Projekt 24000/01

Reduzierung umweltbedingter Schädigungen von außenexponierten Marmorobjekten am Beispiel der Schlossbrückenfiguren Unter den Linden, Berlin

Projektträger

Landesdenkmalamt Berlin Altes Stadthaus
Klosterstr. 47
10179 Berlin

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Freiluftbewitterte Steinskulpturen erleiden durch die Einflüsse der Witterung in Verbindung mit Schadstoffemissionen erhebliche Substanzverluste. Marmor gehört in unseren Breitengraden zu den besonders gefährdeten Materialien. Entsprechend besorgniserregend ist der aktuelle Zustand der acht Figurengruppen aus Carrara-Marmor auf der Schlossbrücke in Berlin. Für deren Erhaltung am überlieferten Standort besteht ein akuter Handlungsbedarf. Das Forschungsprojekt zielt darauf ab, in einem Modellvorhaben in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit Geologen, Bauphysikern, Materialwissenschaftlern, Restauratoren, Denkmalpflegern, Ingenieuren und Architekten ein innovatives Wintereinhausungssystem für die Schlossbrückenskulpturen zu entwickeln, welches den hohen konservatorischen, bauphysikalischen, bautechnischen, künstlerischen und stadträumlichen Anforderungen gerecht wird. Es wurde geprüft, ob und welche Art der Einhausung sowohl die schädlichen Umwelteinflüsse reduzieren als auch dem Wunsch entgegenkommen können, die Skulpturen auch in den Wintermonaten für Passanten im Stadtbild zu präsentieren. Gegenwärtig wird der winterliche Schutz für Kunst- und Kulturgut in exponierten Lagen, wie auf Brücken oder Attikas, und auf schwer zugänglichem Gelände vernachlässigt, u. a. auch aus ungelösten konstruktiv-statischen Gründen und in Ermangelung eines flexibel einsetzbaren Systems. Daher ist die Entwicklung eines modellierbaren und nachweisbar wirksamen Einhausungssystems für Marmorskulpturen ein wesentlicher Beitrag zur Bewahrung national wertvoller Kulturgüter und zum Ressourcenschutz und stellt damit ein Element nachhaltigen Umweltschutzes dar.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenErstmals soll eine Wintereinhausung in einer komplexen wissenschaftlichen Untersuchung auf ihre Nachhaltigkeit hin geprüft werden. Aus konservatorischer Sicht steht der Schutz der Skulpturen vor physikalischen, chemischen und biologischen Umwelteinflüssen im Vordergrund. Hier müssen vor allem die Auswirkungen von Niederschlägen, Temperaturschwankungen und den Strahlungsanteilen auf das Innenklima und in Folge auf den Marmor untersucht und ausgewertet werden. Das Projekt wurde in sieben Arbeitspakete untergliedert, inhaltlich durch die Projektpartner und der UdK-Berlin - Lehrstuhl für Konstruktives Entwerfen und Tragwerkslehre - bearbeitet und beinhaltet zusammenfassend die folgenden Schwerpunkte:

- die Ermittlung des State of the Art von Einhausungen im nationalen und internationalen Kontext
- die Erstellung eines Anforderungsprofils an eine innovative temporäre Einhausung
- die Zustandserfassung und Materialcharakterisierung der Brückenskulpturen
- die Messung der klimatischen Bedingungen
- die Bestimmung der hygrothermischen Materialeigenschaften von Naturstein und Membran
- - die vergleichende Erfassung des Mikroklimas sowohl der frei bewitterten Objekte als auch einer durch temporäre Holzeinhausung und durch Neueinhausung geschützten Skulptur
- die Entwicklung einer innovativen und denkmalgerechten Einhausung
- die Verwitterungssimulation zur Überprüfung der Wirksamkeit von Einhausungen


Ergebnisse und Diskussion

Es wurden Recherchen zu den allgemein üblichen Einhausungen zum Schutz von denkmalgeschützten Objekten und Skulpturen durchgeführt sowie eine Ermittlung von Material- und Klimadaten und der klimaschädlichen Emissionen. Die Materialcharakterisierung und Zustandserfassung beinhaltete eine Schadensanalytik, eine Zustandsbeschreibung mit Kartierung sowie eine Ermittlung von Basiswerten zur Wirksamkeit von Einhausungssystemen. Im Wesentlichen wurde die mineralogische, gefügekundliche und petrophysikalische Charakterisierung der verwendeten Marmortypen zur Einschätzung der Verwitterungssensibilität. Dazu war es erforderlich Materialfunktionen zur Simulation der hygrothermischen Eigenschaften und der Stofftransporte innerhalb der Marmorskulpturen zu ermitteln. Im Einzelnen bedurfte es der Herstellung geeigneter Auslagerungskörper für die hygrothermische Materialuntersuchung und einer Ermittlung der Materialkennwerte von Marmor sowie unterschiedlicher Einhausungsmaterialien, darüber hinaus einer Freilandexposition des Referenzmarmors. Zur Ermittlung der Klimadaten an den Skulpturen sowie innerhalb und außerhalb der Einhausungen war der Aufbau einer Wetterstation erforderlich mit der kontinuierlichen Aufzeichnung der relevanten Messgrößen Temperatur und rel. Luftfeuchte, Wind-geschwindigkeit und Strahlungsparameter. Die Messungen ermöglichten eine Aussage zur hygro-thermischen Belastung der Skulpturen mit und ohne Einhausung und lieferten Basiswerte für die Raumklimasimulationen. In Kooperation mit der UdK-Berlin wurde ein Einhausungs-Prototyp entworfen und dieser einer bauklimatischen Simulation unterzogen und auf statisch-konstruktive Realisierbarkeit geprüft. Hierbei sollte unter unterschiedlichen außenklimatischen Randbedingungen modelliert werden, wie sich die geplante Einhausung auf die thermischen und hygrischen Eigenschaften der Skulpturen auswirken wird. Final erfolgte eine Bewertung des Einflusses von Einhausungen auf das Verwitterungsverhalten von Carrara-Marmor. Dazu wurden Dilatationsmessungen zur Beurteilung des Verwitterungsprozesses und petrophysikalische Analysen zur Überprüfung der Verwitterungsintensitäten durchgeführt. Parallel zum Forschungsprojekt wurden ergänzend umfangreiche Untersuchungen und Messungen im Zuge der Restaurierung der Figurengruppen (2007-2010) auf Initiative des LDA durchgeführt. Die Projektergebnisse in Form von Recherchen, Messungen, Analysen und Simulationen sind Bestandteil des ausführlichen Abschlussberichtes des LDA-Berlins vom 31.01.2011.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Joerg Ruedrich, York Rieffel, Stephan Pirskawetz, Holger Alpermann, Ute Joksch, Christoph Geng-nagel, Frank Weise, Rudolph Plagge, Jianhua Zhao & Siegfried Siegesmund (2010) Development and assessment of protective winter covers for marble statuaries of the Schlossbruecke, Berlin (Germany).
Thomas Will (Hg.) (2009) Ein Haus für Göttinnen. Einhausungen für die Skulpturen der Berliner Schlossbrücke, TU-Dresden 2009.
Sarah Nägl (2008) Zwei Skulpturen aus Carrara-Marmor auf der Schlossbrücke in Berlin, unveröffentl. Dipl.-Arbeit FH-Potsdam 2008.
Katie Friedmann (2007) Die Restaurierungsgeschichte der Schlossbrückenfiguren - Literatur- und Quellenrecherche mit Schadensfortschrittanalyse, unveröffentl. Seminararbeit FH-Potsdam 2007.
Expertenkolloquium am 12.10.2007 und 29.10.2010 in Berlin
Geplante Projektvorstellung auf einer internationalen Tagung: Conservation of Stone in Parks, Gardens and Cemeteries, Paris 22.-24.06.2011


Fazit

Grundsätzlich wurde durch das Projekt aktuell der Beweis geführt, dass eine Einhausung die Objekte aus Carrara-Marmor schützt. Die Verwitterungsprozesse können durch die Einhausung aber nicht signifikant verzögert werden. Eine wesentliche Erkenntnis der Analytik und der numerischen Simulation ist, dass neben den winterlichen Frost-/Tauwechseln auch die Auswirkungen der thermischen und hier vor allem der thermohygrischen Dilatation, und zwar im Winter und im Sommer, ausschlaggebend für den Prozess der Schädigung von Carrara-Marmor sind. Ein eigens am Institut für Bauklimatik der TU-Dresden entwickeltes Auswertungsverfahren ermöglicht über so genannte Belastungskennzahlen die Eignung von Einhausungssystemen miteinander zu vergleichen. Das Ziel, die Belastungen der Marmorskulpturen durch ein geeignetes System zu minimieren, fordert eine komplexe Beurteilungsweise. Einhausungskonditionen, die positive Effekte bei den filigranen Marmorbereichen auslösen, können sich bei den massiven Marmorskulpturelementen negativ auswirken und umgekehrt. Zudem bestehen Wechselwirkungen zwischen den Klimaeinflüssen, den Einhausungssystemen und der Marmorskulptur, die sich nicht auf ein einfaches Ursache-Wirkungs-Prinzip reduzieren lassen. Abschließend stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit einer ausschließlichen Winter-Einhausung angesichts der vor allem bei Temperaturwechseln unter Feuchteeinwirkung festgestellten ganzjährigen Schädigung von Marmorfiguren. Vor diesem Hintergrund gilt es, maßgeblich die hygrischen und thermischen Fluktuationen in den Einhausungen zu minimieren.

Übersicht

Fördersumme

122.330,00 €

Förderzeitraum

31.10.2006 - 31.10.2010

Bundesland

Berlin

Schlagwörter

Kulturgüter
Umwelttechnik