Projekt 25584/01

Machbarkeitsstudie für die Entwicklung eines länderübergreifenden Großschutzgebietes Rominter Heide (Kaliningrad/ Russland und Polen)

Projektträger

Michael Succow Stiftung
Ellernholzstr. 1/3
17489 Greifswald
Telefon: 03834/83542-10

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die Rominter Heide ist einer der großen unzerschnittenen Tieflandswälder Mitteleuropas. Heute befindet sich etwa 1/3 des ca. 40.000 ha umfassenden Gesamtareals in Polen, 2/3 befinden sich auf russischem Territorium. Litauen hat am östlichen Ufer des Wystiter Sees kleinflächig Anteile an der Rominter Heide. Auf polnischer Seite ist das Gebiet als Landschaftsschutzpark gesichert, auf russischer Seite ist sie als Grenzgebiet nur eingeschränkt zugänglich und überwiegend ohne Schutzstatus. Das Vorhaben soll dazu dienen, zu prüfen, welche Möglichkeiten und Rahmenbedingungen aktuell und potenziell für eine nachhaltige Entwicklung der Rominter Heide als ein modellhaftes Länder übergreifendes russisch-polnisches Großschutzgebiet mit einer Waldlandschaft von europaweiter Bedeutung bestehen.
Die Machbarkeitsstudie soll dazu dienen,
? Schlüsselakteure zu identifizieren und ihre Vorstellungen zur Entwicklung der Rominter Heide zu erfassen;
? vorliegende Daten, Studien, Konzepte und Projekte mit Relevanz für Naturschutz und Tourismus für das Gebiet der Rominter Heide auf russischer und polnischer Seite zu recherchieren, zu sichten und auszuwerten;
? die aktuelle Situation für Naturschutz und Tourismus sowie den Stand der planerischen bzw. konzeptionellen Aussagen und Vorstellungen für die Rominter Heide auf russischer und polnischer Seite in einer ersten Übersicht darzustellen;
? die Potentiale für eine ökologisch integrierte Wald- und Jagdnutzung zu identifizieren und zu bewerten;
? darauf aufbauend, gemeinsam mit den relevanten Akteuren, Entwicklungsvorstellungen für die Rominter Heide zu erarbeiten und den darauf bezogenen Bedarf an vertiefenden Untersuchungen und Studien zu bestimmen (z. B. Zonierungskonzept, Naturschutzgutachten, Managementkonzept, etc.) sowie ggf. Schlüsselprojekte für die Entwicklung eines modellhaften Länder übergreifenden Großschutzgebiets und naturverträglicher Waldnutzungs- und Tourismusformen zu identifizieren;
? gemeinsam Prioritäten für konzeptionelle Vertiefungen bzw. Schlüsselprojekte festzulegen sowie
? mögliche Geldgeber bzw. Förderprogramme zur Umsetzung von Schlüsselprojekten zu recherchieren.
Dazu sind Vor-Ort-Erkundungen in Russland (Gebiet Kaliningrad) und in Polen (Landschaftsschutzpark Puszczy Rominckiej) erforderlich sowie persönliche Gespräche mit den Verantwortlichen für Naturschutz und Tourismus der jeweiligen regionalen und lokalen Administrationen sowie von nichtstaatlichen Naturschutz- und Tourismusorganisationen zu führen.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten Methoden? Recherche, Sichtung und Auswertung vorliegender Daten, Studien, Konzepte und Projekte mit Relevanz für Naturschutz und Tourismus im Gebiet der Rominter Heide (russische und polnische Seite). Aufbereitung der Daten in einem Bericht sowie in Karten;
? Identifikation von Schlüsselakteuren für das Vorhaben in den jeweiligen lokalen und regionalen naturschutz- und tourismusbezogenen Administrationen und Organisationen. Durchführung von Gesprächen mit den jeweiligen Akteuren im Hinblick auf ihre inhaltliche Position, ihre Interessen und Entwicklungsvorstellungen für die Rominter Heide;
? Waldbauliche Bewertung der Waldbestände, Flächenstratifizierung, Luftbildauswertung zum Waldzustand sowie zu den Mooren als Grundlage für eine Vorzonierung und zukünftige Waldnutzung;
? Erfassung und Bewertung der Infrastruktur und des Wegenetzes;
? Analyse des aktuellen Wildmanagements sowie der Jagdnutzung, von Wald-Wild-Konflikten, Aufzeigen von Entwicklungstendenzen sowie Änderungsbedarfs mit Blick auf zukünftiges Wildtiermanagement;
? Recherche der Situation und Rahmenbedingungen für Tourismusaktivitäten im Gebiet der Rominter Heide (Zuständigkeiten, Betretungsformalitäten, Vereinfachungsmöglichkeiten, Reise-/Verkehrsverbindungen, vorhandene tourismusrelevante Einrichtungen und bestehende Tourismus-angebote/Jagdtourismus, Angebote von Reiseveranstaltern);
? Erste Prüfung der Möglichkeiten für die Entwicklung eines Länder übergreifenden Großschutzgebietes Rominter Heide;
? Entwicklung erster Vorstellungen für eine Zonierung des denkbaren Großschutzgebiets Rominter Heide;
? Identifikation möglicher Schlüsselprojekte und Kooperationspartner für die Entwicklung eines Länder
übergreifenden Großschutzgebiets und für naturverträglichen Tourismus im Gebiet der Rominter Heide;
? Durchführung eines Workshops mit den Kooperationspartnern der Studie sowie verantwortlichen Akteuren in Kaliningrad oder im Gebiet (eventuell in Gusev) mit den Zielen;
? Vorstellung der Arbeitsergebnisse der Machbarkeitsstudie;
? Vorstellung und Diskussion von Entwicklungsszenarien für die Rominter Heide;
? Präsentation und Diskussion des weiteren Untersuchungsbedarfs sowie von möglichen Schlüsselprojekten für ein Länder übergreifendes Großschutzgebiet sowie eine naturverträgliche Tourismusentwicklung;
? gemeinsame Festlegung von Prioritäten für konzeptionelle Vertiefungen und weiterführende Studien und für Schlüsselprojekte.


Ergebnisse und Diskussion

m Ergebnis zahlreicher Gespräche mit staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren in Moskau, im Gebiet Kaliningrad und der angrenzenden Region in Polen liegen von allen wichtigen Entscheidungsträgern In-teressensbekundungen für ein Länder übergreifendes Großschutzgebiet vor.
Eine landschaftsökologische Potentialanalyse zeigte, dass die Rominter Heide einerseits über eine mannigfaltige Ausstattung nicht oder nur wenig beeinträchtigter Lebensräume verfügt, dass andererseits je-doch auch große Flächen nutzungsbedingt stark überformt sind. So finden sich insbesondere an steilen Hängen von Flusstälern naturnahe, altholzreiche Laubwälder. Hinzu kommen unentwässerte Kesselmoore und zahlreiche ungestörte Quellaustritte. Große Waldareale unterliegen jedoch einer klassischen preußischen Forstwirtschaft, die auf der Anlage Nadelholzkulturen (Kiefer, Fichte) und Kahlschlagswirtschaft beruht. Gravierende Eingriffe in den Wald gab es zudem im Anschluss an den zweiten Weltkrieg, wobei flächig Reparationshiebe durchgeführt wurden. Entsprechend dominieren heute 50- bis 60-jährige Bestände. Andererseits wurde sowohl nach dem zweiten Weltkrieg als auch nach der politischen Wende auf großen Flächen die landwirtschaftliche Nutzung eingestellt. Hier finden großflächig natürliche Wie-derbewaldungsprozesse statt. Weitere Recherchen ergaben, dass es im russischen Teil der Rominter Heide ausgewiesene Teilflächen ohne forstliche Nutzung gibt. Diese Schutzzonen und die im Landschaftsprogramm für das Gebiet Kaliningrad vorgesehenen Schutzbereiche bedecken gemeinsam eine Fläche von ca. 14.950 ha. Das entspricht ca. 51 % des russischen Teils der Rominter Heide.
Im Rahmen einer groben Zonierungskonzeption für ein zunächst nationales Schutzgebiet auf russischer Seite wird eine Erweiterung der Schutzzonen im Umfang von insgesamt ca. 4.060 ha vorgeschlagen. Diese Erweiterungen umfassen u. a. naturnahe, altholzreiche Areale und naturnahe Feuchtwälder. Somit ergibt sich ein Schutzzonensystem in einer Größe von ca. 19.018 ha (66 % des russischen Teils der Rominter Heide).
Um die Rominter Heide wird die Einrichtung einer Pufferzone empfohlen, in der extensive Landnutzungsformen sowie ländlicher Tourismus entwickelt werden sollten. Diese Pufferzone umfasst eine Fläche von ca. 14.517 ha.
Neben der landschaftsökologischen Untersuchung erfolgte eine touristische Potentialanalyse. Dabei wurden flächendeckend in den Gemeinden in der Rominter Heide und ihrer näheren Umgebung touristische Angebote erfasst und dokumentiert. Deutlich wurde, dass im Hinblick auf eine touristische Entwicklung noch große Defizite bestehen - insbesondere im Hinblick auf die Erschließung ausländischer Tourismusmärkte.
Das größte touristische Potential der Rominter Heide ist ihre Natur- und Kulturlandschaft. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Wystiter See (Ozero Vištyneckoe) mit einer Fläche von 18,1 km². Zu den Besonderheiten dieser Region tragen zudem zahlreiche Flüsse bei, insbesondere die Krasnaja (Rominte), die sich durch die gesamte Rominter Heide - sowohl den russischen als auch den polnischen Teil - schlängelt. Weitere Attraktionen sind ein Hirsch-Gehege und ein Pferdehof in Dmitrevka. Zu den wichtigsten Zeugen der Geschichte gehören die Überreste des Jagdschlosses Rominten, das 1890/91 von Kaiser Wilhelm II gebaut wurde. Zu weiteren, wenn auch negativen Spuren der Vergangenheit, gehören die Ruinen des Reichsjägerhofes, erbaut von Hermann Göring 1935, nur zwei Kilometer vom Jagdschloss entfernt. In Krasnolese kann die Ruine einer Kirche besichtigt werden, die 1873 gebaut wurde und vor dem Zweiten Weltkrieg die Hauptkirche der Rominter Heide war. Derzeit wird sie vom russischen Staat an die NGO Wystiter Museum verpachtet. Diese beabsichtigt, nach einer vollständigen Sanierung in der Kirche ein Informationszentrum mit Veranstaltungsräumen einzurichten. Eine wichtige touristische Attraktion, v. a. für die litauischen Besucher, ist der Ort ?istyje Prudy (Tollmingen / Tollmingkehmen), in dem Christian Donelaitis, ein litauischer Geistlicher und Schriftsteller von 1743 bis 1780 als Pfarrer tätig war. In Jasnaja Poljana - früher als Trakehnen bekannt - befand sich das Königlich Preußische Hauptgestüt Trakehnen mit der weltberühmten Pferderasse Trakehner. Übernachtungsangebote existieren nur in geringer Zahl und entsprechen in der Regel nicht westlichen Standards.
Im Ergebnis der touristischen Potentialanalyse wurden Maßnahmen vorgeschlagen, die zu einer Verbesserung touristischer Angebote beitragen. Dazu zählen die Entwicklung der Infrastruktur (Entstehung kleiner Übernachtungsbetriebe, Privatzimmer und -pensionen, Erweiterung des gastronomischen Angebots, Entwicklung der kommunalen Wasserver- und Abwasserentsorgung, Lösung der Müllproblematik etc.), die Einrichtung eines Informationszentrums und die Entwicklung touristischer Angebote (z.B. Fahrradtourismus, Pferdetourismus, Angeltourismus etc.).


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Projektziele und -inhalte wurden 2007 im Rahmen einer Tagung des deutsch-russischen Umweltabkommens in Bonn vorgestellt. Darüber hinaus war das Projekt im Mai 2008 Teil der Ausstellung des Pro-jektträgers anlässlich der COP9 der CBD, ebenfalls in Bonn. Im Oktober 2008 wurden die Ergebnisse anlässlich der deutsch-russischen Umwelttage in Kaliningrad präsentiert. Eine Detaildokumentation liegt mit dem Abschlussbericht vor.


Fazit

Die Machbarkeitsstudie hat gezeigt, dass die Einrichtung eines grenzüberschreitenden Großschutzgebietes in der Rominter Heide realistisch ist. Sowohl auf polnischer als auch auf russischer Seite besteht großes Interesse an einem solchen Vorhaben. Dieses wurde nicht nur in Form politischer Befürwortung deutlich, sondern zeigte sich auch in der Bereitschaft vor Ort, Datenrecherchen und Geländearbeit aktiv zu unterstützen. Kartenmaterial, vorhandene Studien und Gutachten wurden z. T. kurzfristig bereitgestellt, staatliche wie nichtstaatliche Einrichtungen und deren Mitarbeiter standen jederzeit für Gespräche zur Verfügung. Voraussetzung für ein grenzüberschreitendes Großschutzgebiet ist die Schaffung eines nationalen Großschutzgebietes auf russischer Seite. Die Vorzugsvariante der Kaliningrader Administration ist ein prirodnyj park (Naturschutzpark) - eine Schutzgebietskategorie in regionaler Zuständigkeit.
Der im Rahmen dieser Machbarkeitsstudie erarbeitete grobe Zonierungsvorschlag für ein solches nationales Großschutzgebiet basiert zum einen auf bestehenden Schutzzonen und den vorgeschlagenen Schutzzonen des Landschaftsprogramms. Zum anderen wurden darüber hinaus Erweiterungspotentiale aufgezeigt, die besonders wertvolle Lebensräume in die Schutzzonen integrieren und Kohärenzanforderungen gerecht werden.
Gleichzeitig wurde eine touristische Potentialanalyse angefertigt, die die vorhandene touristische Infrastruktur erfasst und bewertet und Defizite aufzeigt. Abgeleitet wurden daraus Schlüsselprojekte, die für eine landschaftsangepasste Tourismusentwicklung und damit für eine nachhaltige Regionalentwicklung von zentraler Bedeutung sein werden. Abschließend wurden der weitere Untersuchungsbedarf sowie Handlungsfelder für die Erarbeitung einer Detailkonzeption für die Errichtung eines nationalen Groß-schutzgebietes auf russischer Seite herausgestellt, die im Rahmen eines Folgeprojektes bearbeitet werden sollten.

Übersicht

Fördersumme

83.200,00 €

Förderzeitraum

11.05.2007 - 30.04.2008

Bundesland

Grenzüberschreitend

Schlagwörter

Grenzüberschreitend
Landnutzung
Naturschutz