriften veröffentlicht werden. Entsprechende Manuskripte befinden sich in Vorbereitung; eine Publikation ist bereits erschienen (MATEUS-VARGAS, R.H., KEMPER, N., VOLKMANN, N., KIETZMANN, M., MEISSNER, J., SCHULZ, J. (2019): Low-frequency electromagnetic fields as an alternative to sanitize water of drinking systems in poultry production? PLoS ONE 14: e0220302; doi:10.1371/journal.pone.0220302).


Fazit

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass für die auf submikronen Partikeln basierenden Testformulierungen kein positiver Effekt im Sinne einer verbesserten Bioverfügbarkeit und verringerten Belastung der direkten Tierumgebung erreicht wurde. Auch das geprüfte Bauer-System zeigte keinen positiven Effekt im Sinne einer Verminderung der Biofilmentstehung; es hatte aber auch keinen negativen Einfluss auf die Wirkstoffstabilität in medikiertem Tränkwasser.

Übersicht

Fördersumme

591.467,00 €

Förderzeitraum

01.11.2015 - 31.10.2019

Bundesland

Niedersachsen

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz
Umwelttechnik