Projekt 23920/01

Entwicklung einer zum baulichen Substanzerhalt optimierten Methode der Mauerwerkstrocknung beim Wiederaufbau der Herzogin Anna Amalia Bibliothek

Projektträger

Klassik Stiftung Weimar Stiftung des öffentlichen Rechts Sonderbeauftragter des Präsidenten
Burgplatz 4
99423 Weimar
Telefon: 03643-545-103

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die historische Herzogin Anna Amalia Bibliothek war bis zur Brandkatastrophe am 2. September 2004 gleichzeitig Denkmal und aktive Bibliothek. Durch den Brand und das Löschwasser gab es starke Verluste bzw. Schäden am Buchbestand und an der historischen Bausubstanz. Aus dem ehrgeizigen Plan, das Bibliotheksgebäude bereits im Oktober 2007 wieder zu eröffnen, ergab sich nach der Sicherung der Bausubstanz die Aufgabe, möglichst alle mit der Brand- und Löschwassereinwirkung im Zusammenhang stehenden Risiken in einem sehr kurzen Zeitraum bis 2007 zu beseitigen. Gegenstand des Projektes ist die Entwicklung, Durchführung und Bewertung einer Technologie zur Beseitigung der am stärksten feuchtebelasteten Decken- und Wandkonstruktionen der Renaissancesäle. Ziel war eine Technologie, die in dem vorgegebenen Zeitrahmen umsetzbar ist, den Grundsatz des geringst möglichen Eingriffes in die Bausubstanz berücksichtigt, die historischen Putzschichten und Farbfassungen langfristig sichert und, ebenfalls langfristig, eine schadensfreie Nutzung garantiert.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenNach Erfassung des Bauzustandes unmittelbar nach dem Brand wurde, gestützt durch hygrothermische Simulationsrechnung, das erste Konzept zur Beseitigung der Feuchteschäden erarbeitet.
Zur Beschreibung der Wirkmechanismen der Feuchtebelastung während und nach der Einwirkung wur-den für die ausgewählte Bausubstanz der Renaissancesäle der konstruktive und der Materialbestand, die Verteilung des Wassers und der Schadsalze sowie die räumlichen Schadenspotentiale erfasst. Auf die-ser Grundlage wurden innovative Technologien zur beschleunigten Trocknung vorausgewählt und in Probebereichen bewertet. Die daraus abgeleitete bauabschnittsweise angewendete Kombination einer tech-nischen Trocknung über raumklimatische Verfahren und direkter Energiezufuhr in die Bauteile wurde über die gesamte Anwendungszeit messtechnisch begleitet. Eingesetzt wurden Sensoren zur kontinuierli-chen Erfassung der Temperatur und der Feuchteänderungen.
Auf Grundlage dieser Messdaten wurden durch softwaregestützte Simulationsrechnungen die Abläufe der technischen Trocknung optimiert. Die einzelnen Schritte bei der Problemlösung und die Technologie zur technischen Trocknung wurden möglichst nachvollziehbar dokumentiert, wissenschaftlich ausgewertet und im Hinblick auf die Übertragbarkeit auf vergleichbare Sachverhalte bewertet.


Ergebnisse und Diskussion

Mit der Entwicklung und dem Einsatz einer speziellen Technologie zur beschleunigten technischen Trocknung an Mauerwerk und Deckenkonstruktionen der historischen Herzogin Anna Amalia Bibliothek wurde das Ziel der Wiederherstellung der Gebrauchstauglichkeit der löschwassergeschädigten Bauteile in den Renaissancesälen im geplanten Zeitraum von ca. 10 Monaten erreicht. Die technische Trocknung der am stärksten wasserbelasteten Mauerwerks- und Deckenkonstruktionen war mit elektrisch betriebenen Heizstäben möglich.
Die denkmalpflegerischen und restauratorischen Vorgaben konnten erfüllt werden.
Die Erkenntnisse aus den Probebereichen waren eine entscheidende Grundlage für die Planung und Durchführung der Maßnahmen zur technischen Trocknung. Schäden an der Bausubstanz traten nicht auf, Bindemittelveränderungen wurden nicht festgestellt.
Mit der von der Firma ISOTEC konstruierten Steuereinheit für die temperaturgeregelten Heizstäbe und dem am Fallbeispiel der Herzogin Anna Amalia Bibliothek entwickelten sensorgestützten Monitoringsystem wurde ein technisches System entwickelt und erprobt, das für vergleichbare Einsatzfälle zur Ver-fügung steht.
Die Ergebnisse der instationären Bauteilsimulationen zum zweidimensionalen Abbilden von Wärme und Feuchtetransportprozessen waren eine wesentliche Grundlage, sowohl die Feuchtezunahme als auch die Feuchteabnahme in den Konstruktionsquerschnitten in zeitlicher Abhängigkeit hinreichend genau zu bestimmen, den Einfluss verschiedener Randbedingungen quantitativ zu bewerten und anhand der Er-gebnisse die geeigneten Konzepte zur Trocknung zu entwickeln. Die Simulations- und Modellrechnungen waren dabei eine sinnvolle Ergänzung zu den durchgeführten Bauzustandsuntersuchungen und der messtechnisch unterstützten Bauwerksdiagnostik.
Mit der technischen Trocknung wurden wichtige Voraussetzungen für den Verbleib und Erhalt der Holz-konstruktionen während der Sanierung geschaffen.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Projektergebnisse wurden auf verschiedenen Fachveranstaltungen präsentiert und in der Fachliteratur publiziert. Als Beispiele seien hier die internationalen Kolloquien der Wissenschaftlich-Technischen Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e.V. - WTA in Hildesheim 2006 und in Wien 2007 sowie die Veröffentlichungen im Tagungsband des 26. Mitteldeutschen Bau-Reko-Kolloquiums in Weimar genannt.


Fazit

Die durch Löschwasser verursachten Feuchteschäden sind besonders in historischen Baukonstruktionen erheblich. Bei ungenügender Austrocknung bestehen große Risiken für die löschwasserbelastete Bau-substanz, insbesondere für Holzbauteile sowie bei kapillar- und hygroskopisch aktiven Bestandsmaterialien. Als geeignetes Verfahren für die beschleunigte technische Trocknung der Mauerwerkskörper im Bereich der Renaissancesäle der Herzogin Anna Amalia Bibliothek erwies sich die Wärmezufuhr direkt in die am stärksten feuchtebelasteten Mauerwerksbereiche über steuerbare, elektrisch betriebene Heizstäbe.
Besonders bei historischen Baukonstruktionen und Materialien ist für die baubegleitende Kontrolle die Prozesssteuerung der technischen Trocknung und für den Erfolgsnachweis der Einsatz eines sensorge-stützten Bauwerksmonitorings erforderlich.
An der historischen Herzogin Anna Amalia Bibliothek wurde ein problembezogenes Monitoring entwickelt und erfolgreich angewendet. Die in diesem Zusammenhang im Bauwerk installierten Sensoren ermöglichen auch in der Nutzungsphase die zerstörungsfreie Erfassung von Bauzustandsdaten.
Die Kombination von raumklimatischen Verfahren mit der angewendeten thermischen Trocknungstechnologie ist eine außergewöhnliche Maßnahme für die vollständige und beschleunigte Beseitigung von Löschwasser in historischer Bausubstanz. An der Herzogin Anna Amalia Bibliothek hat diese Maßnahme wesentlich dazu beigetragen, dass zum Einen die wertvolle Bausubstanz durch Folgeprozesse nicht weiter geschädigt wurde und dass zum Anderen das Bauwerk bereits drei Jahre nach den enormen Lösc-wasserschäden wieder als Bibliothek der Öffentlichkeit übergeben werden konnte.

Übersicht

Fördersumme

104.500,00 €

Förderzeitraum

01.10.2005 - 01.10.2007

Bundesland

Thüringen

Schlagwörter

Klimaschutz
Kulturgüter
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik