Projekt 24703/01

Modellhafte und innovative Instandsetzung der anthropogen umweltgeschädigten Johannesglocke am Dom zu Meißen

Projektträger

Hochstift MeißenDombaumeister
Domplatz 7
01662 Meißen
Telefon: 03521/452490

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Anlass war die Notwendigkeit der Reparatur der etwa 8 t schweren, anthropogen umweltgeschädigten Johannesglocke im NW-Turm des Meißner Doms, die nach dem Glockenunfall von 1977 nur noch eingeschränkt und unter erheblichen Klangeinbußen geläutet werden konnte. Wegen der eingeschränkten Platz- und Zufahrtsituation auf dem Burgberg sollte ein Verfahren entwickelt werden, welches das kostenintensive Herausnehmen der Glocke aus dem Turm und deren weitere Transporte in ein Schweißwerk überflüssig macht. Die hier gemeinsam mit den Projektpartnern gewählte Technologie trägt Pilotprojektcharakter; es ist innovativ, die durchzuführenden Maßnahmen waren alle reversibel und in situ durchführbar. Alle Arbeitsschritte wurden jeweils fachspezifisch durch Partner an verschiedenen Universitäten begleitet. Ein Gelingen des Meißner Pilotprojektes hilft künftig, bei notwendig werdenden Glockenreparaturen Varianten der in-situ-Reparatur der Glocken prüfen zu können und somit die Gesamtkosten in erheblichen Umfang zu minimieren.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten Methoden1. Die 14 Trümmer der Glockenkrone mussten wieder zusammengesetzt und Fehlstellen bildhauerisch ergänzt werden. Danach bildete ein 1:1-Wachsmodell die Vorlage für den Guss der neuen Krone in der Glockengießerei.
2. Die Glocke wurde im Turm aus dem IV. TG in das III.TG abgelassen. Dort wurde eine Werkstatt eingerichtet, an der die Glockenhaube für die Montag der Krone vorbereitet wird.
3. Durch Wasserstrahlschneiden wurde aus der Haube eine Aussparung herausgeschnitten, in die die neue Krone eingefügt werden sollte. Die so hergestellte Aussparung wurde durch Laserscan vermessen und danach die Gussform für das Unterteil der neuen Krone angefertigt.
4. Nach Guss und Anlieferung der etwa 1 t schweren Krone sowie Transport in das III. Turmgeschoss wurde dort die neue Krone aufmontiert und mit statisch berechneten Schraubenbolzen verschraubt. Die Fuge wurde durch Laserstrahl erwärmt und mit Wolfram verfüllt. Dadurch ist ein homogener Klangkörper entstanden.
5. Die reparierte Glocke wurde nun wieder in den zimmermannsmäßig instandgesetzten Holzglocken-stuhl in das IV.TG heraufgezogen und dort mit einem neuen Joch (Nachbau des alten, 1979 zerstörten Joches) aufgehängt. Künftig bewegen 2 neue Antriebsmotoren die Glocke.
6. Nach Klangprüfung, technischer Prüfung, Vermessung und Abnahme ist das Vorhaben beendet.


Ergebnisse und Diskussion

Das hier angewendete Verfahren löst die bisherigen konventionellen Methoden des umständlichen Herausnehmens von Glocken aus dem Turm, dem teuren Transport in ein Schweißwerk, das zeitintensive Erwärmen und Abkühlen und das nicht unproblematische Schweißen der Glocke, Rücktransport s.w.v. usw. ab. Bisher war das Erwärmen reich figurierter Glocken, so wie es bei der Meißner Johannesglocke der fall ist, riskant. Durch ungleichmäßige Erwärmung kommt es zu partiellen Übererhitzungen und dort zum Verbrennen der Patina (leider so an der Erfurter Gloriosa zu sehen!). Das bisher angewendete Verfahren ist nicht reversibel; misslingt das Schweißen, so ist die Glocke verdorben. Mit dem neuen Verfahren wird eine bislang bei einer einzigen Firma liegende Monopolstellung gebrochen. Damit wird sicher auch das Preisgefüge bei ähnlichen Projekten künftig moderater. Durch die Reversibilität der Reparaturmethode könnte beim Misslingen ein erneuter Versuch gewagt werden. Da ein erwärmen der Glocke nicht nötig ist, kann auch keine Gefährdung oder Beeinträchtigung des Bildes der Glocke eintreten.
Durch den bisherigen Monopolisten und Anhänger konservativer Reparaturmethoden wird das neue Verfahren sicher kritisch beargwöhnt und in Frage gestellt werden. Durch die intensive universitäre Begleitung der Arbeiten war aber ein Misslingen ausgeschlossen.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Das Vorhaben ist Bestandteil des Forschungsprojektes pro Bell des deutschen Kompetenzzentrums für das Glockenwesen an der TH Kempten. Die Ergebnisse sollen publiziert werden.
Von Beginn an wurde das Vorhaben von der Presse begleitet. Über Presseinformationen und konferenzen erfahren die weiteren an der Finanzierung beteiligten Partner den aktuellen Stand der Arbeiten.
Im Festgottesdienst zum Weihnachtsfest 2010 wurde die Glocke wieder ihrer Bestimmung übergeben und das Meißner Domgeläut konnte erstmals nach mehr als 30 Jahren wieder komplett erklingen. Am 12.2.2011 wurde zum o. g. Thema ein wissenschaftliches Kolloquium mit großer fachlicher Resonanz durchgeführt. Am 13.2.2011 schloss ein Fest- und Dankgottesdienst das Werk ab. Im Oktober 2011 erschien die wissenschaftliche Publikation als Abschlussdokumentation.


Fazit

Nicht nur die eingespannte Glockenkrone, sondern alle dynamisch relevanten Punkte der Johannesglocke sind mit Dehn-Mess-Streifen versehen und werden messtechnisch mindestens noch ein Jahr lang überwacht. Ein Datenlogger überträgt die digital erfassten Messwerte an das Europäische Kompetenzzentrum für Glocken nach Kempten. Trotzdem kann man jetzt schon sagen, dass in Meißen mit dem erfolgreich abgeschlossenen Pilotprojekt der In-situ-Reparatur der Johannes neue Wege bei der Reparatur von Glocken beschritten wurden.
Es ist nach den hier gewonnenen Erkenntnissen nun nicht mehr in jedem Fall erforderlich, Glocken, denen lediglich die Krone abgebrochen ist, aus den Glockentürmen herauszunehmen und in ein Schweißwerk zu transportieren. Sie lassen sich unter erheblicher Kosteneinsparung genauso vor Ort reparieren. Das ist insofern von großer wirtschaftlicher Bedeutung, da eine Untersuchung der Leibnitz-Universität Hannover ergeben hat, dass es in Deutschland mehrere hundert Glocken mit gebrochenen Kronenhenkeln gibt. Die Kleinteiligkeit der für eine Reparatur benötigten Komponenten macht es möglich, diese in die Türme zu transportieren und die Reparatur vor Ort durchzuführen. Dabei ist es unerheblich, ob die Glocke eine Etage tiefer abgelassen werden muss oder nur - von einem Joch gelöst - in den Glockenstuhl abgesetzt wird. Für das Wasserstrahl-Abrasiv-Schneiden zum Heraustrennen des Deckels der Glocke spielt die Höhe über Gelände praktisch keine Rolle. Natürlich müssen neben den klanganalytischen vor allem die dynamischen und statischen Bedingungen an der Glockenhaube berücksichtigt werden. Sie haben Einfluss auf den Schneidwinkel und die Einspannung der Platten. Durch mobile Ultraschall-Messgeräte können vor Ort nicht nur der Zustand der Glockenschulter, sondern der anderen im Turm befindlichen Glockenkronen einer Überprüfung unterzogen sein. Da es bei den klassischen Glockengussverfahren offenbar immer zu größeren oder kleineren Materialstörungen kommt - die früher oder später zu Glockenbrüchen führen können -, kann hier mittels messtechnischer Begleitung überwacht und einem Absturz vorgebeugt werden oder die Undenklichkeit der Störung attestiert werden. Das Verfahren ist völlig reversibel; es wurde inzwischen patentrechtlich geschützt.

Übersicht

Fördersumme

75.000,00 €

Förderzeitraum

09.12.2009 - 19.11.2011

Bundesland

Sachsen

Schlagwörter

Klimaschutz
Kulturgüter
Umweltforschung
Umwelttechnik