Projekt 30626/01

Entwicklung eines Messgerätes zur selektiven und sensitiven Messung von Ammoniak (NH3) und Ammonium (NH4+) in der Atmosphäre

Projektträger

Bergische Universität Wuppertal Fachbereich C / Physikalische Chemie
Gaußstr. 20
42119 Wuppertal
Telefon: 02 02/4 39-35 34

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Ammoniak (NH3) ist ein wichtiges atmosphärisches Spurengas, da es Säuren in der Atmosphäre neutralisiert und dabei entscheidend an der Bildung von sekundären Partikeln („Feinstaub“) beteiligt ist. Bisher entwickelte NH3-Messgeräte weisen meist aber noch Interferenzen und Sammelartefakte auf, sind oft komplex und zudem sehr teuer. Daher soll im Rahmen des Projektes ein einfaches Messgerät entwickelt werden, mit dem NH3 sowie Ammonium-Partikel (NH4+) simultan quantifiziert werden. Das Gerät soll beide Komponenten mit einer Zeitauflösung von wenigen Minuten empfindlich und selektiv nachweisen und somit den Einsatz für verschiedenste Fragestellungen in der Atmosphäre aber auch in Labormessungen ermöglichen. Für den empfindlichen Nachweis soll das LOPAP®-Verfahren (Long Path Absorption Photometer) eingesetzt werden, bei dem NH3/NH4+ in einen Farbstoff umgewandelt wird, der dann in Langwegabsorption in einem speziellen Teflonschlauch nachgewiesen wird. Auf Grund der großen optischen Weglängen soll eine hohe Empfindlichkeit – mit einer geschätzten Nachweisgrenze von 20 pptv – erzielt werden. Es sollen NH3 und NH4+ einzeln und nicht mit Hilfe eines Differenzverfahrens bestimmt werden, um auch kleine NH3-Konzentrationen neben hoher NH4+-Belastung nachzuweisen. Dazu soll zunächst in einem Minidenuder NH3 selektiv aus der Gasphase abgetrennt und die verbleibenden NH4+-Partikel dann in einem nachgeschalteten Glasfrittenimpaktor quantitativ gesammelt werden. Durch den Einsatz einer externen Sammeleinheit sollen Sammelartefakte in Probenahmeleitungen minimiert werden. Auf Grund der zu erwartenden Leistungen des Gerätes (einfach, empfindlich, selektiv), der Probleme anderer Messverfahren und der vielseitigen Einsatzmöglichkeiten sind gute Marktchancen für den Industriepartner QUMA zu erwarten.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIm Projekt sollten folgende Arbeitspakete bearbeitet werden:

Arbeitspaket 1:
Es soll zunächst ein Farbstoff ausgewählt werden, mit dem NH3/NH4+ empfindlich und selektiv nachgewiesen werden können. Die Herstellung des Farbstoffes sollte dabei relativ einfach sein und keine extremen Reaktionsbedingungen (hohe Temperatur, starke Säuren, etc.) und lange Reaktionszeiten benötigen. Und zuletzt sollten auch keine hochgiftigen Edukte verwendet werden, wie z. B. bei dem Nachweis nach Nessler. Die bekannteste Reaktion geht auf den französischen Chemiker Marcelin Berthelot (1827-1907) zurück und ist auch als Indophenolmethode bekannt. Für diesen Nachweis gibt es viele Modifikationen, wobei hier schnelle Reaktionszeiten bei Raumtemperatur im Vordergrund stehen, was z. B. für die Reaktion mit Thymol gegeben ist. Diese Arbeiten können noch an einem Standardphotometer an der BUW durchgeführt werden.

Arbeitspaket 2:
Nach Auswahl der Nachweisreaktion soll ein Laborprototyp aufgebaut werden, der in erster Linie dazu dient, die Reaktionsbedingungen (Temperatur, Reaktionszeit, Reaktantenzusammensetzung) der aus-gewählten Farbstoffreaktion für die kontinuierliche Anwendung in einem LOPAP-Messgerät zu adaptieren. Dazu müssen von der Glasbläserwerkstatt der BUW auch verschiedene Minidenuder und Glasfrittenimpaktoren angefertigt werden. Arbeitspaket 2 beinhaltet Arbeiten der BUW und des Industriepart-ners QUMA.

Arbeitspaket 3:
Zur Optimierung der Sammeleffizienzen müssen zunächst reine NH3- und NH4+-Quellen aufgebaut werden. Für gasförmige NH3-Mischungen soll – analog zu einer in der Arbeitsgruppe vorhandenen HONO-Quelle – eine thermostatisierte „Stripping-Coil“ verwendet werden, die mit NH3-Lösungen verschiedener Konzentration und einem Flussregler für die durchströmende synthetische Luft betrieben wird. Für die Generierung von NH4+-Partikeln soll ein in der Gruppe vorhandener Ultraschallvernebler für Ammoniumsalzlösungen mit nachgeschaltetem Diffusionstrockner zum Einsatz kommen. Die Stabilität der Aerosolquelle kann mit einem in der Arbeitsgruppe vorhandenem SMPS („Scanning Mobility Particle Sizer“) überprüft werden. Arbeitspaket 3 wird von der BUW durchgeführt.

Arbeitspaket 4:
Es sollen zunächst nacheinander die Sammeleffizienzen für NH3 sowie NH4+ als Funktion der Geräteparameter (Sammlergeometrie, Gas- und Flüssigflüsse, Derivatisierungs-Zeit und -Temperatur, etc.) optimiert werden. Dazu werden jeweils zwei gleiche Sammler (Minidenuder, Glasfrittenimpaktor) in Reihe geschaltet, so dass mit Hilfe der reinen Quellen (Arbeitspaket 3) der Durchbruch im ersten Sammler quantifiziert werden kann. Arbeitspaket 4 wird hauptsächlich von der BUW durchgeführt.

Arbeitspaket 5:
Nach Optimierung der Sammelparameter soll beim Industriepartner QUMA ein NH3/NH4+-LOPAP aufgebaut werden. Dieses Gerät soll dann noch einmal mit reinen NH3/NH4+-Mischungen im Labor getestet werden, um noch nötige Feinanpassungen für den simultanen Nachweis beider Komponenten durchzuführen. Arbeitspaket 5 beinhaltet Arbeiten des Industriepartners QUMA und der BUW.

Arbeitspaket 6:
Mit dem NH3/NH4+-LOPAP sollen dann im Labor Interferenzen verschiedener Spurenstoffe überprüft und quantifiziert werden. Hierzu soll z. B. die Sammeleffizienz von Partikeln im Denuder als Funktion der Partikelgröße quantifiziert werden, um die Partikelinterferenz im NH3-Kanal zu bestimmen. Auch sollen Interferenzen von Aminen (R-NH2) und verschiedener atmosphärischer Oxidationsmittel (O3, H2O2, NO2, N2O5) überprüft werden. Arbeitspaket 6 wird hauptsächlich von der BUW durchgeführt.

Arbeitspaket 7:
Das neue LOPAP-Messgerät soll in zwei Vergleichskampagnen bei verschiedenen komplexen Bedingungen validiert werden. Zum einen soll in einer Smogkammer NH3 unter simulierten atmosphärischen Sommersmogbedingungen im Vergleich mit einem FTIR-Spektrometer quantifiziert werden. Zum anderen soll das LOPAP-Verfahren mit anderen Messgeräten in der Atmosphäre verglichen werden. Hierfür bestehen Kontakte sowohl zum Max-Planck-Institut für Chemie (MPI) in Mainz (Dr. Trebs), wo ein GRAEGOR-Messgerät im Einsatz ist sowie zum Umweltbundesamt (UBA) in Langen (Dr. Wirtz), welches ein CRDS-System betreibt. Um Kosten zu sparen, sollen die atmosphärischen Vergleichsmessungen möglichst bei Feldmessungen durchgeführt werden, bei denen die Messgeräte der anderen Institute sowieso eingesetzt werden. Arbeitspaket 7 wird hauptsächlich von der BUW durchgeführt.


Ergebnisse und Diskussion

Im ersten Projektjahr konnte ein kompakter Prototyp zum Nachweis von NH3 in der Atmosphäre auf Basis der LOPAP-Technik (Long-Path-Absorption Photometer) aufgebaut werden. Es wurde zunächst ein geeignetes Nachweisreagenz ausgewählt und optimiert, welches eine hohe Farbstoffbildungsbilanz bei einem schnellen Umsatz gewährleistet. Der empfindliche Nachweis erfolgt hierbei über eine modifizierte Berthelot-Reaktion, bei der NH3 mit Hilfe der Farbstoffabsorption des entstehenden Indothymols in speziellen Langwegabsorptionsschläuchen detektiert wird. Es wurde vom Industriepartner ein temperierbarer Flussreaktor für den kontinuierlichen Betrieb im LOPAP-Messgerät aufgebaut, der eine reduzierte Reaktionszeit von nur 2 min ermöglicht. Zusätzlich zum Aufbau des Labor-Prototyps zum Nach-weis gasförmigen Ammoniaks konnte eine reine NH3-Quelle aufgebaut und charakterisiert werden. Über die bekannte Löslichkeit von NH3 in Wasser (Henry’sches Gesetz) kann die NH3-Konzentration berechnet werden, so dass keine Kalibrierung der Quelle nötig ist. Die Quelle erlaubt zudem eine schnelle Variation der Konzentration über den gesamten atmosphärischen Konzentrationsbereich, und weist eine hohe Präzision auf (1%). Auf Grund dieser Vorteile soll die NH3-Quelle in Zukunft kommerziell von QUMA angeboten werden, was ursprünglich nicht geplant war. Außerdem wurde eine Quelle zur kontinuierlichen, stabilen Erzeugung von NH4+-Partikeln aufgebaut, welche auf dem bekannten Prinzip eines „Collison Nebulizer“ beruht. Der ursprünglich geplante Ultraschallvernebler konnte nicht verwendet werden, da dieser nur eine geringe Langzeitstabilität bei der Partikelanzahl und -größe aufwies. Die Stabilität und die Systemparameter der neuen Aerosolquelle wurden erfolgreich mit einem Partikelmessgerät (SMPS) überprüft.

Im zweiten Projektjahr wurde der Messgeräteaufbau auf Grund unerwarteter Probleme noch weiter modifiziert und sowohl das Sammelreagenz als auch die Anordnung des Denuders (NH3) sowie des Partikelimpaktors (NH4+) verändert. Hierdurch konnte die Adsorption von NH3 an Oberflächen im Messgerät und damit die Zeitauflösung minimiert werden. Mit dem Aufbau eines Zwei-Kanal-Denuder-Systems wurde die Sammeleffizienz des Denuders in Abhängigkeit von Gas- und Flüssigfluss bestimmt. Es zeigte sich eine sehr gute Übereinstimmung mit theoretischen Berechnungen, wodurch der für eine geringe Partikelabscheidung notwendige laminare Gasfluss durch den Denuder bewiesen wurde. Mit einem Denuder/Impaktor Prototyp konnten dann Interferenzen von Partikeln, NO, NO2, O3 und H2O2 bestimmt werden. Diese sind bei atmosphärischen Bedingungen als unkritisch einzustufen.

Im dritten Projektjahr, zeigte sich, dass der zum Sammeln von gasförmigem NH3 eingesetzte Mini-denuder – gerade bei atmosphärischen Messungen – keine gute Langzeitstabilität durch ungleichmäßige Benetzung der Oberfläche aufweist. Somit kann der Denuder zwar für kurze Messungen im Labor verwendet werden, er eignet sich jedoch nicht für ein kommerzielles, kontinuierlich arbeitendes Messgerät. Auf Grund dieser Probleme, wurde das Messkonzept schließlich unter Verwendung zweier Stripping-Coils zum Sammeln von gasförmigem NH3 und zur Korrektur von Interferenzen umgestellt. Auf Grund des turbulenten Gasflusses in einer Stripping-Coil und der daraus resultierenden signifikanten Aufnahme von Partikeln konnte der simultane Nachweis von NH3 und NH4+-Partikeln im Projekt nicht realisiert werden, da der zweite Kanal des Messgerätes jetzt zur Korrektur der Partikelinterferenzen eingesetzt werden musste. Das modifizierte NH3-LOPAP weist eine gute Empfindlichkeit (Nachweisgrenze ~20 pptV), Linearität, Präzision (1 %) und Genauigkeit (10 %), Zeitauflösung (4 min) sowie ei-nen großen Messbereich (DL bis ~1 ppmV) auf. Zudem lässt sich das Gerät einfach und genau über einen Flüssigstandard kalibrieren.
Das NH3-LOPAP wurde dann erfolgreich in zwei Vergleichskampagnen an einer ländlichen Messstation (Melpitz) sowie beim Umweltbundesamt in Langen gegen andere kommerzielle Messverfahren validiert. Bei den Messungen in Melpitz ergab sich eine hervorragende Übereinstimmung mit einem MARGA-System und es konnten die Partikelinterferenzen der Stripping-Coil quantifiziert werden, welche sich problemlos mit dem zweiten Messkanal korrigieren lassen. Auch die vorläufigen Messergebnisse beim UBA zeigen eine gute Übereinstimmung mit einem spektroskopischen Messverfahren. Zudem wurden hier – wie schon bei dem zunächst verwendeten Denuder – keine signifikanten Interferenzen gegenüber gasförmigen Spurengasen beobachtet.

Auf Grund der Modifikation des NH3-LOPAPs im dritten Projektjahr konnten einige geplante Arbeiten nicht mehr durchgeführt werden. Hier sollen aber noch die Messungen an einer Hauptverkehrsstraße zur Bestimmung von NH3-Emissionen aus dem Straßenverkehr nachgeholt werden. Auch müssen noch einige Interferenzen (Partikel, Amine) mit den Stripping-Coils als Sammeleinheit untersucht werden. Dies wird an einer Simulationskammer der BUW erfolgen.
Während aus Zeitgründen einige Arbeitspunkte offen blieben, wurden andere Messungen – wie z. B. die Vergleichsmessungen am Umweltbundesamt – durchgeführt, die eigentlich nicht geplant waren. Auch wurden im Labor Messungen an Ionenquellen von Massenspektrometer durchgeführt, die die unerwartete chemische Bildung von NH3 in den Quellen zeigten. Hier wird das neue Messgerät in einer Bachelorarbeit nach dem Projekt weiter von Kollegen eingesetzt werden. Und schließlich wird das Gerät gerade im Rahmen eines Vertiefungspraktikums im Labor benutzt, in denen erstmalig in der Arbeitsgruppe der photokatalytische Abbau von NH3 untersucht wird.

Somit wird abschließend festgestellt, dass trotz der beschriebenen Probleme ein NH3-LOPAP erfolgreich entwickelt, getestet und in einigen interessanten Anwendungsgebieten eingesetzt wurde.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes werden gegenwärtig zur Veröffentlichung im Rahmen von zwei Publikationen in einschlägigen Fachzeitschriften sowie im Rahmen der Dissertation von Frau Peters vorbereitet. Dazu sollen aber noch die fehlenden Interferenzmessungen und die Emissionsmessungen nachgeholt werden.
Im November 2016 wird das Messgerät im Rahmen des 15. NH3-Workshops des Instituts für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie (ITTN) der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, sowie des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts Hildesheim, einem breiteren Fachpublikum vorgestellt.
Die im Zusammenhang mit dem Projekt entwickelte reine NH3-Quelle wurde im Februar 2016 im Rahmen des MetNH3 (Metrology for Ammonia in Ambient Air) Workshops an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig vorgestellt. Die Ergebnisse zur NH3-Quelle sollen ebenfalls in Form einer Publikation veröffentlich werden.



Fazit

Im Rahmen des Projektes wurde ein neues NH3-LOPAP (Long Path Absorption Photometer) Messgerät entwickelt, bei dem NH3 in einer Stripping-Coil in einer externen Sammeleinheit ohne Verwendung von Probenahmeleitungen gesammelt und dann in einen Farbstoff umwandelt wird. Dieser wird photometrisch in Langwegabsorption empfindlich nachgewiesen. Das Gerät besitzt zur Korrektur von Interferenzen – z. B. gegenüber Ammoniumpartikeln – zwei Kanäle und wurde erfolgreich in zwei Vergleichskampagnen in Melpitz und am UBA in Langen getestet. Das NH3-LOPAP weist eine gute Empfindlichkeit (Nachweisgrenze ~20 pptV), Linearität, Zeitauflösung (4 min), Präzision (1 %) und Genauigkeit (10 %), sowie einen großen Messbereich (DL bis ~1 ppmV) auf. Zudem lässt sich das Gerät einfach und genau über einen Flüssigstandard kalibrieren. Weiterhin wurde im Rahmen des Projektes eine neue NH3-Eichgasquelle entwickelt, bei der schnell und präzise gasförmige NH3-Eichgasmischungen über einen weiten Konzentrationsbereich generiert werden können. Die NH3-Konzentration der Quelle wird dabei über die bekannte Löslichkeit von NH3 in Wasser (Henrykonstante) bei bekanntem Gas- und Flüssigfluss berechnet.
Obwohl die Marktchancen auf Grund der fehlenden NH4+-Partikelmessungen geringer geworden sind, kann auf Grund der oben beschriebenen Vorteile von einer erfolgreichen Vermarktung in Zukunft ausgegangen werden.

Übersicht

Fördersumme

212.926,00 €

Förderzeitraum

19.03.2013 - 30.06.2016

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter

Umwelttechnik