Projekt 24796/01

Die Bergwerksteiche der Revierwasserlaufanstalt Freiberg als Lebensraum einer einzigartigen Teichbodenvegetation – Gebietshistorie und Vegetationsökologie als Basis für zukünftige Naturschutzmaßnahmen

Projektträger

Technische Universität Bergakademie Freiberg AG Biologie/Ökologie Interdisziplinäres Ökologisches Zentrum (IÖZ)
Leipziger Str. 29
09599 Freiberg
Telefon: 03731-393208

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Das historisch gewachsene Kunstgraben- und Teichsystem der Revierwasserlaufanstalt Freiberg (RWA) steht heute z. T. unter Denkmalschutz und wird vielfältig genutzt. Nutzungsbedingt kam und kommt es in den so genannten Bergwerksteichen zu erheblichen Wasserstandsabsenkungen, die zur Etablierung einer europaweit bedeutsamen, einzigartigen Teichbodenvegetation führ(t)en. Diese besteht aus Strandlings- und Zwergbinsengesellschaften (Littorelletalia und Isoëto-Nanojuncetea) mit dem Scheidenblütgras (Coleanthus subtilis). Die Lebensräume als auch zahlreiche Arten sind geschützt bzw. stark gefährdet. Der Kenntnisstand zu den ökologischen Ansprüchen und Ausbreitungsmechanismen dieser Arten, auf dem die zu Projektbeginn bestehenden Naturschutzmaßnahmen beruhten, wies z. T. erhebliche Lücken auf. Zusätzlich waren die bislang unberücksichtigte Historie, der Flächenrückgang einzelner Arten und zukünftig angestrebte Nutzungsänderungen Anlass für das Projekt. Ziel war, die Voraussetzungen für den nachhaltigen Schutz der einzigartigen Teichbodenvegetation zu schaffen, indem Maßnahmen zum Schutz und zur weiteren Entwicklung abgeleitet, umgesetzt und in ein Managementkonzept integriert werden. So soll durch eine angepasste Nutzung des Kunstgraben- und Teichsystems der langfristige Erhalt der Teichbodenvegetation gewährleistet werden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenZum Abbau der Kenntnisdefizite dienten die Rekonstruktion der Gebiets-/Nutzungshistorie mittels Archivarbeit, die Rekonstruktion der Vegetationsgeschichte durch Samen im Teichsediment gekoppelt mit 14C-Datierungen sowie Untersuchungen zu ökologischen Ansprüchen und Ausbreitungsmechanismen der Arten in Form von Keimungs- und Kultivierungsversuchen im Labor sowie verschiedenen Freilandexperimenten. Auf dieser Basis wurden Entwicklungsmaßnahmen zur Zustandsverbesserung bzw. Flächenvergrößerung der Teichbodenvegetation abgeleitet und erprobt. All dies ermöglichte eine Defizitanalyse zum Status quo, die wiederum die Grundlage für die Ableitung naturschutzfachlicher Mindestanforderungen für das Gesamtsystem bildete. Diese gewährleisten gemeinsam mit den untereinander und mit den Naturschutzbelangen abzugleichenden Nutzungsinteressen die zielgerichtete Formulierung genereller Leitlinien und Handlungsspielräume für eine nachhaltige Nutzung und schließlich die Ableitung geeigneter Maßnahmen als Bestandteil eines Managementkonzepts, wobei lokale/regionale Akteure sowie Nutzer des Systems mitwirkten.


Ergebnisse und Diskussion

Die anhand von Archivarbeit und Sedimentkernanalysen rekonstruierte Gebiets- und Nutzungshistorie ausgewählter Teiche ergab deutliche Unterschiede zwischen diesen, die vor allem aus der unterschiedlich starken Beeinflussung durch das Hüttenwesen resultierten. Die Anlage der Teiche ist durch Veränderungen mehrerer physikalischer und geochemischer Parameter in den Sedimentkernen sichtbar. Sedimente, die sich im Übergangsbereich vom bodenartigen Substrat zum Teichsediment befinden, konnten mittels 14C-Methode etwa auf den recherchierten Zeitraum der Anlage der Teiche datiert werden. Seit ihrer Anlage bis heute sind vor allem Änderungen im Schwermetall- und Organikgehalt festzustellen. Die Analyse von Samen und Früchten in den Sedimentkernen der ausgewählten Teiche zur Rekonstruktion der Vegetationsgeschichte ergab, dass sich die Arten der Teichbodenvegetation, insbesondere der Zwergbinsengesellschaften, bereits kurz nach Anlage der Teiche (z. T. im 16. Jahrhundert), also weit vor der ersten Dokumentation in der Literatur, angesiedelt haben. Ihr Vorkommen im Untersuchungsgebiet hat nach den Resultaten der Kartierung der realen Vegetation sowie den Diasporenbankanalysen bis heute Bestand. Für einige Gewässer gelangen Neunachweise der Arten, doch ist z. T. ein Flächenrückgang zu beobachten bzw. fehlen in einzelnen Gewässern aktuelle Nachweise. Die Untersuchungen zu den ökologischen Ansprüchen der Arten ergaben, dass die Ursachen für den Rückgang des Strandlings (Littorella uniflora) in erster Linie in der Trübung durch Blaualgenblüten liegen, die wiederum in einer permanent hohen Bespannung und der damit verbundenen Anreicherung an Nährstoffen begründet sind. Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass das Bespannungsregime (Zeitpunkt, Dauer und Häufigkeit von Wasserspiegelabsenkungen) entscheidend für die Ausprägung der Zwergbinsengesellschaften und ihre Diasporenbank ist. Der ideale Zeitpunkt für den Beginn einer (Teil-)Entleerung ist Spätsommer bis Herbst, da in dieser Zeit die für die Keimung notwendigen Temperaturschwankungen herrschen und die Gefahr von entwicklungshemmenden Kälteeinbrüchen gering ist. Die Dauer sollte etwa 10 Wochen umfassen, da die Arten in dieser Zeit ihren gesamten Lebenszyklus sicher durchlaufen können und die Gefahr der Reproduktion konkurrenzstärkerer Arten gering ist. Mit einer 2-maligen Absenkung in 10 Jah-ren können gut ausgeprägte Bestände erhalten werden. Die Untersuchungen zu den ökologischen An-sprüchen von Coleanthus subtilis ergaben, dass die Art in Abhängigkeit von Temperaturschwankungen auch unter Wasser keimen kann. Die Keimlinge waren unter Laborbedingungen in der Lage, 21 Tage unter Wasser zu überleben und sich nach Beendigung der Überstauung bis zur Samenreife zu entwickeln, so dass während einer Teilentleerung eines Gewässers auftretende plötzliche und starke Niederschlagsereignisse kurzzeitig toleriert werden können. Für das Vorkommen von C. subtilis ist ein niedriger pH-Wert des Substrates ein entscheidender Standortfaktor. Substrate aus derzeit nicht von C. subtilis besiedelten Gewässern in räumlicher Nähe zu besiedelten Gewässern waren für die Keimung geeignet. Für Arten der Zwergbinsengesellschaften wurde der Einfluss anaerober Sedimentbedingungen, wie sie in einzelnen Gewässern bei längerer Bespannung auftreten, auf die Keimfähigkeit der Samen unter-sucht und dabei im Vergleich zu einer aeroben Lagerung eine Verringerung der Keimrate festgestellt. Der Samentransport über den Wasserweg stellt einen wichtigen Ausbreitungsmechanismus im Untersuchungsgebiet dar, was u. a. durch Überstauungsversuche im Labor und durch Samennachweise im Wasserkörper sowie in Sedimenten der Kunstgräben und Röschen der RWA gezeigt wurde. Dabei können die Samen nachweislich Entfernungen von mehreren Kilometern zurücklegen und zumindest im Labor über 1 Jahr schwimmen. Mit einer gezielten Teilentleerung wurde eine Entwicklungsmaßnahme zur Flächenvergrößerung der Teichbodenvegetation erfolgreich durchgeführt, wobei auch positive Effekte für die Diasporenbank und Fauna auftraten.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Das Projekt wurde durch zahlreiche Vorträge auf regionalen, nationalen und internationalen Tagungen in den Fachbereichen Botanik, Naturschutz und Biodiversität vorgestellt. Darüber hinaus wurden Poster zu ausgewählten Fragestellungen auf internationalen Tagungen, u. a. in Südafrika und Luxemburg, präsen-tiert und herausragende Ergebnisse in der Literatur veröffentlicht. Ein Höhepunkt der Öffentlichkeitsarbeit war die Mitausrichtung der 55. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft sächsischer Botaniker mit Vorträgen und Exkursionen zum Kunstgraben- und Teichsystem der RWA.


Fazit

Die Projektziele konnten entsprechend dem Antrag erreicht werden. Dazu zählten die Rekonstruktion der Gebiets-/Nutzungs- und Vegetationsgeschichte, die Erfassung der aktuellen Verbreitung der Arten der Teichbodenvegetation sowie umfangreiche Untersuchungen zu den ökologischen Ansprüchen der Arten und ihrer Ausbreitungsbiologie. Aus diesen Ergebnissen wurden Entwicklungsmaßnahmen abgeleitet und in ausgewählten Gewässern erfolgreich erprobt. Die Erkenntnisse aus den Grundlagenuntersuchungen und den Erfolgskontrollen zu den Entwicklungsmaßnahmen bildeten die Basis für die Ableitung von naturschutzfachlichen Handlungsempfehlungen. Diese wurden in den Managementplan zum FFH-Gebiet Freiberger Bergwerksteiche integriert und stehen somit den Nutzern des Systems als wichtige Leitlinien für die Bewirtschaftung zur Verfügung. Bei Realisierung des zukünftigen Gebietsmanagements entsprechend der entwickelten Planung sind ein langfristiger Erhalt und eine weitere Zustandverbesserung der Teichbodengesellschaften zu erwarten. Die Arbeit mit den Kooperationspartnern gestaltete sich sehr gewinnbringend.

Übersicht

Fördersumme

111.890,00 €

Förderzeitraum

01.01.2007 - 30.06.2010

Bundesland

Sachsen

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umwelttechnik