Projekt 23717/01

Verbesserte Tageslichtnutzung in Gebäuden durch großflächige Anordnungen von mikro- und nanoskaligen Spiegeln in Fensterflächen (aktive Fenster)

Projektträger

Von Waitzische Beteiligungen GmbH
Theaterstr. 1
34117 Kassel
Telefon: 0561/70798-0

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Mittels Mikrospiegelanordnungen in Fensterflächen zur großflächigen Umlenkung von Tageslicht kann eine signifikant verbesserte Helligkeitsverteilung in Innenräumen erreicht werden. Dies führt zu einem reduzierten Kunstlichteinsatz während des Tages und einer gleichmäßigen Ausleuchtung von Räumen mit angenehmem natürlichem Tageslicht. Gleichzeitig nehmen diese Mikrospiegelanordnungen effektive Wärmeschutz- und Wärmeregulierungsfunktionen wahr. Die Mikrospiegelmodule werden dabei zwischen den beiden Scheiben konventioneller Isolierverglasungen implementiert. Derartige Aktive Lichtlenkfenster sind energiesparend, extrem langlebig und wartungsarm. Durch ihre einfache Nachrüstbarkeit und optische Unauffälligkeit sind sie besonders für Altbausanierungen, auch für denkmalgeschützte Gebäude geeignet.
Das Projekt hat als Machbarkeitsstudie die Herstellung eines Demonstrators im Labormaßstab zum Ziel. Dieser soll aus mehreren 6 x 6 cm² großen Modulen bestehen und die volle Funktionalität der Aktiven Fenster bereits umfassen. Das Projekt soll damit die Basis für einen Industrietransfer bilden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Machbarkeitsstudie besteht im wesentlichen aus drei Aufgabengebieten. Das eine befasst sich mit der rein technologischen Realisierung der Mikrospiegelmodule. Ein zweiter Komplex befasst sich mit Simulationsrechnungen über die aktiven Fenster, sowohl vom Standpunkt der Simulation von Beleuchtungsszenarien, vom Aspekt des Energiemanagements in Gebäuden als auch vom Aspekt des Designs und der Gestaltung. Ein dritter Teil wird die Aktiven Fenster von der Anwendungsseite her evaluieren und mitentwickeln, hier ist vor allem die Möglichkeit einer Implementierung in gängige Fenstertechnologien.
Die Machbarkeitsstudie besteht zu einem bedeutenden Teil in der Realisierung der mikrosystem-technischen Prozessschritte, in dem insbesondere die Anwendbarkeit von plasmagestützten Depositi-ons- und Ätzprozessen gezeigt wird. Es werden Prozessschritte gewählt, die in einer ähnlichen Form in einem der drei Industriezweige Solarzellenherstellung, Glasbeschichtungen oder Displayherstellung bereits verwendet werden. Es entfällt somit die Notwendigkeit, Maschinen oder Prozesse für den Industrietransfer von Grund auf neu zu entwickeln. Insbesondere sollen die Verfahren Magnetron-Sputtern, PECVD, RIE und thermisches Aufdampfen verwendet werden. Ein Ersetzen von konventioneller Lithographie durch ein kostengünstiges Mikro-Imprint-Verfahren wird ebenfalls angestrebt. Als Materialien werden hauptsächlich kostengünstige Dielektrika sowie Einfachmetallschichten verwendet.
Die rechtliche Absicherung der Technologien ist durch zwei Patentanmeldungen der Universität Kassel (DE000010358967A1, DE000010358812A1) gewährleistet.


Ergebnisse und Diskussion

Es wurde ein 6cm x 6cm großes Modul entworfen, bestehend aus 9 Untersegmenten, die, einzeln ansteuerbar, die Funktionalität der Aktiven Fenster demonstrieren sollen. Dazu wurden mikrosystemtechnische Prozessschritte entwickelt, unter Verwendung der Materialien Glas, Indium-Zinn-Oxid, Siliziumoxid, Siliziumnitrid und Aluminium, sowie der Verfahren Ionenstrahlsputterdeposition, plasmaunterstützte Gasphasendeposition und Elektronenestrahlverdampfen. Die nahezu fehlerfreie Aktuation der 2cm x 2cm großen Untersegmente des Demonstratormoduls wurde gezeigt. Das geometrische Verhältnis zwischen offenem und geschlossenem Zustand (Tastverhältnis) liegt im aktuellen Design im offenen Zustand bei 34% Bedeckungsgrad gegenüber 95% Bedeckungsgrad im geschlossen Zustand. Die Leistung zum Halten der Spiegel in einer definierten Position beträgt 0,1W /m². Die Spannung, um die Spiegel voll zu aktuieren, beträgt rund 80V. Die Pixelfehlerdichte von etwa 2 Prozent sollte noch verbessert werden. Die Aktuierungs- und Lebensdaueruntersuchungen haben gezeigt, dass die Mikrospiegelelemente sowohl einer dauernden Bewegung über mehrere Tage als auch einer hochfrequenten Bewegung bis zu 2kHz standhalten.
Bei der energetischen und ökologischen Betrachtung wurde das Mikrospiegel-System, mit einem opti-mierten Makro-Jalousiesystem verglichen. Für die Herstellungsphase zeigen sich deutliche Vorteile für das Mikrospiegel-System (PEE: 3.325 MJ bzw. 94 kWh) gegenüber dem Makro-Jalousiesystem (PEE: 4.503 MJ bzw. 1.251 kWh). Auch die Treibhauswirkungen liegen mit 226 kg CO2-Äquivalent um ca. 19 % unter denen der Jalousieherstellung (269 kg CO2-Äquivalent). Die Umweltwirkungen der Herstellung des Mikrospiegel-Systems resultieren hauptsächlich aus dem elektrischen Energiebedarf. Es wurden keine toxischen Substanzen bei der Herstellung identifiziert.
Die Art des Fenstersystems beeinflusst wesentlich den Energiebedarf von Gebäuden für die Beleuchtung und die Klimatisierung. Auf der Grundlage eines Referenz-Büroraums (Fenstermaße: 3,50 m* 2,00 m) wurden für die Sommermonate der Solarstrahlungseintrag und der sekundäre Wärmeeintrag durch die beiden zu vergleichenden Fenstersysteme simuliert und daraus der Energiebedarf für die Kühlung und die Beleuchtung berechnet. Insgesamt werden über die angenommene Lebensdauer von 25 Jahren mit dem Mikrospiegel-System über 4.700 kWh Primärenergie weniger benötigt als unter Nutzung des Makro-Jalousie-Systems. Das Mikrospiegel-System verursacht zwar einen um ca. 80 Prozent höheren Kühlenergiebedarf (5.818 kWh), allerdings wird dies durch einen geringeren Energiebedarf für die Beleuchtung überkompensiert.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Poster:
Mikrosystemtechnik-Kongress 2007, Dresden (Poster)
3rd Shanghai International Nanotechnology Symposium 2007, Shanghai, China (Vortrag)
IEEE/LEOS International Conference on Optical MEMS and Nanophotonics (2007), Hualien, Taiwan (Poster)
Impulsveranstaltung Nano Energie 2007, Hanau (Workshop)
Nanotechnologieforum Hessen 2007, Frankfurt / Main (eingeladener Vortrag)
Thüringer Grenz- und Oberflächentage 2008, Jena (Vortrag)
NanoEurope 2008, St.Gallen, Schweiz (Poster)
5th International IEEE Conference on Networked Sensing Systems (INSS) 2008, Kanazawa, Japan (eingeladener Vortrag)
Auszeichnung mit dem European Grand Prix of Innovation Award 2006
Teilnahme an der Woche der Umwelt 2007
Berichterstattung: Zahlreiche Artikel in der lokalen und überregionalen Tagespresse sowie Fernseh-beiträge
Titelbeitrag in den Hessen-Nanotech News 1/2007
5-minütiger Fersehbeitrag im Erfindermagazin Einfach Genial des Mitteldeutschen Rundfunk 2007
Ausgezeichneter Ort im Land der Ideen 2009
Weitere Publikationen in Vorbereitung


Fazit

Die Machbarkeit von Mikrospiegelmodulen einer Größe von 6cm x 6 cm im Labormaßstab unter Verwendung von low-cost-Materialien und Prozessen wurde gezeigt. Der optische Eindruck der Mikrospiegelanordnungen ist für eine künftige Anwendung im Sichtbereich geeignet. Die Aktuationsspannung von rund 80V ist für die elektrostatische Aktuierung eines Mikrosystems vergleichsweise gering. Der Strom, um die Spiegel in einer definierten Position zu halten, hat mit aktuell 0,1W /m² bereits Energieeinsparpotential. Die entwickelten mikrosystemtechnologischen Prozesse sind in der jetzigen Form für einen Transfer auf Industrieanlagen geeignet.
Die vergleichende ökologische und energetische Bilanzierung hat ergeben, dass ein System aus derartigen Mikrospiegel-Modulen aufgebaut, in der Herstellungsphase geringere Umweltwirkungen verursacht und in der Nutzungsphase ein deutlich höheres Energieeinsparungspotenzial als das Vergleichssystem mit makroskopischen Lamellen hat.

Übersicht

Fördersumme

349.500,00 €

Förderzeitraum

20.03.2006 - 20.03.2008

Bundesland

Hessen

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik