Projekt 26739/01

Auswirkungen verkehrsbedingter Immissionen auf die Denkmalsubstanz – Eine vergleichende Studie am Beispiel der Innenstädte von München und Mainz

Projektträger

Institut für Steinkonservierung e. V.
Große Langgasse 29
55116 Mainz
Telefon: +49 6131 2016 500

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die Erfassung der verkehrsbedingten Immissionsbelastung von Denkmälern soll aufzeigen, welche Gefährdung von den aktuellen Verkehrsbedingungen für die Oberflächen von Baudenkmälern ausgeht. Während frühere Untersuchungen stets auf den Eintrag von SO2 und verwandten Verbindungen fokussierten, stehen heute NOx und Feinstaub im Mittelpunkt. Hauptemissionsquelle für diese Stoffe ist der Straßenverkehr. Es ist zu prüfen, ob trotz der wesentlich verbesserten Luftqualität noch immer ein Gefährdungspotential für die Oberflächen historischer Bau- und Einzeldenkmale besteht. Moderne Tools wie die numerische Simulation der innerstädtischen Luftschadstoffausbreitung und die automatisierte Analytik zur Bestimmung und Zuordnung von Feinstaubpartikeln werden genutzt, um das verbleibende Gefährdungspotential zu beurteilen. Hauptziel des Projekts ist, ausgehend von den Beispielen München und Mainz, die erforderlichen Planungsvoraussetzungen und Modellrechnungen bereit zu stellen, mit denen auch andere verkehrsgeplagte Städte ihr bauliches Erbe besser schützen können.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenZunächst erfolgt eine detaillierte Auswertung der von den Landesbehörden durchgeführten Luftschadstoffmessungen in Mainz und München (ZIMEN und LÜBS). Durch den Vergleich von Messstationen an Verkehrs-Hotspots und in Wohngebieten wird die Höhe der städtischen Hintergrundbelastung sowie der zusätzlichen verkehrsbedingten Belastung abgeschätzt. Fußend auf den von den Kommunen zur Verfügung gestellten Daten zu Topographie, Bebauung, Verkehr und Klima sowie den Angaben des Handbuchs für Emissionsfaktoren HBEFA (Umweltbundesamt 2010) wurde die innerstädtische Ausbreitung verkehrsbedingter Emissionen für die Hauptstraßennetze berechnet. Der Vergleich mit den offiziellen NOx- und Feinstaubmessdaten diente der Überprüfung der Plausibilität der Rechenergebnisse. Die berechneten Karten der Luftschadstoffausbreitung (Jahresmittelwerte) wurden mit den Denkmaltopographien zusammengeführt, wodurch besonders verkehrsbelastete Denkmäler unschwer identifiziert werden konnten. Da Auswirkungen der Schadstoffe auf Denkmaloberflächen nicht nur von der Höhe der Luftschadstoffkonzentration, sondern auch von der Reaktivität des jeweiligen Substrats abhängig ist, mussten die verbauten Gesteinsarten und andere Merkmale wie Verputz und Anstrichsysteme erfasst werden. Für Mainz wurde eine derartige Erfassung für ein Drittel des innerstädtischen Denkmalbestandes durchgeführt. Für München lag eine derartige Erfassung bereits vor, sie wurde in ein Geografisches Informationssystem (GIS) überführt und dort mit der Karte der verkehrsbedingten Emissionen überlagert. Für die Bewertung der Auswirkungen verkehrsbedingter Immissionen auf die verschiedenen Baumaterialien wur-den Dosis-Wirkungsbeziehungen herangezogen, die auf Grundlage des langjährigen Expositionsprogramms MULTI-ASSESS entwickelt worden waren. Für zwei an verkehrsreichen Straßen gelegene Baudenkmäler, das bayerische Nationalmuseum München und die Ev. Christuskirche Mainz, wurden numerische Simulationen zu Luftströmungen und damit verbundenen Depositionsraten im Nahfeld der Gebäude durchgeführt. An den beiden Gebäuden wurde an mehreren Tagen die Feinstaubimmission mittels Aktivsammlern (Opticle Particle Counter) in verschiedenen Gebäudehöhen gemessen und mit den amtlichen Daten verglichen. Ergänzend wurden an den beiden Gebäuden Einzelpartikelanalysen der deponierten Feinstaubpartikel mittels Rasterelektronenmikroskopie / energiedispersiver Röntgenfluoreszenzanalyse durchgeführt, um anhand ihrer chemischen Zusammensetzung Aussagen zu den Emissionsquellen abzuleiten.


Ergebnisse und Diskussion

Der Vergleich der ZIMEN- und LÜBS-Messwerte zu NO2 und Feinstaub (PM10) von Luftmessstationen an Verkehrs-Hotspots und in Gebieten mit städtischer Hintergrundbelastung zeigt, dass der Anteil des Straßenverkehrs an der NO2-Belastung bei ca. 70 % liegt, für Feinstaub (PM10) macht er etwa 35 % aus.
Für die Hauptverkehrswege der Innenstädte von München und Mainz wurde die Ausbreitung verkehrsbedingter NO2- und PM10-Emissionen berechnet. Bedingt durch die Hauptwindrichtungen aus West zeigen sich teils deutliche Verschleppungen der Schadstofffahnen in östliche Richtung. Der Vergleich mit den Messwerten an den Luftmessstationen zeigt gute Übereinstimmungen von Rechen- und Messergebnissen. Erkennbar wird die Relevanz der Datenqualität: Der gegenüber München anders strukturierte Datenbestand führte bei den Berechnungen für Mainz zu größeren Unsicherheiten. Die Ergebnisse der Simulation können als Basis für künftige Prognosen genutzt werden, z. B. zur Einführung innerstädtischer Umweltzonen oder geänderter Verkehrsführungen.
Die Überlagerung der Schadstoffkarten mit der Denkmaltopographie zeigt schnell die besonders belasteten Denkmale an. Für Mainz wurden große Teile der Denkmalliste in die Schadstoffkarte übertragen, für München wurden beide Informationen in einem Geographischen Informationssystem (GIS) zusammengeführt. Wichtig ist neben der Belastungssituation auch die unterschiedliche Reaktivität von Fassadenmaterialien. Daher wurde für Mainz eine Erfassung der Baustoffe an Denkmalfassaden durchgeführt, bei der 335 Einzelobjekte aus der Altstadt und aus ausgewählten Straßenzügen der Neustadt erfasst und nach Baustoffgruppen klassifiziert wurden. Für München wurde die vorliegende Natursteinerfassung in das GIS übertragen und mit Hintergrundinformationen hinterlegt.
Während in München Carbonatgesteine als Baustoffe von Denkmalen dominieren, treten in Mainz die Sandsteine in den Vordergrund. Für eine Kalksteinart, Portland-Kalkstein, und für verschiedene Metalle werden in der Literatur Dosis-Wirkungsbeziehungen angegeben, wogegen sie für Sandstein fehlen. Die Berechnung durchschnittlicher jährlicher Rückwitterungsraten ergeben Werte von ca. 7 µm pro Jahr für Portland-Kalkstein. Es ist aber zu berücksichtigen, dass die Rückwitterung nicht großflächig konstant bleibt, sondern dass am Bauwerk aufgrund komplexer Geometrie lokal höhere Rückwitterungsraten zu erwarten sind. Für die höheren Umweltbelastungen Ende der 1970er Jahre ergeben sich Rückwitterungsraten von 12 µm/a. Es zeigt sich, dass seit 1979 der Einfluss von SO2 auf die Rückwitterungsrate stark sank, während der Einfluss von NO2 (+ O3) in der gleichen Zeitspanne stieg.
Für die beiden extrem verkehrsbelasteten Denkmale Christuskirche Mainz und Bayerisches Nationalmuseum München wurden Nahfeldsimulationen der Windfelder und der damit verbundenen Depositionsraten durchgeführt. Ansatzweise wurde dabei auch der Einfluss von Bepflanzungen im Umfeld berücksichtigt, doch fehlen zu diesem Thema noch viele grundlegende Daten. Die Simulation ermöglicht die Erkennung besonders stark belasteter Fassadenabschnitte.
Feinstaubmessungen (PM10 und PM2,5) mit optischen Partikelzählern wurden in verschiedenen Gebäudehöhen durchgeführt, wobei sich für Mainz ein deutlicher Anstieg der Werte mit der Gebäudehöhe und für beide Gebäude ein Anstieg der PM2,5/PM10-Verhältnisse mit der Höhe zeigte. Die Werte stimmen gut mit den Werten der jeweils nächsten offiziellen Luftmessstationen überein.
Die Einzelpartikelanalyse (EPA) ermöglichte eine näherungsweise Quantifizierung der Anteile verschiedener Emissionsquellen. Der direkte Eintrag bauschädlicher Salze in Form von sulfat-, nitrat- und chloridhaltiger Partikel konnte an den beiden Gebäuden nachgewiesen werden. Auch bei der EPA wurden unterschiedliche Gebäudehöhen berücksichtigt, wobei sich eine signifikante Anreicherung sekundärer Aerosole, insbesondere von Nitratpartikeln, in der Höhe ergab.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Projektergebnisse wurden im IFS-Bericht Nr. 37 (Auswirkungen verkehrsbedingter Immissionen auf Baudenkmäler) publiziert und der Fachöffentlichkeit in zwei ganztägigen Kolloquien präsentiert (17.02.2011 Mainz, 03.03.2011 München). Zusätzlich wurden Zusammenfassungen der wichtigsten Projektergebnisse bzw. Einzelaspekte in fünf Vorträgen auf verschiedenen Tagungen vorgestellt.


Fazit

Verkehrsbedingte Immissionen führen zu beschleunigter Verschmutzung und Rückwitterung von Denkmaloberflächen. Die Bildung sekundärer Aerosole bewirkt den Eintrag besonders von Nitratsalzen verstärkt in höheren Fassadenabschnitten. Moderne Methoden der numerischen Simulation und der automatisierten Einzelpartikelanalyse von Feinstaub ermöglichen eine Einschätzung ganzer Innenstädte oder einzelner Gebäude in relativ kurzer Zeit. Die Ergebnisse der Simulationen können für weiterführende Prognosen genutzt werden.

Übersicht

Fördersumme

119.975,00 €

Förderzeitraum

20.06.2009 - 31.03.2011

Bundesland

Rheinland-Pfalz

Schlagwörter

Klimaschutz
Umweltforschung
Umwelttechnik