Projekt 24801/01

Visualisierung von Landschaftsszenarien zum Anbau nachwachsender Rohstoffe

Projektträger

Technische Universität Berlin Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung
Str. des 17. Juni
10623 Berlin
Telefon: 030-314 72847

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Aktuell ist eine rapide Zunahme der Nutzung von Bioenergie zu verzeichnen, die sich mittelfristig fortsetzen wird. Damit geht ein Wandel der Landnutzung einher, der zu Konflikten und Synergien mit den Zielen des Naturschutzes führen kann. Bisher fehlen Methoden prognostizierter Szenarien, um die durch den Anbau von Energiepflanzen geprägten Landschaften möglichst für alle Akteure verständlich darzustellen. Ziel des Vorhabens ist es, mit Hilfe von visuellen 3D-Simulationen auf der Basis von Lenné3D-Software Landschaftsszenarien vom Anbau nachwachsender Rohstoffe darzustellen, um damit einen Beitrag zur Konfliktanalyse und zur Akzeptanzförderung zu leisten. Neben der angestrebten fotorealistischen Darstellung von prognostizierten Szenarien sollen dazu Kombinationen von fotorealistischen und non-fotorealistischen Darstellungen eingesetzt werden, um bestimmte Informationen, wie beispielsweise Gefährdungspotentiale oder Synergien bestimmter Kulturen, in Hinblick auf ihre naturschutzfachlichen Aus-wirkungen visuell zu kommunizieren.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenZentral für die Realisierung des Forschungsprojektes ist eine enge Kooperation mit dem DBU-Projekt Übertragbare Strategien zur naturverträglichen Biomassebereitstellung auf Landkreisebene, welches sowohl Daten und Szenarieninformationen bereitstellt, als auch im Rahmen von geplanten Workshops eine Plattform für den Einsatz von 3D-Simulationen im Diskurs bietet. Im Rahmen dieser Kooperation werden zunächst die Gebiete für die Visualisierung von Landschaftsszenarien auf Schlagebene und für die Visualisierung von Gefährdungspotentialen festgelegt. Grundlage für die Auswahl der Untersuchungsgebiete bilden die aus dem Projekt Naturverträgliche Biomassebereitstellung hervorgehenden Eignungskarten für den Anbau von Energiepflanzen und Bewertungskarten von relevanten Landschafts-funktionen sowie Karten des ökologischen Risikos, die aus der Verschneidung von Eignungskarten und Landschaftsfunktionen hervorgehen. Diese Karten liegen für den Landkreis Ostprignitz-Ruppin und Traunstein (Chiemsee) vor. Durch die Einbeziehung dieser Informationen wird sichergestellt, dass Gebiete gewählt werden, die zum einen ein hohes Potential für den Anbau aufweisen, zum anderen aber auch potentielle Konfliktflächen enthalten. Im Anschluss an die Gebietsauswahl müssen die verfügbaren Daten bereitgestellt und aufgearbeitet werden. Dieser Arbeitsschritt umfasst insbesondere die Beschreibung von Anbauverfahren als digitale Regeln und die Zuordnung von Anbauverfahren zu den Flächen auf Basis der Szenarieninformationen. Daneben müssen weitere Daten (Höhenmodell und Luftbilder) beschafft und vorhandene Landnutzungsdaten an die Anforderungen des Visualisierungssystems angepasst wer-den. Auf Basis der resultierenden Datensammlung kann dann mit der Vegetationsmodellierung begonnen werden. Dafür werden mit der Lenné3D-Vegetationsmodellierungssoftware Energiepflanzen und Beikräuter auf den Flächen sowie Pflanzen in den Säumen verteilt. Es soll zum einen eine Darstellung des Status quo und zum anderen eine Auswahl von mindestens zwei Szenarien modelliert und visualisiert werden. Neben der fotorealistischen Darstellung sollen auch neue Methoden des Non-Photorealistic Renderings zur Darstellung von Gefährdungspotentialen und Synergien eingesetzt werden. Dazu werden beispielsweise die Ergebnisse der ökologischen Risikoanalyse als Attribute den 3D-Pflanzen zugeordnet. Durch die grafische Umsetzung der Attributierung können Konflikte oder Synergien visuell kommuniziert werden. Damit erfolgt eine Weiterentwicklung der methodischen Konzepte in der Landschaftsvisualisierung hin zu einem Smart Landscape Model, welches sich nicht nur zur visuellen Kommunikation der sichtbaren Landschaft sondern auch zur Informationsvisualisierung eignet. Etwa zur Hälfte der Projektlaufzeit werden die Ergebnisse der Modellierung und Visualisierung den Akteuren als Hilfsmittel im Rahmen von Workshops mit an die Hand gegeben. Die Option zwischen verschiedenen Szenarien umzuschalten und die Möglichkeit auch nicht sichtbare Konflikte visuell darzustellen, soll zu einer Sensibilisierung für das Thema beitragen. Die aus den Workshops gewonnenen Erfahrungen und Kritiken gewährleisten im wei-teren Projektverlauf eine gezielte Weiterentwicklung der Methodik.


Ergebnisse und Diskussion

Primäre Ergebnisse sind die erzeugten digitalen Landschaftsmodelle, die Relevees (Pflanzenverteilungen) und die daraus entstandenen Visualisierungen. Da das Hauptaugenmerk der Untersuchung auf den visuellen Simulationen von Anbauszenarien nachwachsender Rohstoffe lag, wurden für den Projektbericht aus den entwickelten Szenarien für die Untersuchungsgebiete im Chiemgau und in Ostprignitz-Ruppin beispielhafte Bildreihen an je drei unterschiedlichen Standorten erstellt. Die Bildreihen können den Projektbericht entnommen werden oder bei Frau Prof. Dr. B. Kleinschmit angefragt werden.

Im Folgenden werden zentrale Forschungsfragen den Ergebnissen gegenübergestellt und diskutiert. Die erste Forschungsfrage lautet: Lassen sich interaktive und (foto-)realistische Darstellungen von agrari-schen Landschaftssystemen realisieren? Betrachtet man die präsentierten Visualisierungen, ist das primäre Ziel des Antrages, die Erstellung von visuellen Simulationen von Agrarlandschaften erreicht. Die abgebildeten Landschaftsbilder erreichen eine hohe visuelle Qualität, die Szenen sind annährend in Echtzeit visualisierbar und durch die Bindung einzelner Kulturen an Darstellungslayer können die Szenen interaktiv manipuliert werden. Es gibt aber eine Reihe von Einschränkungen und Restriktionen, die zum Teil durch eine Anpassung der Methodik beseitigt werden konnten, zum Teil aber auch unbeantwortet bleiben müssen und weiterer Forschung und Entwicklung bedürfen. Die sicherlich zentralste Einschränkung betrifft die derzeitige Limitierung auf relativ kleine Landschaftsausschnitte, die dazu führte, dass statt der geplanten 400 Hektar nur 25 Hektar große Gebiete visualisiert wurden. Sie ist auf folgende Fak-toren zurückzuführen:

1. Die Zahl der Pflanzen in einer Landschaft
2. Die Komplexität der Geometrien der einzelnen Pflanzenmodelle
3. Anforderung der Echtzeitvisualisierung

Fasst man alle drei Faktoren zusammen, befindet sich die Echtzeitvisualisierung von fotorealistischen Landschaften hier an ihrer Leistungsgrenze. Zwar lässt sich die Performance durch geschickte Szenen-gestaltung, d. h. dem bewussten Weglassen von Vegetationsformen, wie es am Chiemgauer Beispiel mit den Grünländern gemacht wurde, oder durch die Reduzierung der Pflanzendichte (alle Getreideäcker wurden nur mit halber Saatstärke modelliert) deutlich steigern, eine dauerhafte Lösung bringen solche Manipulationen aber nicht. Hier werden weitere Forschungen nötig sein, um Algorithmen zu entwickeln, die Pflanzenverteilung bei Bedarf (on demand) erzeugen und/oder komplexe Vegetationsstrukturen im Szenenhintergrund durch Texturen oder andere abstrahierte Darstellungen ersetzen. Lösungsvorschläge für dieses Problem werden aktuell im Rahmen einer Doktorarbeit am Conrad-Zuse-Institut in Berlin in Kooperation mit der Lenné3D GmbH entwickelt.

Die zweite Forschungsfrage, ob sich aus den erstellten Visualisierungen Aussagen zu möglichen Veränderungen des Landschaftsbildes treffen und kommunizieren lassen, kann ebenfalls bejaht werden. Betrachtet man die vorliegenden Abbildungen, kann man zwei Aussagen treffen:
1. Unkonventionelle Biomassekulturen, deren Auftreten in der heutigen Agrarlandschaft bisher selten ist, fallen deutlich ins Auge.
2. Die meisten anderen verwendeten Kulturen fallen dagegen nicht als Energiepflanzen in der Landschaft auf, da es sich um Kulturen handelt, deren Anblick vertraut ist.
Es ist zusammenfassend festzuhalten, dass die vorgestellte Methode geeignet ist, um Veränderungen des Landschaftsbildes zu simulieren. Wie diese aber von der Öffentlichkeit wahrgenommen und bewertet werden, lässt sich abschließend nicht bewerten. Zentrale Kritikpunkte, wie fehlende Jahreszeiten und eine fehlende Darstellung der Vegetation im Jahresgang, wurden auf einem DBU-Statusseminar identifiziert. Gerade bei Kulturen, die innerhalb eines Jahres ein starkes Höhenwachstum aufweisen, führt die derzeitige Beschränkung der verwendeten 3D-Pflanzenbibliothek auf den Vollfrühling bzw. Sommer zu einer einseitigen Darstellung. Hier gilt es, 3D-Pflanzenmodelle und Methoden zu entwickeln, die eine differenzierte Darstellung im Jahresgang ermöglichen.

Zur dritten Frage, wie abstrakte Informationen, beispielsweise Flächenanteile, Erosions- oder Verdichtungsempfindlichkeiten mit Hilfe der visuellen Simulationen integrativ dargestellt werden können, lassen sich nur vorläufige Antworten geben. Durch das Einfärben der Ackerschläge, deren Kulturen für die Energieproduktion bestimmt sind, können a) Energiepflanzen von Kulturen für Nahrungs- und Futtermittel abgegrenzt werden und b) die Flächenanteile betont werden. Das Verfahren eignet sich somit grundsätzlich für die Integration von Fachinformationen. Als zweite Technik wurde NPR-Technik eingesetzt, um die Landschaftsmodelle abstrakt-skizzenhaft darzustellen und Umweltinformationen durch Einfärbung dieser Skizzen auf der Basis von Rasterdaten zu integrieren. Hierbei handelt es sich um eine neue, noch nicht erprobte Technologie, die einerseits vielversprechende Ergebnisse liefert, andererseits aber weit von der Marktreife entfernt ist. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass sich mit dem verwendeten System in-novative Informationsvisualisierungen erstellen lassen, die aber technisch nicht ausgereift sind, bzw. für die noch keine Daten- und Benutzerschnittstellen existieren.

Die abschließende inhaltliche Frage, ob die im Projekt entwickelten Visualisierungen letztlich Diskussionsprozesse unterstützen und zum besseren Verständnis der Entwicklung des Biomasseanbaus und möglicher Auswirkungen auf das Landschaftsbild beitragen können, kann nicht abschließend geklärt werden. Die aussagekräftigste Begutachtung erfuhren die Visualisierungsergebnisse bei einem DBU-Statusseminar im November 2007. Die dabei entstandenen inhaltlichen Diskussionen zeigen, dass die Bilder zumindest ein guter Einstiegspunkt in Diskussionsprozesse sein können. Zudem lässt sich unweigerlich belegen und illustrieren, dass bestimmte Kulturen (insbesondere spezielle Biomassemaissorten und KUP) einen deutlichen Einfluss auf das Landschaftsbild haben. Die hierbei geäußerte Kritik, dass der Mais ja nur wenige Wochen im Jahr so hoch steht, ist natürlich berechtigt, bedeutet aber trotzdem, dass in einer bestimmten Zeit im Jahr landschaftliche Sichtbeziehungen gestört werden könnten.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Das Projekt wurde auf der 8. Int. Conference on IT in Landscape Architecture in Dessau vorgestellt und stellt seine Arbeitsergebnisse Frau Prof. Dr. Schweitzer-Ries der Universität Marburg und dem Sunreg II Projekt in Hannover zur Verfügung.


Fazit

Fasst man die Ergebnisse abschließend zusammen, so lässt sich festhalten, dass die vorgestellte Methode geeignet ist, um Szenarien eines Landschaftswandels durch einen zunehmenden Biomasseanbau qualitativ hochwertig, d. h. fotorealistisch, zu visualisieren. Die Erprobung der Methodik an zwei Gebieten zeigt, dass sie übertragbar ist. Bei der Übertragung können sogar Synergien entstehen, weil digitale Vegetationsaufnahmen (Relevees) wiederverwendet werden können. Auf lange Sicht könnten sich Nutzer umfangreiche Vegetationsbibliotheken aufbauen, wodurch die Modellierung und Visualisierung deutlich beschleunigt werden kann. Allerdings beschränken die bisher verwendeten Rendering-Algorithmen bzw. das Systemdesign des Lenné3D-Players die Größe des Landschaftsausschnittes, weil zurzeit alle Pflanzen durch diskrete Punkte beschrieben werden.
Betrachtet man die Ergebnisse vom mittel- bis langfristigen Ziel des Projektes her, einen Beitrag für die Bewertung zukünftiger Energielandschaften zu leisten, so muss offen bleiben, wie groß dieser sein kann. Wie berichtet, zeigen erste Erfahrungen, dass die erzeugten Bilder Diskussionsprozesse anregen kön-nen. Ob und wie weit sie aber für die Entwicklung von Leitbildern einer zukünftigen Biomassenutzung beitragen können oder ob der Einsatz solcher Bilder in umweltpsychologischen Untersuchungen zur Wahrnehmung von Energielandschaften erfolgreich sein kann, bleiben offene Fragen, die nur anhand empirischer Studien bearbeitet werden können. Das Projekt stellt die erzeugten Ergebnisse in diesem Sinne Frau Prof. Schweitzer-Ries von der Universität Marburg zur weiteren Auswertung und Evaluierung zur Verfügung.

Übersicht

Fördersumme

36.239,00 €

Förderzeitraum

01.01.2007 - 31.12.2007

Bundesland

Berlin

Schlagwörter

Klimaschutz
Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung