Projekt 23725/01

Entwicklung eines naturschutz- und gewässerschutzfachlichen Übersichtsverfahrens zur hydromorphologischen Zustandserfassung von Seen

Projektträger

Universität Konstanz Limnologisches Institut
Universitätsstr. 10
78464 Konstanz
Telefon: 07531/88-3530

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die Ufer vieler mitteleuropäischer Seen gehören zu den intensiv genutzten und hydrologisch wie morphologisch stark veränderten Lebensräumen. Gleichzeitig bilden diese Übergangslebensräume eine wichtige Schnittstelle zwischen den Umsetzungsverpflichtungen der EG-Wasserrahmenrichtlinie und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. In dem Projekt sollte ein effizientes Übersichtsverfahren zur Erfassung und Klassifikation der strukturellen Beeinträchtigungen der Ufer von natürlichen, erheblich veränderten und künstlichen Stillgewässern entwickelt werden. Das Verfahren sollte Desktop-orientiert sein und soweit wie möglich Informationen aus Luftbildern, Planunterlagen u. a. bereits vorhandenen Quellen nutzen. Das Verfahren sollte an drei Seen (Gr. Plöner See, Müggelsee, westl. Bodensee) erprobt werden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIn einem ersten Schritt wurden die rechtlichen Unterschiede und Gemeinsamkeiten der FFH-RL und der WRRL sowie des Bundesnaturschutzgesetzes und des Wasserhaushaltsgesetzes im Hinblick auf Bewertung und das Monitoring sowie künftige Maßnahmenprogramme in der Seeuferzone untersucht, wobei die Gemeinsamkeiten herausgearbeitet wurden. Besonderes Augenmerk galt dabei den anthropogenen hydromorphologischen Veränderungen, nachdem die stofflichen Beeinträchtigungen (z. B. Nährstoffe, Eutrophierung) bereits an anderen Stellen thematisiert worden waren.
In einem zweiten Schritt wurden die drei bereits bestehenden Verfahren zur hydromorphologischen Erfassung, Klassifikation und Bewertung von Seeufer (LHS-Verfahren, England; je ein Verfahren aus Mecklenburg-Vorpommern und vom Bodensee) einer kritischen Analyse der Verfahrensmerkmale unterzogen. Darauf aufbauend wurde ein Kriterienkatalog formuliert, an dem sich die Entwicklung eines Übersichtsverfahrens (im Folgenden kurz HMS-Verfahren genannt) orientierte.
Die Hauptarbeit bestand in der konzeptionellen Entwicklung des HMS-Verfahrens, der technischen Umsetzung mit GIS und mit einer eigens entwickelten Datenbank bis zur Praxisreife.
Der vierte Schritt bestand darin, das HMS-Verfahren an den drei Testgewässern (s. o.) zu testen, wobei die Luftbilder und viele weitere Daten von den Kooperationspartnern vor Ort eingebracht wurden. Anlässlich von Ortsbegehungen wurden die Luftbild-Objekte im Gelände verifiziert.


Ergebnisse und Diskussion

1. Da bisher nur in zwei Bundesländern der Versuch unternommen worden ist, das Ausmaß der hydromorphologischen Beeinträchtigungen der Seeufer zur erfassen und zu bewerten, fehlt es an Erkenntnissen, in welchem Umfang die lebensraumbezogenen Ziele der FFH-RL und die Ziele der WRRL gefährdet sind. Um diese Frage flächendeckend, effizient und zielorientiert für die deutschen Seeufer zu beantworten, wurde das HMSÜbersichtsverfahren entwickelt. Dabei wurden auch die Erfahrungen mit zwei Detailverfahren (IGKBVerfahren, Bodensee, LHS-Verfahren, England) und einem Übersichtsverfahren (aus Mecklenburg-Vorpommern) ausgewertet.
2. Die wichtigsten Merkmale des voll umfänglich GIS-tauglichen HMS-Verfahrens sind Folgende:
o klare Trennung von Erfassungs-, Klassifikations- und Bewertungsschritten,
o vorrangige Nutzung von bereits vorhandenen Informationen (v. a. datierten digitalen Orthophotos [DOPs], daneben auch von Fachplänen, ALK-Folien der realen Landnutzung u. a. digitale Geoinformationen) bei gleichzeitiger Vermeidung von aufwändigen Geländeerkundungen,
o Beschränkung auf die hydromorphologischen Kernvariablen, soweit sie grundsätzlich anthropogenen Veränderungen unterliegen können,
o transparente Datenaggregation und Klassifikation mit ausgewiesenen Schnittstellen für die Einfügung von Fachwissen bei gleichzeitiger Flexibilität und Revisionsfreundlichkeit.
Die luftbildgestützte Erfassung von Strukturen in den drei Uferzonen stützt sich auf einen vorgegebenen hierarchischen Objekttypenkatalog. Jedem Objekttyp wird ein Index (SI) zugeordnet, der den Grad der Beeinträchtigung naturnaher Biozönosen durch diesen Objekttyp bezeichnet. Das Verfahren kommt ohne eine Seentypologie und eine Ufertypologie aus. Der Referenzzustand wird beschrieben durch das Fehlen anthropogener Strukturen, Landnutzungen, Substrat-, Relief- und Uferlinienveränderungen.
3. Die praktische Durchführung des Verfahrens erfolgt in 10 Schritten:
(a) Vorbereitungsarbeiten (für den gesamten See)
Schritt 1: Beschaffung der Datenquellen
Schritt 2: Digitalisierung einer Referenzuferlinie
Schritt 3: Digitalisierung der Subzonen
Schritt 4: Uferparallele Unterteilung in Erfassungssegmente
(b) Durchführung der Erfassung (je Ufersegment)
Schritt 5: Identifizierung der Objekte anhand eines vorgegebenen Objekttypenkatalogs
Schritt 6: Flächen- und Längenschätzung der Objekte
(c) Auswertung (zunächst je Ufersegment)
Schritt 7: Spezifischer Beeinträchtigungsindex (SI - specific impact index)
Schritt 8: Ermittlung des Beeinträchtigungsgrades in einem Subsegment
Schritt 9: Aggregation der Daten der Segmente und Klassifikation
Schritt 10: Bewertung (nicht innerhalb des Verfahrens, von den Fachbehörden vorzunehmen)
Neben den Vorbereitungsarbeiten bestehen die wesentlichen Tätigkeiten in der korrekten Identifizierung der auf dem Luftbild sichtbaren Objekte (Schritt 5) und deren Flächen- bzw. Längenschätzung (Schritt 6). Die nachfolgenden Auswertungsschritte 7 bis 9 werden automatisch mit Hilfe einer kleinen Datenbank durchgeführt.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Das Verfahren sowie die wichtigsten praktischen Erfahrungen und Ergebnisse der Erprobung an den drei Testgewässern wurden in einem Referat auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Limnologie vom 25.-29. September 2006 in Dresden vorgestellt. Wenige Tage später fand vom 5.-7.Oktober 2006 in Konstanz der Projektabschlussworkshop mit rd. 40 Teilnehmenden aus Deutschland, den Niederlanden, Österreichs und der Schweiz statt. Hier wurden u.a. in drei Vorträgen das HMS-Verfahren und die wichtigsten Resultate dargestellt. Weiterhin sind zwei Publikationen in Fachorganen des Naturschutzes und der Wasserwirtschaft in Vorbereitung.


Fazit

Angesichts der beträchtlichen Uferlänge an deutschen Stillgewässern (> 0,5 km2) kommt nur ein GIS-orientiertes, luftbildgestütztes Übersichtsverfahren in Frage, um die anthropogenen strukturellen Beeinträchtigungen der Lebensräume beiderseits der Wasserlinie effizient und kostengünstig zu erfassen und zu klassifizieren. Freilandorientierte Kartierungsverfahren können dies nicht leisten.
Mit dem HMS-Übersichtsverfahren wird ein Konzept vorgestellt, das sich an der Flächen- bzw. Längenerstreckung von (Schad-)Objekten sowie an einem objektspezifischen Index orientiert, der als Ergebnis eines fachlichen Konsenses den Schweregrad der Beeinträchtigung naturnaher Biozönosen kennzeichnet. Die Praxistauglichkeit konnte anhand der Kartierung von drei Testseen nachgewiesen werden.
Erhebliche Kenntnislücken bestehen allerdings nach wie vor bei der Beurteilung der Beeinträchtigung von naturschutzfachlich relevanten Arten und Lebensräumen durch konkrete hydromorphologische Eingriffe. Diese Kenntnislücken können zukünftig mit Habitateignungsmodellen ausgeglichen werden.

Übersicht

Fördersumme

46.632,00 €

Förderzeitraum

01.11.2005 - 30.11.2006

Internet

www.uni-konstanz.de/limnologie

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umwelttechnik